Energie - Ausblick auf das Jahr 2006
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Wenn man die Presse verfolgt, könnte man fast glauben, dass Erdöl und Gold alle anderen Rohstoffe in der Preisentwicklung geschlagen haben. Das ist aber nicht der Fall. Erdöl wurde von Zucker, Zink, Orangensaft und Kupfer deutlich „outperformt“ und Gold sogar zusätzlich noch von Erdöl, Palladium, Silber und Aluminium. Für den Anleger in Rohstoffen mögen deshalb Erdöl und Gold auch gar nicht die Rolle gespielt haben, die ihnen häufig zugeschrieben wird. Spekulanten, die ihr Geld in Naturgas-Futures anlegten, haben sogar Verluste erlitten. Wie passt das mit der Hysterie zusammen, die zur Zeit die Weltöffentlichkeit erregt? Die Antwort ist einfach: eine Besserung ist nicht in Sicht! Wir müssen mit weiter steigenden Preisen rechnen.
Dabei hilft auch nicht der Vergleich mit 1981. Damals, im Jahr des Ölschocks, lag der Preis für Erdöl real sogar noch deutlich über dem Stand von heute. Nur gab es genug Öl, das allerdings künstlich durch den Boykott der Förderländer verknappt wurde. Heute treibt die Nachfrage die Preise, während das Angebot eher stagniert. Dabei spielt die Verschwendungssucht der Amerikaner nach wie vor eine große Rolle. Niemand sollte glauben, dass diese zu stoppen sei. Zum einen scheinen die amerikanischen Sommer von Jahr zu Jahr heißer zu werden, und es ist nicht davon auszugehen, dass dort die Kühlaggregate bei unerträglicher Hitze abgestellt werden. Und auch die sibirischen Kälteeinbrüche im Winter, die jederzeit und völlig unerwartet über die USA herfallen können, machen kräftiges Heizen erforderlich. Schließlich hat sich auch gezeigt, dass der Durchschnittsamerikaner nicht bereit ist, sein Auto in der Garage stehen zu lassen, auch wenn sich Benzin deutlich verteuert. Die amerikanische Nachfrage wird also weitgehend unelastisch bleiben. Ähnlich sieht es aber auch in allen anderen Industriestaaten aus, auch wenn dort Sparmaßnahmen die Zunahme des Verbrauchs, allerdings nur allmählich über einen längeren Zeitraum, gestoppt haben.
Der Nachfrageboom kommt aber vor allem aus den Schwellenländern China, Indien und Brasilien. Dabei handelt es sich ja nicht nur um den wachsenden privaten Verbrauch reich gewordener Autofahrer, sondern um riesige neue Städte, die geheizt und gekühlt werden müssen und um energieschluckende Fertigungsstraßen für die Weiterverarbeitung von Rohstoffen. Selbst wenn das Wachstum Chinas etwas, bestimmt nicht deutlich, zurückgehen sollte, wird Indien diese Lücke weit überkompensieren. Man bedenke nur, dass Indien heute täglich mehr Autostraßen baut als noch vor kurzem im ganzen Jahr, und dass gewaltige Bürozentren wie Pilze aus dem Boden schießen, deren Energieverbrauch sich jährlich potenziert. Noch wichtiger erscheint uns aber, dass diese Länder bisher kaum über strategische Reserven verfügen, diese aber zügig aufbauen werden, um die so sehnlich angestrebte Unabhängigkeit von den Industriestaaten und Förderländern zu demonstrieren. Diese gewaltige zusätzliche Nachfrage wird heute meist unterschätzt.
Das Angebot scheint dagegen zu stagnieren, wobei immer die Gefahr besteht, dass es sogar zurückgeht. So haben in diesem Jahr die Hurrikans über dem Golf von Mexiko einen bedeutenden Teil der weltweiten Förderung lahmgelegt. Niemand wird aber davon ausgehen können, dass eine Wiederholung ausbleibt. Außerdem droht der Iran mit Boykott, im Irak will die Förderung nicht anlaufen, diktatorische und korrupte Regierungen im Vorderen Orient, in Afrika und in Mittelamerika machen ihre Lieferungen von der Erfüllung politischer Forderungen, manchmal auch nur von Bestechungsgeldern, abhängig und ein terroristischer Anschlag auf die Pipelines kann jederzeit zu einem unheilvollen Durcheinander führen. Optimisten sehen immerhin in Russland nach der Yukos-Krise die Möglichkeit für eine kräftige Erhöhung des Angebots. Wie aber gerade irrationales Verhalten des „Diktators“ Putin gezeigt hat, kann diese Rechnung durchaus ohne den „Wirt“ gemacht worden sein.
Die großen Ölfirmen halten derweil Investitionen zurück und versuchen durch den Aufkauf von Konkurrenten ihre Kosteneffizienz zu verbessern. Dabei handelt es sich keineswegs, wie so häufig unterstellt, um eine profitgieriges Verhalten. Man bedenke nur, dass jede neue Produktion mit erheblich höheren Kosten verbunden ist, unabhängig davon, ob es sich um die Förderung oder um die Weiterverarbeitung von Erdöl handelt. Niemand möchte deshalb der Erste sein, der dann mit erheblich höheren Kosten der Konkurrenz von „Billiganbietern“ ausgesetzt ist.
Schließlich spielt heute die Spekulation eine bisher ungekannte Rolle. Neu ist, dass sie starr geworden ist, weil sie von den mächtigen Anlagefonds der Großbanken beherrscht wird. Sie sammeln über Open End-, Discount- und Bonuszertifikate riesige Geldmengen von Kleinanlegern ein, die einfach im Markt „hocken“ bleiben, sich also nicht schnell und unberechenbar bewegen, wie es gemeinhin von der Spekulation erwartet wird. Preisschwankungen werden ausgesessen und führen deshalb nicht zu zusätzlichen Käufen oder Verkäufen. Gefährlich ist dabei allerdings auch: Im Crash oder im Boom kann es zu kräftigen Ausschlägen der Volumina kommen.
Charttechnisch liegen Öl und Gas ohnehin im Aufwärtstrend, wenn man einmal von einigen hektischen Ausschlägen bei Gas absieht. Glauben Sie also nicht den erleichterten Kommentaren der Optimisten, wenn der Öl- und Gaspreis einmal vorübergehend sinkt.
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