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10:59 Uhr, 31.01.2024

DIW: Niedriglohnsektor auf Tiefstand - Einkommensungleichheit steigt dennoch

Von Andrea Thomas

BERLIN (Dow Jones) - Der Anteil der Beschäftigten im Niedriglohnsektor ist in Deutschland auf den tiefsten Stand der letzten 25 Jahre gefallen, aber die Einkommensungleichheit ist langfristig gestiegen. Das ergab eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin). Sie führte den Anstieg der Einkommensungleichheit auf die überproportionalen Lohnsteigerungen für Menschen mit hohen Einkommen zurück. Seit 2017 ist der Niedriglohnsektor, in dem Beschäftigte weniger als zwei Drittel des mittleren Bruttostundenlohns erhalten, aber erheblich geschrumpft. Der Anteil an Zugewanderten an der unteren Einkommensgruppe hat sich seit den 1990er Jahren mehr als verdoppelt, so das DIW. Daher müsse mehr für die Integration der Zuwanderer in den Arbeitsmarkt getan werden.

Die Bruttostundenlöhne in Deutschland sind laut DIW zwischen 1995 und 2021 inflationsbereinigt um durchschnittlich 16,5 Prozent gestiegen. Im untersten Lohndezil (den 10 Prozent der Beschäftigten mit den niedrigsten Löhnen) stiegen sie seit 2013 besonders stark. Dadurch sei der Niedriglohnsektor deutlich geschrumpft. Die Niedriglohnschwelle liegt im Jahr 2021 bei 13,00 Euro pro Stunde.

Die Haushaltsnettoeinkommen stiegen bis zum Jahr 2020 durchschnittlich um ein Drittel. "Jedoch hat sich die Einkommensungleichheit in den letzten Jahren nicht verringert, weil die oberen Einkommen überproportional gestiegen sind", erklärte das DIW.

Studienautor Markus Grabka führte den Tiefstand bei den Beschäftigten im Niedriglohnsektor zum Teil auf die Einführung und die schrittweisen Erhöhungen des Mindestlohns zurück. "Aber auch die veränderte Lohnpolitik der Gewerkschaften, die zunehmend auf Mindestzahlungen für untere Lohngruppen setzt, wirkt sich auf den Niedriglohnsektor positiv aus", sagte er.

Mitte der 2000er Jahre arbeitete etwa ein Viertel der Beschäftigten in Deutschland zum Niedriglohn, was auch im internationalen Vergleich viel war. Mit der Anhebung des Mindestlohns auf 12 Euro im Oktober 2022 waren es laut DIW aber nur noch rund 15 Prozent.

   Lohnzuwächse in untersten Lohngruppe am geringsten 

Trotz der insgesamt positiven Lohnentwicklung ist laut DIW der Zuwachs im untersten Lohndezil seit 1995 mit rund 6 Prozent am geringsten ausgefallen. In den obersten vier Dezilen legten die Löhne hingegen um etwa 20 Prozent zu. In den letzten Jahren sei die Lohnungleichheit aber gesunken und so niedrig wie zuletzt zu Beginn der 2000er Jahre.

Auch bei den Haushaltsnettoeinkommen, die von allen Personen in Privathaushalten - nicht nur von abhängig Beschäftigten - erfasst werden, unterscheiden sich die Erhöhungen seit 1995 stark nach Einkommensgruppen: Die 10 Prozent der niedrigsten Einkommen sind gerade einmal um 4 Prozent gestiegen, die höchsten 10 Prozent hingegen um etwa die Hälfte. Dadurch ist die Ungleichheit der Haushaltsnettoeinkommen zunächst zu Beginn der 2000er Jahre stark gestiegen: Der Gini-Koeffizient legte von 0,25 im Jahr 1999 auf knapp 0,29 im Jahr 2007 zu, so das DIW. Unter leichten Schwankungen wird im Jahr 2020 dann ein Wert von 0,3 erreicht.

   Großer Anteil noch von niedrigen Einkommen betroffen 

Aktuell ist etwa jeder Sechster in Deutschland von niedrigen Einkommen betroffen. "Hier sollte die Politik nachsteuern", empfahl Grabka. So müssen Zugewanderte besser und schneller in den Arbeitsmarkt integriert werden. Ihr Anteil im untersten Einkommensdezil hat sich in den vergangenen 30 Jahren mehr als verdoppelt. Es brauche eine gezieltere Förderung der Sprachkenntnisse für Zugewanderte sowie einen Abbau von administrativen Hürden für ihren Jobeinstieg.

Zudem müssten junge Erwachsene ohne Berufsabschluss gezielt qualifiziert werden, da sie vielfach dauerhaft von Armut bedroht sind. Außerdem sollte die Kindergrundsicherung zügig eingeführt werden. "Die Niedrigeinkommensquote ist unter Kindern und Jugendlichen überdurchschnittlich hoch. Die Kindergrundsicherung kann die Kinderarmut reduzieren", sagte Grabka. Allerdings müsse man bedenken, die Kindergrundsicherung die Ursachen für die schlechte finanzielle Lage der Familien nicht beheben werde.

Die überdurchschnittlich hohe Inflation beeinflusst laut DIW die finanzielle Lage der Privathaushalte maßgeblich. Eine Verbesserung ihrer finanziellen Situation sei auch davon abhängig, inwiefern die Gewerkschaften in der Lage seien, Lohnabschlüsse über der aktuellen Preissteigerung zu verhandeln. Denn die Löhne sind laut DIW weiterhin die wichtigste Einkommensart in Deutschland.

Kontakt zur Autorin: andrea.thomas@wsj.com

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