Kommentar
17:22 Uhr, 02.08.2001

EM.TV nach der HV - alles wird besser?

Die Aktie des Medienkonzerns ist wieder einmal in die Schlagzeilen geraten und das gleich mehrfach. Zuerst trat der Gründer Thomas Haffa von seinem Vorstandsposten zurück und am letzten Donnerstag wurden mit fast zweimonatiger Verspätung die Geschäftszahlen für das erste Quartal 2001 veröffentlicht. Des weiteren wurde ein Konsolidierungskurs verkündet, der auch durch den Verkauf von unnötigen Beteiligungen erreicht werden soll.

Geschäftsfeld

Zu den Kernaktivitäten von EM.TV zählen eigentlich die Vermarktung von Fernseh- und Merchandisingrechten im Bereich Kinder- und Familienentertainment sowie die Co- bzw. Eigenproduktion von Zeichentrickserien. In den Bereich Event-Marketing und Sportvermarktung stieg das Unternehmen mit der sehr umstrittenen Beteiligung an der SLEC Holding ein, die sämtliche Verwertungs- und Fernsehrechte an der Formel-1-Rennserie hält. Daneben übernahm das Unternehmen die Jim Henson Company und sicherte sich dadurch die Rechte an weltbekannten Figuren der Sesamstrasse und der Muppet-Show. Durch eine 25%-Beteiligung an der Constantin Film AG sollen Kinder- und Jugendfilme für den Weltmarkt produziert werden. Durch die Beteiligung an der Tele München Gruppe (TMG) wurde das Programmportfolio um 2.700 TV-Movies ausgebaut.

Heute gab der designierte neue Vorstandsvorsitzende Werner Klatten bekannt, dass das Unternehmen sich in Zukunft nur noch auf das Kerngeschäft Kinderfernsehen und Merchandising konzentrieren wird. Die übrigen Felder bzw. Beteiligungen sollen verkauft werden.

Momentane Situation

Der bisherige EM.TV-Chef und Gründer Thomas Haffa hatte am Mittwoch letzter Woche nach Milliardenverlusten und massiven Kurseinbußen seinen Posten für den Spiegelmanager Werner Klatten geräumt. Wie das Unternehmen mitteilt, wird Klatten von Thomas Haffa Aktien in der Größenordnung von 25,1 Prozent des derzeitigen Grundkapitals an der EM.TV übernehmen.
Im vergangenen Jahr hatte die EM.TV & Merchandising AG statt des erwarteten Gewinns einen Rekordverlust von knapp 2,6 Mrd. DM eingefahren.

Klatten hatte in München angekündigt, er wolle die Restrukturierung des Unternehmens fortsetzen. Auch weitere Verkäufe der bisherigen Beteiligungen innerhalb der kommenden zwölf Monate seien geplant.

Am 30.07.2001 wurde schon der erste Verkauf getätigt. Em.TV hat seine Beteiligung an dem US-Medienkonzern Crown Media verkauft. Der Verkaufserlös betragen 90 Millionen Dollar (gut 200 Mio DM), einschließlich sonstiger vereinbarter Zahlungen erhält EM.TV insgesamt 103 Millionen Dollar, Mit dem Erlösen aus den verkauften Beteiligungen soll der Schuldenberg verkleinert werden

Weiterhin sorgte die Ankündigung, dass wenn EM.TV wieder liquide ist, weitere Unternehmen, die zum Unternehmen passen, integriert werden sollen für Aufregung am Neuen Markt. Die Übernahmekandidaten sollen hohe Liquiditätsreserven haben, damit sich die flüssigen Mittel beim Käufer erhöhen und der oder die Kaufkandidaten sollten strategisch ins Portfolio passen.

Überstürzte um überteuerte sind Käufe ja gerade der Punkt gewesen der EM.TV fast "umgebracht" hat - diesen Fehler werde man jedoch wahrscheinlich kein zweites Mal machen. Zuerst müssen die Beteiligungen Jim Henson oder Formel 1 an den Mann gebracht werden. Tele München ist wahrscheinlich aufgrund interner Unstimmigkeiten zunächst unverkäuflich.

Es gibt vier Kandidaten, die augenscheinlich für eine Übernahmen in Frage kommen würden:

Dino Entertainment ist mit einer Marktkapitalisierung von 13 Mio. Euro noch ein relativ kleiner Kandidat. Das Problem ist hier, dass etwa 60 Prozent in den Händen des Vorstandsvorsitzenden Christian Neuber sind. Eine feindliche Übernahme würde also nicht funktionieren und bei der momentanen Börsenlage denken wir, dass der Vorstandsvorsitzende zu diesem Preis sowieso nicht verkaufen würde.

Etwas größer ist mit einer Marktkapitalisierung von 56 Mio. Euro RTV, eine Tochter der Ravensburger. RTV ist aber recht hoch verschuldet. RTV passt unserer Meinung nach als Produzent und Vermarkter von Fernsehprogrammen für die Zielgruppen Kinder und Familien recht gut zum Portfolio von EM.TV. Außerdem meldete RTV heute mit den Zahlen vom ersten Halbjahr in die Gewinnzone geklettert zu sein.

Etwa 48 Mio. Euro wert ist momentan der schon Gewinne schreibende Merchandisingspezialist United Labels. Das Unternehmen ist aber laut einem Sprecher kein Übernahmekandidat, da es sich selbst als stark genug ansieht. Zu 71 Prozent gehört das Unternehmen dem Vorstandschef Peter Boder, im Endeffekt ergibt sich dasselbe Problem wie bei Dino Entertainment.

Der 4. Kandidat ist TV-Loonland, mit gut 150 Mio. Euro Marktkapitalisierung und schwarzen Zahlen der größte Wert. Auch dieses Unternehmen würde als Produzent, Rechtehändler und Internet-Anbieter auf dem Gebiet Kinder- und Jugend-Entertainment gut ins EM.TV Konzept passen.

Interessant ist hier, das der Vorstandvorsitzende Peter Völkle, mit 45 Prozent auch Haupteigentümer von TV-Loonland, bis 1989 bei Leo Kirch tätig war.

Es bleibt abzuwarten, ob die ganzen Spekulationen momentan etwas Handfestes nach sich ziehen, da sich EM.TV in nächster Zeit eigentlich keines der Unternehmen leisten kann und auch die Integrierung der Akquisition in das Unternehmen, sowie die Aufdeckung von Synergieeffekten weiteren Restrukturierungsaufwand aufwerfen würde - und davon hat EM.TV eigentlich schon genug. Es bleibt also weiter spannend.

Zahlen

Die am 26. Juli vorgelegten Zahlen waren so schlecht wie erwartet.
Sie zeigen, dass Ex-Chef und Firmengründer Thomas Haffa dem Medienunternehmen ein schweres Erbe in Form eines immensen Schuldenberges hinterlassen hat.

Vor Steuern hat die Firma im ersten Quartal 2001 einen Verlust von 44 Millionen Mark eingefahren. Die Gesamtleistung des Unternehmens sank auf 237 Millionen Mark. Das schwierige Marktumfeld im Film- und TV-Rechtehandel, vor allem aber Zinsaufwendungen in Höhe von 89 Millionen Mark seien die Gründe für das schlechte Ergebnis. Die teuer eingekaufte Formel 1 (Teilkonzern SPEED/SLEC), deren Saison am 4. März 2001 begann, trägt im ersten Quartal nur mit zwei Rennen zur Gesamtleistung des Konzerns bei. Zudem sind die Zahlen durch Restrukturierungsaufwendungen und Beratungskosten belastet worden, hieß es.
EM.TV hat sich im vergangenen Jahr durch eine kostspielige Beteiligung an der Formel-1 sowie die Übernahme der Henson Company offenbar finanziell übernommen: Im Geschäftsjahr 2000 verzeichnete die Firma einen Verlust in Höhe von 2,6 Milliarden Mark.

Bewertung

EM.TV-Aufsichtsrat Roland Berger rechnet bei dem Medienkonzern spätestens 2004 wieder mit passablen Gewinnen. Er geht davon aus, dass der neue Firmenchef Werner Klatten die Restrukturierung durchzieht und dem Unternehmen neue Wachstumschancen eröffnet.

Ein Problem sind jedoch die schon eingeleiteten Klagen mit möglichen Schadenersatzansprüche von Aktionären gegen EM.TV. Haffa hat sich aber nach einem Bericht der "Berliner Zeitung" dafür gerüstet. Für Haffa als Vorstandsvorsitzendem ist eine Missmanagement-Versicherung abgeschlossen worden, die eine Schadenssumme von maximal 200 Mio. DM abdeckt. Die Versicherung deckt auch "grobe Fahrlässigkeit" ab. Damit wäre schon mal eine mögliche hohe Belastung weggefallen.

Auf der Hauptversammlung wurde ausserdem verkündet, dass man nahezu alle von Haffa gekauften Rechte bzw. Beteiligungen wieder abstoßen will - das ist schon kurios- die Arbeit von Thomas Haffa und seinen Kollegen in den letzten Jahren war somit nahezu nutzlos.

Unter der Annahme, dass voraussichtlich lediglich die Vermögenswerte des Kerngeschäfts mittelfristig im Konzern verbleiben, ist die aktuelle Börsenbewertung von über einer Milliarde DM eindeutig zu hoch.

Auf der Hauptversammlung wurde heute von Rolf Rickemeyer, Finanzvorstand, erklärt, dass das Unternehmen im Kerngeschäft noch in diesem Jahr einen Gewinn vor Steuern, Zinsen und Abschreibungen (Ebitda) erzielen werde.

Neben den Ertragsbelastungen durch Restrukturierungsmaßnahmen verweisen wir auf die niedrige Eigenkapitalquote, die momentan 195 Mio. DM Bankschulden und die Ungewissheit über die künftige strategische Ausrichtung als weitere belastende Faktoren. Gemäß dem Zwischenbericht belaufen sich die langfristigen Schulden auf sogar 6,8 Mrd. Mark!!.

Durch den positiv zu wertenden Vorstandswechsel in der vergangenen Woche hat sich fundamental noch nichts geändert. Die Quartalszahlen waren sehr schlecht und zudem steht das Kerngeschäft, der Filmrechtehandel auf schwachen Beinen. Der designierte Vorstandvorsitzende Werner Klatten hat einen schweren Weg vor sich, um das Vertrauen der Anleger zurückzugewinnen und EM.TV wieder zu einem normal agierenden Unternehmen zu machen. Deshalb sollte sich mit langfristigen Investments weiterhin zurückhalten. Für kurzfristig orientierte Anleger kann sich der eine oder andere "Zock" durchaus lohnen. Dafür verweisen wir auf unsere charttechnischen Analysen. Erst wenn genau bekannt wird, wie die zukünftige Strategie aussieht und sich erste Erfolge zeigen, kann eine fundamentale Neubewertung auf langfristiger Basis erfolgen.

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