Kommentar
16:27 Uhr, 29.06.2022

Eine Welt im Chaos!

Obwohl es erste Anzeichen gibt, dass sich sowohl die Lage bei den Lieferketten entspannen könnte, als auch dass die Produzentenpreise ihre Höchststände erreicht haben, herrscht inzwischen an den Kapitalmärkten fast schon das Chaos.

Gastbeitrag von Dr. Christoph Bost

Hauptverantwortlich dafür sind derzeit die Notenbanken. Sie wissen scheinbar nicht mehr, wie sie mit dem selbst verursachten Dilemma, mit den Geistern die sie selber riefen, zurechtkommen sollen. Betrachten wir einige Schlagzeilen:

• Dringlichkeitssitzung der EZB
• Europa steht vor einem heißen Preissommer
• Libyen schließt fast alle seine Ölfelder
• China schließt gigantisches LNGB Projekt mit Qatar ab
• IEA sieht Ölnachfrage im Jahr 2023 auf Rekordhoch
• US-Beamter gibt zu, dass russische Energieverkäufe das Vorkriegsniveau übertreffen
• CIO von RAM: Anleger müssen den Zusammenbruch der EU ernsthaft in Betracht ziehen
• europäisches Nat Gas steigt in einer Woche um 70 %
• Japan am Rande des systemischen Zusammenbruchs
• der mexikanische Präsident kritisiert den unmoralischen NATO Stellvertreterkrieg in der Ukraine
• eine Beamtin aus der Ukraine gesteht ein, dass die Massenvergewaltigungen erfunden waren um schneller an Waffen zu kommen
• US-Notenbank bekämpft Inflation mit größtem Zinsschritt seit 1994, Goldman Sachs sieht den Standard & Poor‘s 500 auf 3.150 fallen, wenn die Rezession einsetzt
• deflationärer Tsunami zu erwarten: eine Flutwelle von Rabatten und Preisstürzen
• unmittelbar bevorstehender Immobiliencrash
• Erschwinglichkeit von Wohnraum erreicht Rekordtief
• die Notenbank von Atlanta bestätigt eine technische Rezession
• der Index der Notenbank von Philadelphia stürzt zum ersten Mal seit den Covid Lockdowns in eine Kontraktion
• der IWF fordert die Regierungen auf, Lebensmittel und Energie zu subventionieren
• die Inflation steigt und steigt.

Letzteres ist genau das, was auch die Konsumenten zu spüren bekommen, der Rest ist für die meisten eher unbekannt. Wohin man auch schaut, die Welt befindet sich scheinbar im Umbruch. Sanktionen, Pandemie, Krieg, eine unverantwortliche Notenbankpolitik a la Draghi, eine abrupte Energiewende und vieles anderes mehr treffen zeitnah aufeinander. Dies führt nun dazu, dass es Regierungen und Notenbanken nicht mehr gelingt die negativen Folgen ihrer in vielen Bereichen fehlgeleiteten Finanz- und Geldpolitik der Bevölkerung noch länger vorzuenthalten.

Die EZB zum Beispiel beschließt das Ende von QE und eine Woche später ruft sie eine Dringlichkeitssitzung ein um neue Instrumente zu kreieren, mit welchen man letztendlich QE fortführen kann. Der Hintergrund war der starke Anstieg der Zinsen in den südeuropäischen Ländern, kaum hatte man bekannt gegeben, die Käufe über QE einzustellen. Der CIO von RAM bringt wieder mal in die Diskussion, inwieweit die nördlichen Staaten bereit sind für die Schulden der Südländer ihren Kopf hinzuhalten.

Die EZB geht inzwischen davon aus, dass die Inflation auf Jahresbasis bei 6,8 Prozent liegen dürfte. Recherchen von Professor Sinn bzw. nach Einschätzung der bayerischen Industrie- und Handelskammer wird sie sogar über 10 % steigen. Es ist inzwischen überflüssig darüber zu sprechen, dass den Geldbeutel des Konsumenten bereits jetzt eine Inflationsrate von weit über 15 % trifft, sind doch insbesondere Energie und Lebensmittel deutlich teurer geworden.

Sicherlich werden die Preise für Energie sich nicht noch einmal verdoppeln, eine Entspannung scheint aber auch nicht in Sicht zu sein, auch wenn Wirtschaftsminister Habeck auf Betteltour geht. Den Schaden, welchen die EU Russland durch seine Sanktionen zufügen will, ist selbst nach Einschätzung von US-Beamten fehlgeschlagen, den Schaden trägt Europa, insbesondere Deutschland. Die Internationale Energieagentur geht davon aus, dass die Ölnachfrage im nächsten Jahr auf neue Rekordstände steigen wird. Die Konkurrenz dürfte zunehmen und selbst das Ansuchen beim bisher verschmähten Energielieferanten Qatar, welches die Werte der deutschen Regierung nicht vertritt, Öl bzw. Gas zu ordern, wird nun auch noch dadurch erschwert, dass scheinbar die Chinesen etwas schneller waren und langfristige Verträge mit Qatar abgeschlossen haben. Nun sichert sich China auch noch das billige russische Öl bzw. Gas ebenso wie Indien oder andere nicht von den USA abhängigen Länder. Waren wir bisher stark von Russland abhängig, so bleibt Deutschland wahrscheinlich keine Wahl und wird künftig noch mehr von den USA abhängig werden. Präsident Trump hatte bereits angekündigt, dass er die Energiepolitik in Deutschland bestimmen wird. Sollte er wiedergewählt werden, wird dem wohl nichts mehr entgegenstehen. Doch Bundeskanzler Scholz hat ja noch einen Trumpf in der Hinterhand. Gespräche mit dem kolumbianischen Präsidenten sollen unsere Kohleknappheit verringern. Kohle aus einem „Drogenland“ mit „Kinderarbeit“. Doch selbst das ist nicht mehr sicher, der Ex-Guerillero Petro wurde zum neuen Präsidenten gewählt und selbst dieser hat nicht unbedingt die Ambitionen Deutschland Kohle zu liefern.

Nach dem Besuch und den Zusagen von Bundeskanzler Scholz an die Ukraine wurde nun auch noch die Gaszufuhr gedrosselt, was allerdings auch darauf zurückzuführen ist, dass Siemens Energy Ersatzteile aus Kanada aufgrund der Sanktionen nicht geliefert bekommt und somit Wartungsarbeiten an der Pipeline nicht fertigstellen kann. Die Konsequenz: der Gaspreis ist erneut deutlich gestiegen.

Auch wenn die Russen den Krieg führen und jeder Krieg ist ein Verbrechen, so hält der mexikanische Präsident mit seiner Meinung nicht hinter dem Berg, dass nämlich nicht die Russen den Krieg herbeigeführt haben, sondern die USA. Man wollte unbedingt verhindern, dass Nordstream II seine Produktion aufnahm und gleichzeitig wollte man Russland ins Abseits drängen, hat das Land doch die Umsetzung vieler Vorhaben der USA (zum Beispiel in Venezuela, Syrien, Iran, Irak, Vietnam) vereitelt. Mit welchen Lügen wahrscheinlich alle Beteiligten arbeiten, zeigt die Beschuldigung der Massenvergewaltigungen einer ukrainischen Beamtin um schneller Waffen für ihr Land zu erhalten.

Der Krieg hat aber nicht nur Auswirkungen auf Europa, sondern auch auf die USA. Die amerikanischen Unternehmen können zwar inzwischen teuer Öl und Gas nach Europa liefern, doch den Preisanstieg bekommen auch die Amerikaner entsprechend zu spüren. Der Trend wird noch verstärkt durch die steigenden Lebensmittelpreise. Dies hat nun dazu geführt, dass die US-Notenbank aggressiv die Zinsen angehoben hat, so stark, dass selbst Goldman Sachs inzwischen mit einer Rezession in den USA rechnet.

Die steigende Inflation alleine dürfte bereits die Nachfrage der Konsumenten deutlich drücken, die Erschwinglichkeit von Wohnraum ist bereits auf ein Rekordtief gefallen, man rechnet mit einem Immobiliencrash.

Damit würde auch der Bedarf von Holz (Preisverfall bereits rund 60 %), Baumaterialien sowie Gegenstände des Wohnbereichs deutlich zurückgehen. Bei Letzteren rechnet man bereits mit einer Flutwelle von Rabatten und Preisstürzen, sind hier inzwischen die Lager doch überdurchschnittlich gut gefüllt.

Gehört das Thema Inflation damit schon bald der Vergangenheit an? Ist eine Rezession noch zu vermeiden? Die Notenbank von Atlanta rechnet bereits mit dem Ende des zweiten Quartals damit, dass zumindest eine technische Rezession eintritt.

Die Notenbank von Philadelphia weist darauf hin, dass die Frühindikatoren bereits auf eine Rezession hindeuten und die Universität Michigan vermeldet negative Rekordstände bei der Konsumentenstimmung. Diese ist inzwischen völlig in den Keller gerauscht.

Der IWF fordert daher die Regierungen auf Lebensmittel und Energie zu subventionieren. Immer mehr Regierungen versuchen inzwischen Programme aufzustellen um dieser Forderung Folge zu leisten. Führen weitere staatliche Geschenke, welche mit noch stärker steigenden Schulden einhergehen, aber nicht erneut zu mehr Inflation?

Eine Welt im Chaos!

Noch sind die Auftragsbücher vieler Unternehmen prall gefüllt, dieses Jahr sollten die meisten Länder eine Rezession noch vermeiden können. Halten die Notenbanken, ausgenommen China, an ihrer restriktiven Politik aber fest, so wird es wohl kaum überraschen, wenn im nächsten Jahr viele Länder in die Rezession abdriften werden. Die Börsen nehmen solche Entwicklungen in der Regel vorweg. Entsprechend ist die Prognose von Goldman Sachs, Standard & Poor‘s 500 bei 3.100 Punkten, nachvollziehbar. Hinzu kommt, dass die FAZ noch von besonnenen Anlegern berichtet, welche in fallende Kurse hinein kaufen und gleichzeitig in den USA die privaten Anleger noch immer fast auf Rekordniveau in Aktien investiert sind. Bisher fehlt ein panikartiger Abverkauf, welcher in der Regel das Ende einer Korrektur einleitet. Über Jahrzehnte hat man gelernt, dass Korrekturen gute Einstiegsgelegenheiten sind. Über diesen Zeitraum waren allerdings die Notenbanken stets bereit dem Markt ihre Unterstützung zu gewähren. Gleichzeitig fanden diese Korrekturen in einem Umfeld langfristig fallender Zinsen statt. Hiervon ist mittelfristig nicht auszugehen. Die Risiken an den Märkten bleiben hoch.

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