Kommentar
08:55 Uhr, 15.11.2016

Emerging Markets: Eine zweite Chance?

Endlich ist sie da, die zweite Chance, nachdem der Trend fast unaufhaltsam und ohne Rücksetzer erfolgte.

Die meisten dürften die Trendwende in den Emerging Markets verpasst haben. Die Trendwende kam so schnell, dass man seinen Augen nicht traute. Die wenigsten dürften sich entsprechend tatsächlich getraut haben einzusteigen.

Zu Jahreswechsel, als die Rohstoffpreise in ein tiefes Luftloch fielen, stürzten auch die Aktienmärkte der Emerging Markets ab. Innerhalb kurzer Zeit verlor der MSCI Emerging Markets fast 20 %. In einzelnen Märkten ging es deutlich rabiater nach unten. So mancher Markt verlor 30 % innerhalb weniger Wochen (z.B. Nigeria).

Die Trendwende kam ebenso schnell und heftig wie der vorangegangene Sell-off. Brasiliens Leitindex stand wenige Monate nach dem Abverkauf 50 % höher. In Indonesien schaffte die Börse ein Plus von 30 % und in Indien stiegen die Kurse um 25 %. Als wäre das nicht schon Performance genug, konnten Anleger auch von aufwertenden Währungen profitieren.

Anleger, die den brasilianischen Index über dollargehandelte ETFs gekauft hatten, konnten über 100 % Performance verbuchen – innerhalb von acht Monaten! Wer von Anfang an dabei war, hat Glück gehabt. Alle anderen konnten nur staunend zusehen. Besonders frustrierend war die Tatsache, dass der Trend fast pausenlos weiterging. Vereinzelt gab es Rücksetzer, die zwischen 5 und 10 % betrugen. Für Emerging Markets Aktien, die hochvolatil sind, ist das nicht genug, um vollster Überzeugung einzusteigen.

Nun kommt endlich der lang ersehnte Rücksetzer. Wie so vieles in diesen Tagen kann man es Donald Trump zuschreiben. In den drei Tagen nach der Wahl verloren die Währungen vieler Emerging Markets massiv an Wert. Grafik 1 zeigt eine Auswahl von Ländern und den jeweiligen Abwertungen. Ganz oben auf der Liste steht natürlich Mexiko. Die Währung fiel crashartig in sich zusammen.

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Andere Währungen ließen sich ebenfalls nicht lumpen. Der brasilianische Real brachte es immerhin auf ein Minus von knapp 10 % und die indonesische Rupie auf ein Minus von 6 %. Die Rupie würde heute vermutlich noch deutlich niedriger stehen, wenn die Notenbank nicht interveniert hätte.

Viele Notenbanken äußerten sich nach Trumps Wahlsieg schnell zu Wort. Sie beteuerten allzu große Volatilität abfangen zu wollen. Die indonesische Notenbank intervenierte nicht nur verbal, sondern direkt auf dem Devisenmarkt. Indien wird ebenfalls nachgesagt, dass größere Mengen an Dollar verkauft worden sein sollen.

Der Abverkauf der Währungen und Aktien macht nicht unbedingt Sinn. Trump will zwar den Warenverkehr neu beurteilen, doch für die meisten Länder ist das irrelevant. Sorgen muss man sich vor allem über Japan, China und Südkorea machen. Sie produzieren heute das, was vor einigen Jahren oder Jahrzehnten noch in den USA produziert wurde. Für die meisten Emerging Markets gilt das nicht.

Nigeria zum Beispiel exportiert keine Elektronik, Möbel und Spielzeuge in die USA, sondern Öl. Das gleiche gilt für Brasilien. Chile exportiert vor allem Kupfer, Australien und noch einmal Brasilien exportieren Eisenerz. Trump kann auf und nieder springen wie er will: wenn in den USA nicht genug Kupfer, Öl, Nickel und Eisenerz verfügbar sind, dann muss es importiert werden, egal aus welchem Land.

Viele rein auf den Rohstoffexport ausgerichtete Länder dürften unter Präsident Trump keine Probleme bekommen, weil die USA keine Wahl haben, als bestimmte Rohstoffe zu importieren. Es gibt jedoch noch einen zweiten Faktor, der für den Sell-off gesorgt hat. Trump ist ein Gegner der Niedrigzinspolitik. Steigende Zinsen machen es attraktiver Dollaranlagen zu suchen. Je attraktiver Dollaranlagen sind, desto weniger Kapital fließt in Entwicklungsländer. Das sorgt dort für steigende Zinsen und schwache Währungen.

Grafik 2 zeigt die deutliche Trendwende anhand des MSCI Emerging Markets Index und dem breit gefassten Dollarindex mit anderen Handelspartnern. Dieser Dollarindex beinhaltet nicht die großen Währungen wie Euro und Yen, daher „andere Handelspartner.“

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Wertet der Dollar auf, dann fallen Emerging Markets Aktien. Der Zusammenhang war teilweise über den Sommer nicht mehr zu erkennen. Das lag unter anderem an der Abwertung der chinesischen Währung. Gerade die Währungen von Rohstoffexporteuren werteten auf und Aktien stiegen. Dieser Trend ist nun unterbrochen und der MSCI Index hat innerhalb kurzer Zeit 10 % verloren.

Geht die Korrektur noch ein Stück weiter, Richtung 20 %, kann man über einen Einstieg nachdenken. Trumps Ideen und deren Einfluss werden überschätzt und die Durchsetzung der Ideen wird Jahre in Anspruch nehmen. Aktuell wird da heißer gegessen als gekocht. Insofern tut sich hier gerade eine zweite Chance auf.

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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