Effekte der US-Wahl auf die Finanzmärkte
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Auswirkungen auf die Bondmärkte
1. Im Folgenden wollen wir die möglichen Auswirkungen des Präsidentschaftswahlentscheids für die Bond-, Devisen- und Aktienmärkte untersuchen. Die für die Märkte wohl entscheidenden Themen dieser Wahl werden der Umgang der Kandidaten mit dem unter Bush akkumulierten Budgetdefizit und die Steuerpolitik (siehe hierzu VS "Bush oder Kerry - die Qual der (Präsidentschafts-)Wahl", 25. Oktober 2004) sein.
2. Die Aussichten bei einem Wahlsieg von Präsident Bush sind relativ klar: Die Bush-Administration setzt sich weiter aktiv für die US-Unternehmen - sei es im Inland oder im Ausland - ein. Ebenfalls ist relativ klar, zumindest zeigen dies die letzten vier Jahre, dass der Administration die akkumulierten Budgetdefizite relativ egal sind: Vizepräsident Cheney erklärte vor nicht allzu kurzer Zeit, dass die unter der Präsidentschaft Ronald Reagans angehäuften Defizite ja offensichtlich keine negativen Effekte auf das Zinsniveau gehabt hätten und damit auch die aktuellen Defizite vernachlässigt werden könnten. Steuererhöhungen wird die Administration nicht implementieren. Im Gegensatz zum Großvater der konservativen Revolution in den USA, Ronald Reagan, verspürt sein politischer Enkel, George W. Bush, keinen Anreiz, die bisher noch befristeten Steuersenkungen wieder zurückzunehmen. Die Steuersenkungen sollen nämlich permanenter Natur werden. Damit könnte eine weitere Ausweitung der Defizite im Falle eines Bush-Wahlsiegs nur dadurch verhindert werden, dass insbesondere bei den Sozialtransfers gekürzt wird. Denn bei dem anderen großen Staatsausgabenposten - den Militärausgaben - ist an ein Zurückfahren angesichts der geopolitischen Situation der USA nicht zu denken. Es sieht bislang nicht danach aus, dass die Bush-Administration Pläne in der Schublade hat, wie sie die Budgetdefizite wieder abbauen will. Das Versprechen einer Halbierung des Budgetdefizits durch strikte Ausgabenkontrollen ist weder glaubhaft noch relevant. Erstens hat Bush bislang keinen konkreten Plan für Ausgabenkürzungen vorgelegt. Zweitens sind die realen Kosten der Bush-Steuersenkungen in Form relativ höherer Zinsen erst nach 2008 zu erwarten. Denn 2008 werden die ersten "Baby Boomers" der geburtenstarken Jahrgänge in Rente gehen, und dies wird nur dadurch finanzierbar sein, dass sich der Staat zur Gewährleistung der Rentenzahlungen vermehrt bei den aktiven Generationen verschuldet, sollen die Steuern nicht erhöht werden. Sofern die Bondmärkte langfristig durch Fundamentaldaten getrieben werden, sollten die Defizite angebotsseitig Probleme bereiten.
3. Welche Auswirkungen haben die erwarteten Defizite auf die langfristigen Renditen an den Bondmärkten? Die Schuldenstandsquote (in Relation zum BIP) ist zwar seit Anfang der Achtzigerjahre gestiegen. Dies hatte aber offensichtlich keinen Einfluss auf die Kapitalmarktzinsen, die im gleichen Zeitraum tendenziell gefallen sind. Allerdings sind die Kapitalmarktzinsen in Reaktion auf die höheren Defizite der Reagan-Administration gestiegen, auch wenn die Geldpolitik und ein Sinken der Risikoprämie auf Aktien ebenfalls dazu beigetragen haben. Schätzungen des renommierten Brookings Institute ergeben demzufolge auch, dass jeder Prozentpunkt einer Erhöhung der Quote der prognostizierten Defizite am BIP die langfristigen Zinsen um rund 25 bis 35 Basispunkte erhöht. Sollten die Steuersenkungen von 2001 und 2003 permanenter Natur gemacht werden, würde dies die Kapitalkosten für Neuinvestitionen erhöhen und die langfristigen Investitionen sowie das langfristige BIP-Wachstum senken. Die Zinsen könnten in diesem Fall um rund 50-80 Basispunkte steigen.
4. Momentan gibt es von Seiten der Kapitalmärkte wenig Anzeichen dafür, dass sich diese über die hohen Budgetdefizite Sorgen machen. Die langfristigen Zinsen liegen gegenwärtig bei lediglich etwas über 4 %. Eine mögliche Erklärung für die kaum sichtbare Reaktion auf die Budgetdefizite könnte darin liegen, dass die US-Unternehmen in den letzten Jahren ihre Investitionen zu einem Großteil aus einbehaltenen Gewinnen finanziert haben, sie also die Nachfrage nach Geld am Kapitalmarkt nicht erhöht haben. Allerdings sollte irgendwann doch einmal der Punkt eintreten, an dem sich die "Marktpsychologie" wieder ändert. Erstens, weil der Anteil der Fremdfinanzierung am Gesamtfinanzierungsvolumen der Unternehmen ansteigt. Zweitens, weil die Märkte das Vertrauen in die fiskalische Position der USA verlieren könnten, was mit entsprechenden Abflüssen ausländischen Kapitals, steigenden Zinsen und einem fallenden US-Dollar einher ginge. Ein Auslöser hierfür könnte sein, wenn eine "magische" Grenze für die Quote des US-Leistungsbilanzdefizits am BIP von z. B. 7 % gebrochen würde. Das Leistungsbilanzdefizit der USA hat sich in den vergangenen Jahren stark ausgeweitet. Mithin ist der Kapitalbedarf aus dem Ausland immens. Eine Ursache hierfür sind die Ankäufe von US-Staatsschuldtiteln durch die asiatischen Notenbanken, die entsprechend die USBondrenditen drücken. Es ist nicht davon auszugehen, dass dieser renditedämpfende Effekt dauerhafter Natur ist. Damit sind für die lange Frist höhere US-Kapitalmarktzinsen zu erwarten als im Fall staatlicher Budgetüberschüsse.
5. Oft wird argumentiert, dass ein Wahlsieg Kerrys "gut" für den Bondmarkt sei. Zwar hat sich Kerry verbal dafür eingesetzt, die Budgetdefizite abzubauen. In diesem Fall müsste er aber einen Großteil der Steuersenkungen Bushs rückgängig machen. Es ist bei den zu erwartenden Mehrheitsverhältnissen fraglich, ob sich Kerry hier in allen Punkten durchsetzen kann. Kerry hat sich allerdings immer wieder gegen eine Fortsetzung der Dividendensteuer- und Kapitalgewinnsteuersenkungen ausgesprochen, die von Bush implementiert wurden. Aktien von Unternehmen, die eine großzügige Dividendenpolitik fahren, könnten somit gegen Ende der Amtszeit Kerrys unter Druck kommen. Denn 2007-08 laufen diese beiden Steuersenkungsprogramme aus.
6. Hinzu kommt, dass die von Kerry vorgesehenen Steuererhöhungen für die wohlhabenderen Einkommensschichten dazu genutzt werden sollen, das Gesundheitssystem zu reformieren und Steuerfreibeträge für College- Gebühren zu finanzieren. Insgesamt implizieren weder die Bush-Pläne noch die Kerry-Pläne, dass die Budgetdefizite in nennenswerter Weise abgebaut werden. Der Unterschied zwischen beiden Kandidaten liegt damit eher in ihren Prioritäten, nicht aber unbedingt in der Höhe der Defizite und damit den Auswirkungen auf den Kapitalmarkt. Dennoch kann man tendenziell davon ausgehen, dass Kerry fiskalisch etwas konservativer sein wird als Bush. Erstens, weil Bush schon bewiesen hat, dass er fiskalpolitisch eher kurzfristig orientiert ist. Zweitens, weil die Berater Kerrys zum großen Teil diejenigen Clintons sind, unter dessen Präsidentschaft Budgetüberschüsse erzielt wurden.
Auswirkungen auf die Devisenmärkte
7. Das Leistungsbilanzdefizit, das ganz wesentlich durch die hohen staatlichen Budgetdefizite gespeist wird, stellt in diesem Kontext ein Damoklesschwert für die US- und die Weltwirtschaft dar. Zu seiner Reduktion wäre eine Kombination aus einer höheren staatlichen Ersparnis und einer internationalen Koordination zum Zwecke einer größeren Wechselkursflexibilität der asiatischen Währungen in Bezug auf den US-Dollar notwendig. Es ist nicht davon auszugehen, dass beide Punkte in nächster Zeit von einem der beiden Kandidaten in konstruktiver Weise - z. B. in Anlehnung an das Plaza-Abkommen von 1985 - angegangen werden.
8. Für die Devisenmärkte wird sich, was die Fundamentalfaktoren angeht, so schnell nichts ändern: Im Falle seines Wahlsiegs wird auch Kerry die Folgen des von Bush geerbten Krieges zu tragen haben und mit schwelenden Terrorgefahren leben müssen. Auch Kerry wird so schnell das Leistungsbilanzdefizit über eine höhere staatliche Ersparnis nicht abbauen können. Die Wirtschaftsdynamik wird zudem in der kurzen Frist in erster Linie durch die US-Notenbank bestimmt. Deren Zinspolitik ist zumindest im Jahre 2005 in Richtung einer Abbremsung der US-Wirtschaft gerichtet - unabhängig vom Wahlausgang. Wir erwarten daher keine nennenswerten Effekte des Ausgangs der Wahlen auf die Devisenmärkte.
Auswirkungen auf die Aktienmärkte
9. Oft wird argumentiert, dass Bush aufgrund seiner unternehmensfreundlichen Steuerpolitik günstiger für die Aktienmärkte, Kerry aufgrund seines zu erwartenden etwas stärkeren fiskalischen Konservatismus günstiger für die Bondmärkte sei. Das Argument, dass Bush "gut" für die Aktienmärkte ist, ist aber etwas zu stark. Bush will die unter ihm durchgeführten Steuersenkungen permanenter Natur machen. Die Erwartung ist, dass dies positiv für den Aktienmarkt ist, weil zu den gesenkten Steuern auch die Steuern auf den Faktor Kapital zählen (die Dividenden-, die Kapitalgewinn-, die Erbschaftsteuer und die Steuern für die Topverdiener wurden gesenkt). Diese Argumentation ist zwar nicht falsch, allerdings müssen noch andere Faktoren berücksichtigt werden:
10. Erstens, im Zeitablauf werden die hohen Budgetdefizite die Zinsen ansteigen lassen, damit private Investitionen verdrängen, und somit das Potenzialwachstum, das eine zentrale Determinante des Aktienmarktes ist, senken.
11. Zweitens, in den letzten vier Dekaden war die ökonomische Entwicklung unter demokratischen Präsidenten wider Erwarten besser als unter republikanischen, man denke nur an den langen Boom unter dem früheren Präsidenten Clinton oder in den 60 Jahren unter Kennedy/Johnson. Es waren die Konservativen Ronald Reagan und George W. Bush und nicht die Demokraten Carter und Clinton, die fiskalisch unvernünftig handelten. Ein Machtwechsel zu Gunsten der Demokraten muss damit nicht heißen, dass die Aktienmärkte eine schlechtere Entwicklung zu erwarten haben als unter einem republikanischen Präsidenten.
12. Drittens, ein Rückgang der Kapitalbesteuerung hat für sich genommen einen positiven Effekt auf die Aktienmärkte, sollte aber zweitrangig gegenüber dem Gesamteffekt höherer Defizite auf das Potenzialwachstum sein.
13. Es könnte somit durchaus sein, dass ein Sieg Kerrys sowohl für die Bond- als auch für die Aktienmärkte positiv, ein Sieg von Bush dagegen für beide Märkte schlecht ist. Allerdings muss beachtet werden, dass es zumindest auf den ersten Blick keinen systematischen Einfluss des Wahlausgangs auf die mittel- bis langfristige Entwicklung der Aktien- und Bondmärkte gibt. Unabhängig von den einzelnen Wahlen erlebten die Bondmärkte seit Anfang der Achtzigerjahre einen Boom. Dies gilt auch bis zum Jahr 2000 für die Aktienmärkte. Kurzfristige Marktreaktionen sind aufgrund des derzeitig äußerst unklaren Wahlausgangs praktisch nicht vorherzusagen.
Quelle: DekaBank
Die DekaBank ist im Jahr 1999 aus der Fusion von Deutsche Girozentrale - Deutsche Kommunalbank- und DekaBank GmbH hervorgegangen. Die Gesellschaft ist als Zentralinstitut der deutschen Sparkassenorganisation im Investmentfondsgeschäft aktiv. Mit einem Fondsvolumen von rund 130 Mrd. Euro gehört die DekaBank zu den größten Finanzdienstleistern Deutschlands. Im Publikumsfondsgeschäft hält der DekaBank-Konzern einen Marktanteil von etwa 20 Prozent.
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