Kommentar
11:41 Uhr, 07.03.2008

Ende der Krise erst in 2009

1. Die Krise am US-Hypothekenmarkt hat sich im vierten Quartal 2007 offensichtlich weiter zugespitzt. Der Datensatz „Mortgage Delinquencies“, der von der Mortgage Bankers Association (MBA) quartalsweise veröffentlicht wird, beinhaltet hinsichtlich der Zahlungsschwierigkeiten von Kreditnehmern wichtige Informationen. Gestern wurden die Daten für das vierte Quartal bekannt gegeben. Diesen lässt sich entnehmen, dass der Anteil der Zahlungsrückstände (Delinquencies) an den ausstehenden Hypotheken im vierten Quartal von 5,59 % auf 5,82 % deutlich angestiegen ist. Der Anteil der tatsächlichen Zwangsvollstreckungen erhöhte sich ebenfalls kräftig von 1,69 % auf 2,04 %. Dies ist ein Rekordstand.

2. Die Unterteilung des Hypothekenmarktes in subprime / prime sowie variabel / fest verzinst zeigt im Bereich der schwerwiegenden Zahlungsverzögerungen eine Fortsetzung der Tendenz aus den Vorquartalen: Der Anteil der schwerwiegenden Zahlungsverzögerungen erhöhte sich im Subprime-Segment stärker als im Prime-Segment und bei Hypotheken mit variabler Verzinsung stärker als bei fest verzinslichen. So stieg der Anteil im Subprime-Segment (variabel) von 15,63 % auf 20,54 % noch stärker an als in den Quartalen zuvor. Diese zunehmende Dynamik lässt sich auch im Subprime-Segment (festverzinslich) feststellen. Hier nahm der Anteil von 6,61 % auf 8,18 % ebenfalls deutlich zu. Die Anteile im Prime-Segment erhöhten sich analog zum dritten Quartal: im fest verzinslichen Bereich von 0,83 % auf 0,99 % und bei variabler Verzinsung von 3,12 % auf 4,12 %.

3. Mit Hilfe des Datensatzes vom MBA lässt sich aufschlüsseln, wie groß die einzelnen Bereiche im Hypothekenmarkt sind. Im vierten Quartal 2007 waren beispielsweise 12,7 % aller Hypotheken Subprime-Verträge (nach 13,2 % im Vorquartal). Gut jeder dritte Hypothekenvertrag, bei dem eine schwerwiegende Zahlungsverzögerung vorlag, war ein Prime-Vertrag. Somit sind die Anteile an schwerwiegenden Zahlungsverzögerungen im Prime-Segment zwar deutlich niedriger als im Subprime-Segment. Aufgrund des höheren Gewichts des Prime-Segments am Hypothekenmarkt ist die Anzahl der Hypotheken mit schwerwiegenden Zahlungsverzögerungen aber durchaus beachtlich, sodass nicht von einer auf das Subprime-Segment beschränkten Hypothekenkrise gesprochen werden kann.

4. Gibt es einen Lichtblick bei den insgesamt schlechten Zahlen? Bevor eine Hypothek in den Bereich „schwerwiegende Zahlungsverzögerung“ fällt, taucht sie in dem Bereich „Zahlungsverzögerung (30 Tage)“ auf. Denn eine schwerwiegende Zahlungsverzögerung liegt definitionsgemäß erst nach 90 Tagen vor. Zahlungsverzögerungen nach 30 Tagen stellen somit den Nährboden für die weitere Entwicklung der schwerwiegenden Zahlungsverzögerungen dar. Von den vier genannten Segmenten ist der Anteil der Hypotheken mit Zahlungsverzögerung nach 30 bis 60 Tagen nur im Subprime-Segment mit fester Verzinsung gestiegen (von 6,62 % auf 7,17 %). Für die drei anderen Bereiche werden dagegen Rückgänge gemeldet. Diese gute Entwicklung dürfte sich vermutlich erst mit einer Verzögerung bei den schwerwiegenden Zahlungsverzögerungen niederschlagen, da derzeit im Bereich „Zahlungsverzögerung (60 bis 90 Tage)“ noch für alle vier Bereiche Anstiege gemeldet werden. Zudem ist zu beachten, dass Anfang Dezember das im Oktober von Finanzminister Paulson initiierte „HOPE NOW“-Programm erweitert wurde. Bei diesem Programm kommt die US-Regierung den verschuldeten Immobilienbesitzern mit verschiedenen Maßnahmen zur Hilfe. So wurden bspw. für Schuldner mit einer guten Zahlungshistorie und einem Mindestmaß an Eigenkapital Kreditgarantien ausgestellt, um trotz der Kreditkrise eine Umschuldung zu ermöglichen. Der festzustellende Rückgang der erstmaligen Zahlungsverzögerungen 30 bis 60 Tage lässt sich zumindest teilweise dadurch erklären, dass durch dieses Programm starke Anreize für Schuldner gesetzt wurden, ihre letzten Reserven zu mobilisieren. Denn nur Schuldner mit gesunder Zahlungshistorie können von diesem Programm profitieren. Sollte das Umschuldungsprogramm die Schuldner hinreichend entlasten, so dürfte dies die Ausfallraten auch im nächsten Quartal tabilisieren. Verfehlt der Paulson-Plan jedoch seine Wirkung, so dürften auch die erstmaligen Zahlungsverzögerungen im ersten Quartal 2008 wieder zunehmen.

5. Die gestrigen Daten zeigen, dass die Hypothekenkrise weiterhin andauert. Die Fortdauer der Verwerfungen an den Immobilienmärkten ist von zwei wesentlichen Einflussfaktoren abhängig: Erstens von dem Überangebot an Häusern und zweitens von der Zinsentwicklung. Sowohl für neu gebaute Häuser als auch für bestehende Häuser liegt derzeit ein deutliches Überangebot vor. Dies bewirkt zweierlei, nämlich zum einen einen Abwärtsdruck auf die Immobilienpreise und zum anderen einen geringeren Bedarf, zusätzliche Häuser zu bauen, also eine Fortsetzung der Wohnungsbaurezession. Bei der Betrachtung früherer Schwächephasen der privaten Wohnungsbauaktivität zeigt sich, dass das Überangebot am Ende einer solchen Phase nicht niedrig sein muss, sondern dass es sich nahezu zeitgleich mit dem Beginn einer zunehmenden Bauaktivität abbaut. Diese zeitliche Parallelität mag zwar überraschen, hängt aber damit zusammen, dass der Beginn einer Phase mit einer zunehmenden Bauaktivität stets durch eine stark steigende Nachfrage gekennzeichnet ist. Wir rechnen derzeit damit, dass der Überbestand an Häusern, der an der Dauer des Verkaufs abzulesen ist, frühestens im Sommer dieses Jahres den Höchststand erreicht haben dürfte.

6. Ein zweiter wichtiger Einflussfaktor für das Ende der Hypothekenkrise ist die Zinsentwicklung. Anhand der Renditen am Markt für Corporate Bonds zeigt sich zwar, dass die Unternehmen von den bereits erfolgten Leitzinssenkungen der Zentralbank bisher nicht profitieren. Für die privaten Haushalte, insbesondere im Hypothekenbereich, sieht dies allerdings anders aus. Beispielsweise hat sich der 6-Monats-Liborsatz seit Herbst letzten Jahres deutlich verringert. Dieser Zinssatz ist deshalb von Interesse, weil er oft als Referenzsatz für 2-28-Verträge (Hypothekenverträge mit zweijähriger Zinsbindung und 28 Jahren variabler Verzinsung) verwendet wird. Für diejenigen Hypothekenschuldner, die nun in die Phase einer variablen Verzinsung hineinkommen, sind die niedrigeren kurzfristigen Zinsen eine spürbare Erleichterung. Dies dürfte auch dämpfend auf die Entwicklung der Zahlungsverzögerungen in den kommenden Quartalen wirken. Allerdings weist die MBA darauf hin, dass der starke Anstieg der Zwangsvollstreckungen gegen Ende 2007 vor allem darauf beruht, dass viele Subprime-Schuldner bereits vor der ersten Zinsanpassung in Zahlungsschwierigkeiten geraten. Dies liegt daran, dass die Hypothekenbelastung ihren finanziellen Möglichkeiten von Anfang an überschritten hätte. Dies deutet darauf hin, dass die zu Unterstützung des Subprime-Segments, die eine Einfrierung der Zinsbelastung vorsehen, zumindest zum Teil keine Wirksamkeit haben.

7. Für das Neugeschäft mit Hypotheken ist einmal relevant, wie sich der Spread bei den variablen Hypothekenzinsen entwickelt. Dieser Spread hat sich in den vergangenen Monaten deutlich erhöht. Sollten diese Spreadniveaus auch in den kommenden Quartalen Bestand haben, dürfte das Hypothekengeschäft im Bereich der variablen Verzinsung kaum an Dynamik hinzugewinnen. Etwas günstiger sieht es allerdings im festverzinslichen Bereich aus. Relevant sind hier die Hypothekenzinsen mit einer Laufzeit von 30 Jahren. Diese sind seit Sommer letzten Jahres deutlich gesunken. Wer also plant, seine Neuimmobilie mit einer festverzinslichen Hypothek zu erwerben (und auch die Möglichkeit hierzu hat), der kann bereits heute von den niedrigeren Zinsen profitieren. Mit 63,7 % ist dieser Bereich des Hypothekenmarktes (also prime und fest verzinst) der mit Abstand größte. Wir gehen davon aus, dass von diesem Hypothekensegment schon im vierten Quartal 2008 eine stärkere Immobiliennachfrage ausgehen wird.

8. Der zeitliche Ablauf des Endes der Hypothekenkrise müsste idealtypisch wie folgt aussehen: Das Niedrigzinsumfeld führt zu einer erhöhten Nachfrage nach Hypotheken (für bestehende und neu gebaute Häuser). Diese erhöhte Nachfrage beendet die Wohnungsbaurezession und lässt das Überangebot an Häusern sinken. Wir rechnen derzeit damit, dass dies im vierten Quartal 2008 der Fall sein wird. Mit zeitlicher Verzögerung von etwa einem Quartal reagieren auch die landesweiten Immobilienpreise auf die erhöhte Nachfrage. Die Phase fallender Immobilienpreise dürfte somit im ersten Quartal 2009 zu Ende gehen. Die schwerwiegenden Zahlungsverzögerungen werden vermutlich erst mit einer weiteren Zeitverzögerung von einem Quartal reagieren. Somit dürfte die Hypothekenkrise sich bis zum zweiten Quartal 2009 hinziehen. Dies heißt nicht zwingend, dass die Zahlungsverzögerungen bis zu diesem Zeitpunkt steigen werden. Mit einer spürbaren Entspannung, also deutlichen niedrigeren Zahlungsverzögerungen, ist allerdings vorher nicht zu rechnen.

Quelle: DekaBank

Die DekaBank ist im Jahr 1999 aus der Fusion von Deutsche Girozentrale - Deutsche Kommunalbank- und DekaBank GmbH hervorgegangen. Die Gesellschaft ist als Zentralinstitut der deutschen Sparkassenorganisation im Investmentfondsgeschäft aktiv. Mit einem Fondsvolumen von mehr als 135 Mrd. Euro und über fünf Millionen betreuten Depots gehört die DekaBank zu den größten Finanzdienstleistern Deutschlands. Im Publikumsfondsgeschäft hält der DekaBank-Konzern einen Marktanteil von etwa 20 Prozent.

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Oliver Baron
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Oliver Baron ist Finanzjournalist und seit 2007 als Experte für stock3 tätig. Er beschäftigt sich intensiv mit Anlagestrategien, der Fundamentalanalyse von Unternehmen und Märkten sowie der langfristigen Geldanlage mit Aktien und ETFs. An der Börse fasziniert Oliver Baron besonders das freie Spiel der Marktkräfte, das dazu führt, dass der Markt niemals vollständig vorhersagbar ist. Der Aktienmarkt ermöglicht es jedem, sich am wirtschaftlichen Erfolg der besten Unternehmen der Welt zu beteiligen und so langfristig Vermögen aufzubauen. In seinen Artikeln geht Oliver Baron u. a. der Frage nach, mit welchen Strategien und Produkten Privatanleger ihren Börsenerfolg langfristig maximieren können.

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