Energie: Rebellion gegen wenig revolutionäre Konzepte
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Kanzlerin Angela Merkel hatte Anfang September den von der Regierung vereinbarten Atomkompromiss als „Revolution im Bereich der Energieversorgung“ begrüßt. Die verlängerte Laufzeit der deutschen Atomkraftwerke sei Basis für eine klimafreundliche und sichere Energieversorgung Deutschlands. „Unsere Energieversorgung wird damit die effizienteste und umweltverträglichste weltweit“, warb Merkel. Sie fügte hinzu, Energie bleibe damit für Bürger und Unternehmen bezahlbar.
Ende September folgte das groß angekündigte Energiekonzept der Bundesregierung – von Kanzlerin Merkel ebenfalls als „revolutionär“ bezeichnet. Das Langzeitkonzept geht davon aus, dass im Jahr 2050 nur rund 60 Prozent des Bruttoendenergieverbrauchs aus Wind, Sonne, Biomasse, Wasserkraft und Geothermie erzeugt werden. Die Studie wurde von drei Instituten angefertigt, die Erneuerbaren Energien eher kritisch gegenüberstehen. Führende Forscher im Bereich Erneuerbare sind deshalb schwer enttäuscht vom Energiekonzept der Regierung. Die Feststellung der Regierungs-Studie, 40 Prozent des benötigten Stroms würden in 40 Jahren immer noch mit fossilen Brennstoffen erzeugt werden, können die Forscher nicht mittragen. „Das wäre nicht nur ökologisch, sondern auch ökonomisch unvernünftig, meint etwa Frithjof Staiß, Professor und Vorstand des Zentrums für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung (ZSW) mit Sitz in Stuttgart. Denn bereits jetzt gebe Deutschland jährlich rund 60 Mrd Euro für Energieimporte aus – ein Betrag, der sich bei den absehbar steigenden Energiepreisen bis 2050 vervielfachen dürfte. Die Kosten für den Ausbau der Erneuerbaren Energien hingegen seien klar kalkulierbar.
Eckpunkte des Energiekonzepts der Bundesregierung
Atomkraft: Die Laufzeiten der sieben vor 1980 ans Netz gegangenen Meiler werden um acht, die der anderen zehn AKW um 14 Jahre verlängert. Die Kernenergie soll als Brückentechnologie den Umstieg auf Öko-Energie vereinfachen.
Erneuerbare Energien: Noch vor der Solarenergie setzt die Regierung vor allem auf Windparks in Nord- und Ostsee. Um die Offshore-Windleistung bis 2030 auf 25 Gigawatt auszubauen, sollen rund 75 Milliarden Euro investiert werden. Genehmigungsverfahren werden dafür vereinfacht. An Land sieht die Regierung geringe Ausbaukapazitäten: Alte Windkraftanlagen sollen gegen leistungsstärkere Anlagen ausgetauscht werden.
Netze und Speicher: Weil der Ökostrom-Ausbau unerwartet rasant voranschreitet, sind mehr als 1000 Kilometer neuer Leitungen notwendig - vor allem um den Windstrom vom Norden in den Süden zu verteilen. Da Wind- und Sonnenstromproduktion von der Wetterlage abhängig sind, wird eine Infrastruktur an Stromspeichern, wie z.B. Pumpspeicherwerke, notwendig.
Energieeinsparung: Durch bessere Gebäudedämmung sollen bis 2050 rund 80 Prozent des heutigen Wärmebedarfs eingespart werden. Im Verkehrsbereich soll der Endenergieverbrauch bis 2020 um rund 10 Prozent und bis 2050 um rund 40 Prozent gegenüber 2005 zurückgehen.
Klimaschutz: Die Regierung will bis 2020 eine Million Elektrofahrzeuge und bis 2030 sechs Millionen E-Mobile auf die Straße bringen.
Mitte Oktober setzte dann die Debatte um die staatliche Förderung der Stromproduktion aus erneuerbaren Energiequellen ein. Es werde höchste Zeit, auch die Stromproduktion aus erneuerbaren Quellen „in die Marktwirtschaft zu überführen“, forderte etwa der Präsident des Bundeskartellamts, Andreas Mundt.
Anlass für die Kritik und die nachfolgende Debatte war der drastische Anstieg der Umlage gemäß des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG). Aufgrund des rasanten Ausbaus der erneuerbaren Energien – derzeit macht die Stromerzeugung aus Wind, Biomasse, Wasser, Sonne und Erdwärme bereits einen Anteil von mehr als 16,3 Prozent am deutschen Stromverbrauch aus – sollen ab 2011 alle Stromverbraucher in Deutschland pro abgenommener Kilowattstunde Strom eine EEG-Umlage von 3,530 Cent zahlen. Aktuell liegt dieser Wert noch bei 2,047 Cent. Der von den Stromverbrauchern im nächsten Jahr zu zahlende Differenzbetrag liegt somit bei 70 Prozent.
EEG-Umlage: Das Umlageverfahren garantiert den Betreibern von Windrädern, Solar- und Biomasseanlagen etc. Vergütungen, die teilweise deutlich über den Marktpreisen für konventionell in Kohlekraftwerken und AKWs erzeugten Strom liegen. Müssen die Verbraucher in diesem Jahr knapp 9 Mrd Euro zahlen, erhöht sich der Wert im kommenden Jahr auf 13 Mrd Euro.
Die Befürworter der Erneuerbaren Energien führen ins Feld, die Debatte um die Förderung des Ökostroms sei eine Scheindebatte: „Es ist der offensichtliche Versuch, um von der Verlängerung der Laufzeiten von Atomkraftwerken abzulenken, die gesellschaftlich keine Unterstützung hat“, so NRW-Umweltminister Johannes Remmel. Als zentral gilt für Remmel die Frage: „Wollen wir das Monopol der großen Energiekonzerne auf Jahrzehnte festschreiben oder wollen wir hin zu einer dezentralen Stromversorgung, die von vielen Anbietern getragen wird?“ Der Ministerpräsident wies vor allem auch darauf hin, dass in der Ökostrom-Debatte die Öffentlichkeit bewusst mit Halbwahrheiten manipuliert werde: Es werde völlig ignoriert, dass im Regierungskonzept mit Blick auf die herkömmlichen Energieträger die Nebenkosten nicht mitberechnet und vor allem die immensen Kosten für die Endlagerung des Atommülls komplett ausgeklammert worden sind.
HöhereStromrechnungen seien nicht in erster Linie auf die EEG-Umlage zurückzuführen, argumentiert der Bundesverband Erneuerbare Energien (BEE). Die sei zwischen 2000 und 2010 nur für fünf Euro mehr im Monat verantwortlich, so Dietmar Schütz, Präsident des BEE. „Die monatliche Stromrechnung hingegen stieg im gleichen Zeitraum um etwa 30 Euro, also um das Sechsfache“, argumentiert Schütz. Gründe dafür seien die Umsatzsteuererhöhung, höhere Stromgestehungskosten und gestiegene Netzentgelte.
Das Fazit der Energiewende-Verfechter: Die Verlängerung der AKW-Laufzeiten führe dazu, dass die Gewinne der Energiemonopolisten steigen und die Steuerzahler auf Jahrzehnte hinaus die Kosten der Endlagerung tragen müssten. Bezahlbarer Strom ohne versteckte Milliardenkosten sei nur durch die Förderung erneuerbarer Energien möglich. Und: Der Ausbau der Erneuerbaren habe einen positiven Beschäftigungseffekt. Die Zahl der Arbeitsplätze in der Branche ist tatsächlich stark gestiegen: 340.000 Menschen sind hier tätig, Spitzenreiter ist die Windenergie. Die Zahl der Beschäftigten hat sich damit innerhalb von fünf Jahren verdoppelt – das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung gesteht dem Wirtschaftszweig „eine weit überdurchschnittliche Wachstumsdynamik“ zu.
Anlegern dürfte diese Wachstumsdynamik Freude bereiten: So lässt die besonders rasant wachsende Windkraftbranche die Folgen der Wirtschaftskrise hinter sich. Während der Marktführer Vestas noch mit Schwierigkeiten kämpft, profitieren Nordex und Repower seit einigen Monaten von einer deutlich verbesserten Auftragslage: Sie haben im zweiten Quartal 2010 so viele Bestellungen in die Auftragsbücher genommen wie seit zwei Jahren nicht mehr.
Für Quandt-Erbin Susanne Klatten ist die gute Auftragslage und der langfristige Ausblick Grund genug, um ihren Bestand an Nordex-Aktien weiter aufzustocken. Das Bundeskartellamt hat jüngst ihr Vorhaben genehmigt, ihren Anteil am Nordex-Konzern auf mehr als 25 Prozent auszubauen. Seither kauft die Großaktionärin beständig zu und liegt derzeit bei 24,67 Prozent der Konzernanteile.
Ähnlich positiv blickt Repower in die Zukunft: Hier schnellte der Auftragsbestand von April bis September dieses Jahres um 61 Prozent auf knapp 2,6 Mrd. Euro hoch. Obwohl der Umsatz im Berichtzeitraum um rund 18 Prozent auf 499 Millionen absackte, legte das Betriebsergebnis (Ebit) im Berichtzeitraum um rund zehn Prozent auf 34,4 Mio. Euro zu. Im gesamten Geschäftsjahr 2010/11 will der mehrheitlich zum indischen Windanlagenbauer Suzlon gehörende Konzern einen Umsatzanstieg auf rund 1,5 bis 1,6 Mrd. Euro erreichen.
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