Droht ein starker Ölpreisanstieg im Winter?
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1. Die OPEC hat auf ihrem gestrigen regulären Treffen in Wien beschlossen, die Förderquoten zum 1. November um 900.000 Barrels pro Tag auf 24,5 Millionen Barrels pro Tag (mbd) zu senken. Diese Entscheidung überraschte insofern, als ein Großteil der Fördernationen bereits im Vorfeld des Treffens bekannt gab, dass es zu keiner Änderung der Förderpolitik kommen würde. Warum sich die OPEC dennoch für eine Senkung der Förderquoten entschieden hat, ist auf mehrere Gründe zurückzuführen: Erstens dürfte der kräftige Ölpreisrückgang der vergangenen Wochen jene Kräfte innerhalb der OPEC gestärkt haben, die bereits seit einigen Monaten argumentieren, es sei genügend Erdöl am Markt vorhanden. Daneben führen die wichtigsten Fördernationen der Welt an, dass im zweiten Quartal des Jahres 2004 mit einem starken Angebotsüberhang zu rechnen sei. Die Internationale Energieagentur (IEA) geht davon aus, dass das Angebot aus den Nicht- OPEC-Förderländern im zweiten Quartal 2004 weitaus stärker steigen sollte als die Nachfrage. Gleichzeitig hat der Irak angekündigt, bis April nächsten Jahres 2,8 mbd produzieren zu wollen. Um einem zu starken Überangebot vorzubeugen, und vor allem, um Spekulationen auf einen zu starken Ölpreisrückgang frühzeitig zu verhindern, hat die OPEC vermutlich bereits jetzt die Quoten zurückgefahren. Weitere Quotenkürzungen, noch im laufenden Jahr, hat der Delegierte des Iran nicht ausgeschlossen.
2. Die überraschende Entscheidung der OPEC hatte unmittelbar einen starken Anstieg des Ölpreises zur Folge. Innerhalb weniger Stunden stieg der Preis sowohl für Brent Blend also auch für West Texas Intermediate um mehr als 1 USD pro Barrel (USD/bbl) an. Brent Blend bzw. WTI notiert aktuell bei 27,42 USD/bbl bzw. 28,45 USD/bbl. Die durchaus heftige Marktreaktion war nach der unerwarteten Entscheidung verständlich. Grundsätzlich können wir die Argumentation der OPEC nachvollziehen. In der Argumentationskette fehlt allerdings ein wichtiges Detail am Rande: Zwischen heute und dem möglichen Überangebot im zweiten Quartal 2004 liegen noch zwei Quartale. Unglücklicherweise handelt es sich dabei um jene Periode des Jahres, in der traditionell die Nachfrage am stärksten ist - die Heizperiode in den Wintermonaten. Die Quoten bereits jetzt zu senken war daher unserer Ansicht nach eindeutig zu früh. Die OPEC erhöht durch ihre Entscheidung das Risiko für einen erneuten starken Ölpreisanstieg in den Wintermonaten.
Zur Zeit kann von einem Überangebot am Markt noch gar keine Rede sein. Der starke Rückgang des Ölpreises in den vergangenen Wochen ist nicht auf ein plötzliches Überangebot am Markt zurückzuführen, er wurde vielmehr durch massive Leerverkäufe von Spekulanten getrieben. Wenn man sich die Positionierung der nicht-kommerziellen Händler in Futures und Optionen vor Augen führt (siehe CFTC Grafik), so zeigt sich sehr schnell, dass nach dem Ende der "driving season" (verstärktes Verkehrsaufkommen in den Sommermonaten, aufgrund der Feriensaison führt zu verstärkter Benzinnachfrage) am Memorial Day (1. September) eine massive Liquidation an Long-Positionen eingesetzt hat, die zuweilen sogar zum Aufbau von Short-Positionen geführt hat. Die gestrige Entscheidung dürfte jedoch zu einem erneuten Aufbau von Long- Positionen führen. Aufgrund der derzeit schwächeren Nachfrage sollte sich der Aufbau der Long-Positionen aber in den nächsten Wochen noch in Grenzen halten, wodurch der Ölpreis vorerst nur leicht ansteigen sollte.
3. Am Ölmarkt gibt es weiterhin ein grundlegendes Problem, das sich nun bereits seit fast einem Jahr hinzieht: Die Lagerbestände, deren Entwicklung das Gleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage widerspiegelt, befinden sich immer noch auf sehr niedrigem Niveau. Daran konnte auch der verhältnismäßig starke Lageraufbau im August nicht viel ändern. Weiterhin liegen die Bestände an Rohöl nicht nur weit unter dem 5-Jahres-Durchschnitt, sondern sogar unter den niedrigsten Werten der vergangenen 10 Jahre. Um wieder auf normale Niveaus zu kommen, müsste ein noch stärkerer Lageraufbau stattfinden. Neben der Entwicklung der Rohöllagerbestände wird in den nächsten Monaten aber vor allem auch die Entwicklung der Heizöllagerbestände eine wichtige Rolle spielen. Nach dem Ende der "driving season" befinden wir uns im Moment in einer nachfrageschwachen Periode, bevor Ende Oktober die Heizperiode beginnt. Diese Zeit müsste daher genutzt werden, um genügend Heizöl-Reserven für den Winter aufzubauen. Findet dieser Aufbau nur unzureichend statt, besteht die Gefahr, dass es im Winter zu Engpässen kommt, und dass dadurch der Ölpreis noch einmal kräftig ansteigt.
4. Viel Beachtung findet auch weiterhin die Entwicklung im Irak. Im August erreichte die Ölproduktion ein Niveau von 1,28 mbd nach 850.000 Barrels pro Tag im Juli. Die Nettoproduktion dürfte aber etwas niedriger liegen, da ein beachtlicher Anteil des geförderten Rohöls wieder zurückgepumpt werden muss, um den notwendigen Druck in den Ölquellen aufrecht zu erhalten. Auf dem Treffen in Wien hat der zuständige Ölminister des Iraks auch Aussagen über die zukünftige Entwicklung der irakischen Ölproduktion getätigt. Ibrahim Mohammad Bahr al-Ulum geht davon aus, dass der Irak bis Anfang April die Produktion auf 2,8 mbd hochfahren kann. Er geht auch davon aus, dass die Instandsetzung der bestehenden Anlagen Investitionen in Höhe von USD 2 Milliarden erfordert. Bis Ende 2005 sollen die bestehenden Kapazitäten auf 4 mbd ausgeweitet werden, bis zum Ende des Jahrzehnt erwartet er sogar eine Ausweitung auf 6 mbd. All diese Pläne erachten wir als sehr ambitioniert, denn an erster Stelle steht immer noch die Sicherheitslage im Land, und diese ist weiterhin alles andere als geklärt. Wie man in den vergangenen Monaten gesehen hat, verläuft die Wiederaufnahme der Ölförderung äußerst schleppend. Zahlreiche Angriffe auf die wichtigsten Öl-Pipelines des Landes erschweren vor allem die Wiederaufnahme der Exporttätigkeit. Und für einen massiven Einstieg ausländischer Investoren muss vermutlich auch ein Mindestmass an Sicherheit im Land vorhanden sein.
5. Was erwarten wir nun von der weiteren Ölpreisentwicklung? Im vierten Quartal des laufenden Jahres rechnen wir mit einem durchschnittlichen Preis von 27 USD/bbl für Rohöl der Sorte Brent Blend. Der Preis für Rohöl der Sorte West Texas Intermediate (WTI) sollte sich bei durchschnittlich 29 USD/bbl bewegen. Wir werden allerdings in den nächsten sechs Wochen die Entwicklungen bei den Rohöl- und vor allem auch Heizöllagerbeständen sehr genau im Auge behalten. Sollte sich dann bereits abzeichnen, dass der Lageraufbau für die Heizperiode im Winter nur in unzureichendem Maße stattfindet, besteht eine erhebliche Gefahr, dass es in den Wintermonaten (Dezember bis Februar) zu einem erneuten Anstieg über die 30 Dollar-Marke kommt.
Quelle: DekaBank
Die DekaBank ist im Jahr 1999 aus der Fusion von Deutsche Girozentrale - Deutsche Kommunalbank- und DekaBank GmbH hervorgegangen. Die Gesellschaft ist als Zentralinstitut der deutschen Sparkassenorganisation im Investmentfondsgeschäft aktiv. Mit einem Fondsvolumen von rund 122 Mrd. Euro gehört die DekaBank zu den größten Finanzdienstleistern Deutschlands.
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