Kommentar
12:00 Uhr, 19.08.2006

Eine Frage der Darstellung oder etwa nicht?

Sie kennen sicher das Bonmot: Wirtschaft ist zu 50% Psychologie. Auf der Ebene individuellen Handelns entscheiden oftmals geistig-emotionale Faktoren die Entscheidungen der Marktteilnehmer. Mit anderen Worten: Vieles ist stimmungsabhängig, und Stimmung kann man beeinflussen.

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Daran musste ich denken, als ich die BIP-Zahlen zum Q2 in Deutschland sah: 0,9% stieg die Wirtschaftsleistung im Vergleich zum Vorquartal. 0,9% ! Ist ja nichts denken Sie sich, aber wissen Sie, was die Amerikaner gemeldet hätten? 3,6% ! Natürlich annualisiert (auf ein Jahr hoch gerechnet, einfachste Mathematik: 0,9% *4), aber das überlist ja eh jeder und 3,6% klingt nun mal definitv nach mehr als 0,9%. Und Sie werden es nicht glauben – damit wächst die deutsche Wirtschaft derzeit stärker als die US-amerikanische! Faktisch und nicht nur gefühlt!

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Einen offenbar nur psychologischen Effekt wollen die meisten Politiker wohl mit der geplanten Unternehmenssteuerreform erreichen. Denn ihr simples Kalkül umfasst zwar eine nominale Reduktion der Steuerlast. Die faktische Entlastung soll aber nicht 5 Mrd. EUR überschreiten, und selbst das ist den meisten noch zuviel. Was tut man also? Euphemistisch umschrieben: Die Bemessungsgrundlage verbreitern. In der Realität heißt das: Was der steuerpflichtige Gewinn ist wird jetzt erst mal neu definiert. Und da kam man in Berlin auf die sensationelle Idee, einfach einige Kostenelemente zum Gewinn dazu zu addieren. Z.B. Zinsen! Sie lesen richtig: Die Unternehmen sollen Steuern zahlen auf Zinsen, die sie selber entrichten müssen. Also irgendwie ist dann doch keine Gewinnsteuer mehr, sondern eine Verluststeuer? Das ist ein asoziales Prinzip im wahren Sinne des Wortes. Denn es trifft alle Unternehmen mit ohnehin schon niedriger Eigenkapitalversorgung und stärkt diejenigen die ohnehin keine Kredite brauchen. Vielleicht ein staatlich gefördeter Unternehmensdarwinismus?

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So kann man natürlich einen an Schwung gewinnenden Aufschwung auch kaputt machen. Ich hoffe dass die Lobbyisten noch einige denkende Politiker finden und ihnen in einfachen Worten erklären, was für ein unglaublicher Unsinn diese Vorgehensweise ist. Ein sinnvoller Gedanke bei der Entstehung dieses Monstrums war übrigens die Einsicht, dass man etwas gegen die Gewinnerverlagerungen von Konzerngewinnen ins Ausland unternehmen muss. Das gängigste Instrument dabei die Gesellschafterfremdfinanzierung (Holding im Ausland gewährt Tochter in Deutschland Kredite und versteuert diese Zinseinkünfte im Ausland, während die Tochter sie in Deutschland von der Steuer absetzt). Während die Begrenzung dieser Spielart des Steuersparens sehr sinnvoll ist und z.B. in den USA auch angewendet wird, macht die Ausweitung auf jegliches Fremdkapital nur zerstörerischen Sinn. Dass man Steuern nur auf Gewinne zahlt sollte selbstverständlich sein. Von einer Privatperson ohne Einkommen verlangt man ja auch keine Abgaben. Diese Diskrepanz ist typisch für Sozialisten – Unternehmen darf man ruhig schröpfen. Aber wehe man geht die sozialen Besitzstände ihrer Klientel an.

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Editorial aus dem kostenlosen Godmode FOREX Report Börsenbrief

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Autor: Daniel Kühn

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Über den Experten

Harald Weygand
Harald Weygand
Head of Trading

Harald Weygand entschied sich nach dem Zweiten Staatsexamen in Medizin, einer weiteren wirklichen Leidenschaft, dem charttechnischen Analysieren der Märkte und dem Trading, nachzugehen. Nach längerem, intensivem Studium der Theorie ist Weygand als Profi-Trader seit 1998 am Markt aktiv. Im Jahr 2000 war er einer der Gründer der stock3 AG und des Portals www.stock3.com. Dort ist er für die charttechnische Analyse von Aktien, Indizes, Rohstoffen, Devisen und Anleihen zuständig. Über die Branche hinaus bekannt ist der Profi-Trader für seine Finanzmarktanalysen sowie aufgrund seiner Live-Analysen auf Anlegerveranstaltungen und Messen.

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