Kommentar
08:54 Uhr, 10.06.2022

Einstellungsstopp bei Tesla, Endlosstreit um Twitter-Übernahme, Entwicklerkonferenz bei Apple – Wie geht’s weiter mit diesen US-Technologieaktien?

Nach einer zweiwöchigen Bärenmarktrally beim Nasdaq Composite, droht die Stimmung schon wieder zu kippen. Begonnen hatte alles mit schlechten Nachrichten von Tesla. Zuletzt kam dann zusätzlicher Gegenwind für den US-Technologiesektor insgesamt aus einer ganz anderen Richtung.

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  • Tesla Inc.
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    Kursstand: 719,120 $ (Nasdaq) - Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung
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  • Twitter Inc.
    Kursstand: 39,530 $ (NYSE) - Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung
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Welchen Unterschied doch eine Woche ausmachen kann. Noch vor einer Woche hatte alles so gut ausgesehen, nachdem Investoren die Gewinnwarnung bei Microsoft und den Managementwechsel bei Meta Platforms gut weggesteckt hatten. Das können Sie in dem Beitrag „Gewinnwarnung bei Microsoft, Stühlerücken bei Meta Platforms…“ nachlesen. Inzwischen nimmt aber die Verunsicherung der Investoren wieder deutlich zu. Viele dürften sich fragen, ob die Bärenmarktrally bei der Nasdaq bereits ausgelaufen ist und der Index wieder auf Talfahrt gehen könnte.

Dafür haben am vergangenen Freitag die Nachrichten zu Tesla gesorgt. Die Nachrichtenagentur Reuters hatte von einer Mail von Tesla-Chef Elon Musk an sein Führungsteam berichtet, demnach er sich sehr skeptisch zur Konjunkturentwicklung geäußert habe. Er habe ein „superschlechtes Gefühl“, schrieb Musk. Es gäbe einen weltweiten Einstellungsstopp bei Tesla, zudem müssten zehn Prozent der rund 100.000 Mitarbeiter abgebaut werden.

Tesla Inc.
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    Nasdaq
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Die Nachricht müsste meiner Meinung nach Investoren großes Kopfzerbrechen bereiten. Wenn der Marktführer im Boom-Segment Elektroautos vor solchen Herausforderungen steht, und mit kräftigem Mitarbeiterabbau reagieren muss, dann müssten weltweit viele andere Unternehmen aus anderen Branchen, die aufgrund der hohen Inflation stark leiden, im Falle einer Rezession noch deutlich stärker auf die Ausgabenbremse treten, oder?

Steigende US-Zinsen belasten Growth-Aktien

Bemerkenswerterweise hat sich die Tesla-Aktie nach dem anfänglichen Kursrutsch aber schnell erholt, was meiner Meinung nach wenig Sinn macht. Zumal es zuletzt neuen Gegenwind für das Papier des Elektroautoherstellers im Speziellen und US-Growth-Aktien, sprich die Nasdaq, im Allgemeinen gegeben hat. Grund sind die kräftig steigenden Zinsen für zehnjährige US-Anleihen. Zuletzt waren die Ergebnisse der EZB-Sitzung vom 9. Juni überraschend falkenhaft, die EZB will bei der übernächsten Sitzung am 8. September die Zinsen um 50 Basispunkte (0,5 Prozentpunkte) erhöhen und damit stärker als um jene 25 Basispunkte, die viele Investoren bislang erwartet hatten.

Diese Aussicht hat auch die Zinsen für zehnjährige US-Anleihen etwas nach oben getrieben, was viele hochbewertete US-Technologieaktien, wie Tesla deutlich belastet. Denn in dem Umfeld werden die erwarteten kräftigen Gewinnsteigerungen umso stärker abdiskontiert. Damit rückt die Bewertung, die in einem Umfeld sehr niedriger Zinsen für viele Investoren lange Zeit absolut keine Rolle gespielt hatte, plötzlich wieder in den Fokus der Anleger – und belastet damit Nasdaq und S&P500.

Aussichten für Tesla trüben sich ein

Wie ich schon oft gesagt und geschrieben habe, ist Tesla für mich das Paradebeispiel für die enorme Blase am US-Aktienmarkt. Laut dem Konsens der Analysten soll der Umsatz von Tesla im laufenden Jahr um 60 Prozent auf 86,1 Milliarden Dollar nach oben schießen, für 2023 sagen die Finanzprofis ein weiteres Plus von 35,4 Prozent auf 116,6 Mrd. Dollar vorher.

Das Problem ist, dass in diesen Schätzungen keine Rezession in den USA und schon gar keine der Weltwirtschaft enthalten ist. Ich befürchte allerdings, dass in einem Umfeld weiterhin sehr hohen Inflation und heraufziehender Rezession viele potenzielle Autokäufer es sich zweimal überlegen werden, ob sie sich ein Fahrzeug von Tesla kaufen, das im ersten Quartal einen durchschnittlichen Verkaufspreis von stattlichen 52.200 Dollar (49.150 Euro) hatte.

Tesla ist völlig überbewertet

Gleichzeitig sagen Analysten vorher, dass sich der Gewinn vor Zinsen und Steuern (Ebit) im laufenden Jahr mehr als verdoppeln soll auf 14,7 Mrd. Dollar, 2023 soll es um 37,2 Prozent auf 20,2 Mrd. Dollar nach oben gehen. Auch diese Schätzungen halte ich für viel zu optimistisch. Aber mal angenommen, dass sie unter welchen Umständen auch immer Realität werden sollten: Dann wäre Tesla mit einem Börsenwert von horrenden 751,7 Mrd. Dollar mit dem 37,2-Fachen des 2023er-Ebits bewertet – ein astronomischer Wert, der absolut keinen Sinn macht.

Selbst auf Basis des 2023er-Gewinns vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda), also des Gewinns vor Kosten wie ich immer spotte, ist Tesla immer noch mit dem 26,9-Fachen bewertet – auch das macht absolut keinen Sinn. Viele Analysten begründen daher häufig ihre - meiner Meinung nach astronomischen - Kursziele mit den möglichen Absätzen, Umsätzen und Gewinnen von Tesla im Jahr 2028 oder 2030. Unglücklicherweise aber weiß niemand, wieviel Geschäft der Autobauer in den Jahren machen könnte, diese Schätzungen sind für mich reine Milchmädchenrechnungen.

Im Gegensatz zu vielen Experten spielt für mich das Solargeschäft von Tesla keine große Rolle. Dazu hat es sich in den vergangenen Quartalen zu schlecht entwickelt. So lag der Umsatz im Bereich Energieerzeugung und Speicher im ersten Quartal bei lediglich 616 Mio. Dollar. Dabei fiel ein Bruttoverlust von 72 Mio. Dollar an. Der Bruttoverlust wird errechnet, indem man vom Umsatz die Herstellkosten abzieht.

Zwar könnten sich die Aussichten für das Solargeschäft aufhellen, wenn die USA wie angedacht die Strafzölle auf Solarzellen aus einigen Ländern für zwei Jahren aussetzen würde, wodurch Tesla mehr Panels produzieren könnte. Ich will aber erst einmal sehen, wie stark der Umsatz in dem Bereich steigen und wie schnell sich die Profitabilität verbessern könnte.

Ich gehe daher davon aus, dass die jüngste, sehr kurze Erholung der Aktie, nachdem die Analysten der UBS das Papier auf Kaufen hochgestuft und das Kursziel von 1.100 Dollar bestätigt hatten, schnell auslaufen dürfte. Für mich ist die Tesla-Aktie ein klarer Verkauf. In einem schwachen Börsenumfeld müsste aus dem Papier noch eine Menge Luft entweichen.

Endlosstreit um Twitter-Übernahme

Wenig gut für Tesla ist auch, dass sich Musk intensiv mit dem möglichen Kauf von Twitter beschäftigt, was zeitraubend ist. Zuerst hatte Musk gesagt, dass sich der Kurznachrichtendienst weigere, Musk Daten für eine eigene Recherche zur Zahl von Spam- und Fake-Accounts zu liefern. Tags darauf hat Twitter betont, dass der Konzern bereit sei auf Musks Forderungen einzugehen und ihm Zugang zu gewähren.

Ich fürchte, dass der Abwärtsdruck auf die Twitter-Aktie zunehmen könnte. Musk könnte weiterhin behaupten, dass er nicht genügend Daten bekommen habe und damit versuchen, den angebotenen Kaufpreis von 54,20 Dollar je Aktie kräftig zu drücken. Zudem könnte Musk weiter mit einem Platzen des Deals drohen und ihn schlussendlich ganz scheitern lassen, woraufhin viele Investoren sich mit der zuletzt schwachen Geschäftsentwicklung und der hohen Bewertung beschäftigen müssten.

Twitter Inc.
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Twitter hatte im ersten Quartal den Umsatz um lediglich 16 Prozent auf 1,2 Mrd. Dollar gesteigert. Das lag unter den Schätzungen der Analysten von 1,23 Mrd. Dollar und war zugleich das niedrigste Wachstum seit sechs Quartalen. Der Grund: Probleme mit den Lieferketten, die hohe Inflation und der Ukraine-Krieg belasten das Werbegeschäft weltweit.

Gleichzeitig hatte die Firma die Prognosen zum Wachstum der täglich aktiven User (Daily Active Users, kurz DAU) und zum Umsatz ausgesetzt. So wollte Twitter ursprünglich die Zahl der DAU bis Ende 2023 auf 315 Mio. steigern, während der Umsatz bis dahin auf eine Jahresrate von 7,5 Mrd. Dollar erhöht werden sollte, was einem Quartalsumsatz von 1,875 Mrd. Dollar für das vierte Quartal entsprochen hätte. Wenn man aber nicht weiß, wie hoch die Zahl der „tatsächlichen“ DAU, also abzüglich der Spam- und Fake-Accounts, ist, dann kann man natürlich auch keine Umsatzschätzung für Ende 2023 machen.

Twitter ist noch viel stärker überbewertet als Tesla

Damit bleibt nur der Blick auf die Bewertung und der ist alles andere als schön: Laut dem Konsens soll Twitter im laufenden Jahr den Umsatz um 15,9 Prozent auf knapp 5,9 Mrd. Dollar steigen, im kommenden Jahr soll es um 21,5 Prozent auf 7,2 Mrd. Dollar nach oben gehen. Dabei wird für 2022 beim Ebit ein Verlust von rund 105 Mio. Dollar vorhergesagt, im kommenden Jahr soll ein Gewinn von mehr als 160 Mio. Dollar zu Buche stehen.

Wie passt das zu einem Börsenwert von 30,9 Mrd. Dollar? Ganz und gar nicht, das passt in keinster Weise zusammen. Denn damit ist Twitter mit dem 193,1-Fachen des 2023er-Ebits bewertet. Sie lesen richtig: Das 193,1-Fache! Und das für ein Unternehmen, für das die Analysten eine 2023er-Ebit-Marge von mickrigen 2,3 Prozent vorhersagen! Meine Einschätzung zu der Aktie dürfte damit klar sein.

Entwicklerkonferenz bei Apple

Hingegen haben Investoren zuletzt mit einem Schulterzucken auf die Entwicklerkonferenz von Apple reagiert, hat sie doch keine bahnbrechenden Neuerungen gebracht. So gibt es ein neues Betriebssystem iOS 16 für iPhones, das beispielsweise mehr Möglichkeiten zur Personalisierung des Sperrbildschirms hat, mit Widgets (Funktionen), wie für die Wettervorsage.

Außerdem werden die Laptops MacBook Air und MacBook Pro künftig mit M2-Prozessoren ausgestattet, die im Vergleich zu den bisher eingebauten M1-Prozessoren mehr Leistung haben. Außerdem wurde Apple Pay Later vorgestellt, damit können Käufe von Apple-Produkten über vier Zahlungen innerhalb von sechs Wochen aufgeteilt werden, sprich es geht um Ratenkauf. Das Angebot gibt es erst einmal nur in den USA.

Und last but not least stand die Auto-Software CarPlay im Fokus. Bisher war sie dafür da, Inhalte von einem iPhone auf den Infotainment-Bildschirm des Fahrzeugs zu bringen. Künftig bietet die Software auch Zugriff auf Autofunktionen, wie die Steuerung der Klimaanlage.

Apple Inc.
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Herausforderndes Umfeld

Nach dem Ende der Entwicklerkonferenz dürften sich Investoren nun verstärkt auf die Geschäftsaussichten von Apple für die nächsten Monate fokussieren – und da dürfte der Konzern vor zunehmenden Herausforderungen stehen. Er hatte gewarnt, dass die Lieferschwierigkeiten bei Chips den Umsatz im laufenden Quartal um vier bis acht Mrd. Dollar drücken würden. Das haben Investoren längst abgehackt.

Was Investoren allerdings zusehends klar werden dürfte, ist, dass in einem Umfeld hoher Inflation, in dem zudem eine Rezession heraufziehen dürfte, das Geschäft von Apple spürbaren Gegenwind bekommt. In diesem Szenario dürften sich viele potenzielle Apple-Kunden gut überlegen, ob sie sich ein iPhone für 1.000 Dollar oder 1.000 Euro kaufen, oder lieber das Geld nutzen, um ihren Tank im Laufe des Jahres ein paar Mal aufzufüllen. Oder die potenziellen Kunden, gerade in den USA, müssen viel mehr Geld für stark steigende Mieten ausgeben, oder für Nahrungsmittel – anstatt für teure Mac-Rechner, oder iPads. Vor dem Hintergrund dürfte die Aktie trotz eines Rückgangs um 21,6 Prozent gegenüber dem Rekordhoch von Anfang April die schlechten Nachrichten noch längst nicht eingepreist haben.

Ein Börsenwert von immer noch 2,4 Billionen Dollar ist eine Menge Holz, während das 2023er-KGV immer noch bei 21,8 liegt. Da dürfte es auch nicht viel helfen, dass die operative Marge gemessen am Ebit im kommenden Fiskaljahr stattliche 30 Prozent erreichen soll und dass Apple das Aktienrückkaufprogramm um 90 Mrd. Dollar aufgestockt hatte.

Im Klartext: ich erwarte sinkende Kurse bei Apple.

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