Kommentar
12:46 Uhr, 18.10.2019

Draghis Vermächtnis

Draghis Zeit an der Spitze der EZB geht zu Ende. Zeit, auf sein Vermächtnis zu blicken

Draghi hinterlässt der Eurozone vor allem eines: niedrige Zinsen. Vielleicht geht er in einigen Jahren als König der Negativzinsen in die Geschichte ein. Denkbar wäre es. Er hat gegen großen Widerstand eine Geldpolitik durchgesetzt, die den Preis des Geldes (Zinsen) abgeschafft hat.

Für die Staaten der Eurozone war das ein Segen. Zunächst brachte der Euro vielen Ländern den Vorteil niedrigerer Zinsen. Obwohl die Eurozone nie als Haftungsgemeinschaft geplant war, haben Anleger es genauso gesehen. Die Renditen von Staatsanleihen waren praktisch austauschbar. Es war die Zeit der großen Konvergenz.

Die Verschuldung war zwar sehr unterschiedlich, die Zinsen dafür sehr ähnlich. Das führte im Vorfeld der Euroeinführung vor 20 Jahren dazu, dass die Zinszahlungen in vielen Ländern sanken. Der Trend hielt bis zur Finanzkrise weiter an. Dann merkten Investoren plötzlich, dass man die einzelnen Länder der Eurozone doch nicht in einen Topf werfen kann.

Die Zinsen divergierten. In Griechenland stiegen die jährlichen Zinszahlungen von 10 Mrd. auf 16 Mrd. Dann kam allerdings Draghi. „Whatever it takes“, Zinssenkungen und QE retteten die Eurozone und führten trotz explodierender Schulden dazu, dass die Zinsbelastung der Staaten fiel (Grafik 1 und 2).
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Es gibt kein Land, das davon nicht profitiert hat. Selbst in Ländern, in denen die Schulden stark gestiegen sind (Krisenländer, Frankreich), zahlen heute deutlich weniger Zinsen als noch vor wenigen Jahren. Es gibt sogar nur sehr wenige Länder, in denen der Staat heute mehr Zinsen zahlen muss als 1995 (Grafik 3).

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In Spanien, Irland und Portugal haben sich die Schulden teils mehr als verdreifacht. Das können selbst niedrigere Zinsen nicht mehr auffangen. Trotzdem ist ein Zaubertrick gelungen. Die Schulden sind sehr viel schneller gestiegen als die Wirtschaftsleistung. Das gilt auch für Länder wie Frankreich. Trotzdem sind die Zinszahlungen gesunken.


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Man kann gar nicht genug betonen wie sensationell dieser Zaubertrick ist. Besonders eindrücklich ist das in Italien. Vor der großen Konvergenz (Euroeinführung) zahlte Italien über 10 % Zinsen. Diese fielen mit der Euroeinführung auf 4 % (Grafik 4). Während der Eurokrise gab es unter Berlusconi eine Eskalation, die die Zinsen noch einmal kräftig anstiegen ließ. Davon ist heute nichts mehr zu spüren.

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Die Renditen italienischer Anleihen sind so tief wie noch nie. 10-jährige Anleihen fielen unlängst sogar unter die Marke von 1 %. Das alles hat Draghi ermöglicht und zwar ganz bewusst. Ziel der Übung war es, die Zinslast zu senken. Dahinter steckte die Hoffnung, dass eine niedrigere Zinslast bei der Sanierung der Staatsfinanzen hilft.

Frankreich spart im Vergleich zu 2011 etwa 17 Mrd. pro Jahr. Ähnlich hoch ist die Ersparnis in Italien. Über die Jahre sind so in einigen Ländern über 100 Mrd. zusammengekommen. Damit kann man eigentlich viel anfangen. Die Chance wurde leider verpasst. Damit gehört die Sanierung der Eurozone nicht zu Draghis Vermächtnis.


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12 Kommentare

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  • daxe
    daxe

    moin

    1 fehler-der wiegt schwer-hat er gemacht.

    diese Finanzinstitute-würde sagen zombidinger-nicht abzuwickeln.

    amis haben aufgeräumt-eu stinken die dinger immer weiter und weiter.

    sonst i.o.,was sollte er denn machen.

    mfg

    12:20 Uhr, 20.10.2019
    1 Antwort anzeigen
  • Siegfried75
    Siegfried75

    Die Zinspolitik des Herrn Draghi ist für die Länder der Eurozone eine langfristige Zeitbombe gewesen. Gewesen, weil es Stand heute bis zur Detonation nicht mehr lange dauern wird. In die Geschichtsbücher wird er als der Zerstörer des Euro-Bankensystems, der europäischen Wirtschaft und letztendlich auch des Euro eingehen. Vermutlich ist alles schon in 3 - 4 Jahren vorbei. Eine Zeit, die uns Anleger vor große Herausforderungen stellt. Eine Zeit, die jeden vorausschauenden Strategen zwingt, seinen Fokus, seine ganze Aufmerksamkeit auf die Finanzmärkte zu richten, weil dort über das Sein oder Nichtsein jedes Einzelnen entschieden wird. Der Finanzkrieg beginnt! Es wird Sieger und Verlierer geben, und es wird viele Tote geben, wenn auch nur im übertragenen Sinn. Wobei einige auch physischen Selbstmord begehen werden, so wie in Japan nach dem 1990er Crash. Schwach darf man jetzt einfach nicht (mehr) sein.

    16:31 Uhr, 19.10.2019
  • wizardmw
    wizardmw

    Entschuldigung schon mal für die Wortwahl: wenn ich das fettige Grinsegesicht von dem Spaghettifresser sehe könnte ich direkt rein kotzen.......

    18:45 Uhr, 18.10.2019
    2 Antworten anzeigen
  • godfather
    godfather

    Das Vermächtnis von Herrn Draghi ist, dass die EU-Staaten erhebliche Anreize erhalten haben, sich möglichst schnell und hoch zu verschulden. Dafür werden Sie dann mit Zinsgewinnen entsprechend belohnt.

    Das ist völlig pervers und profitieren tut davon auch keiner. Die eingesparten Zinsen sind nur die eine Seite der Medaille, die Schuldenstände sind die andere.

    Spürbare und sinnvolle Investitionen, Strukturreformen usw. blieben in der EU weitgehend aus. Das ist auch kein Wunder, denn ohne diese Milliarden wären die Sozialstandards schon jetzt nicht mehr zu halten und es wären ganz andere Menschenmassen (Gelbwesten usw.) auf den Straßen. Allerdings weniger wegen dem Klima…

    Das Vermächtnis des Herrn Draghi trägt entscheidend dazu bei, dass dieses Geldsystem sehr bald kollabiert. Es ist inzwischen nämlich ein Schneeballsystem mit „Speed-Faktor“. In immer kürzeren Abständen muss immer mehr Geld (Schnee) in das System gepumpt werden.

    Goldkontrolle a la Scholz oder Bargeldeinschränkungen/-verbote (Italien) und am Ende vielleicht auch noch ein lupenreiner Sozialismus mit entsprechender „Vergesellschaftung“ von Unternehmen und Privatbesitz wird das System nicht retten.

    Der Staat und das sind letztlich wir alle gehen bei diesem Spiel ganz sicher nicht als Sieger vom Platz…

    16:56 Uhr, 18.10.2019
  • Schimanski
    Schimanski

    Eine Frage: Gibt es eine %-Aufteilung wohin das Geld aus den gestiegenen Schulden in Spanien, Frankreich, Portugal "investiert" wurde? doch nicht primär in Aktienmärkte und Immobilien, Preissteigerung bei Aktien- und Immobilienpreise werden nicht in die Wirtschaftsleistung reingerechnet, oder? Danke.

    15:02 Uhr, 18.10.2019
  • Waterson
    Waterson

    Da hatten wir also Kandidaten die es geschafft haben soviel Schulden zu sammeln dass sie die Zinsen nicht zahlen konnten. Jedes Unternehmen wäre natürlich dann weg. Aber hier kommt unser Genie um die Ecke und senkt (meiner Meinung außerhalb ihres Mandats) künstlich die Zinsen.

    Da muss die Welt ja in Ordnung sein - weil nun jedes Land das bisher überschuldet war diese Phase nutzen kann seinen Schuldenstand in Ordnung zu bringen.....

    Aber weit gefehlt - Noch mehr Schulden kommen her man hat ja neuen Spielraum - nur weiter senken wird schwierig - jemals wieder erhöhen ist aber auch vom Tisch. Könnten ja sonst alle dicht machen. Sehen sie sich Italien doch an. Mehr Schulden als Deutschland bei halber Wirtschaftsleistung, dazu noch -450Mrd auf dem Target2 Bierdeckel.

    Sie sagen 'jeder profitiert' ich sage: 'In eine Situation reingefahren in der man handlungsunfähig ist.' Sie haben natürlich Recht dass das Ende des Euro damit herausgezögert wurde, Ich wage zu bezweifeln ob auf Dauer.

    14:54 Uhr, 18.10.2019
  • zurDiskussion
    zurDiskussion

    Sehr geehrter Herr Schmale, ich schätze ihre Artikel sehr,

    aber wenn ich mir die Grafik ansehe

    dann hat Deutschland am meisten profitiert. (70-30 = 40 Mrd weniger bzw. 57%,

    Italien 110-70 = 40 Mrd weniger Zinsen bzw. 36%.

    Aber werden die 40 Mrd die der deutsche Steuerzahler heute weniger zahlen muss

    sinnvoll genutzt, zB. 20 Mrd Steuersenkung, 20 Mrd für Wohnen und Nahverkehr?

    13:28 Uhr, 18.10.2019

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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