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10:00 Uhr, 14.12.2023

DIW: Haushaltskürzungen verpassen Wirtschaft weiteren Dämpfer

Von Andreas Kißler

BERLIN (Dow Jones) - Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) hat seine Konjunkturprognosen für 2024 und 2025 gesenkt. Für dieses Jahr prognostiziert das Institut einen Rückgang des Bruttoinlandsproduktes (BIP) um 0,3 Prozent. "In den beiden kommenden Jahren dürfte es dann mit 0,6 und 1,0 Prozent langsamer bergauf gehen als noch vor drei Monaten erwartet", so das DIW. Diese Prognose berücksichtige, dass die Bundesregierung für die beiden kommenden Jahre Einsparungen vornehmen und nicht alle in Aussicht gestellten oder versprochenen Ausgaben tätigen werde. Diese Kürzungen und die Unsicherheiten werden das Wachstum 2024 und 2025 nach den Berechnungen des DIW voraussichtlich um 0,3 beziehungsweise 0,2 Prozentpunkte drücken.

Die Inflation wird nach der Prognose von 5,9 Prozent in diesem Jahr auf 2,4 Prozent im kommenden und 2,0 Prozent im übernächsten Jahr zurückgehen. Die Zahl der Arbeitslosen wird sich demnach 2023 auf 2,608 Millionen und 2024 weiter auf 2,713 Millionen erhöhen, bevor sie 2025 wieder auf 2,559 Millionen fällt. Die Arbeitslosenquote liegt nach den Berechnungen des Berliner Instituts dieses Jahr bei 5,7 Prozent, nächstes bei 5,9 Prozent und übernächstes bei 5,5 Prozent. Für das deutsche Budgetdefizit erwarten die Ökonominnen und Ökonomen einen deutlichen Rückgang auf 1,1 Prozent des BIP im kommenden und 0,6 Prozent im übernächsten Jahr nach 2,1 Prozent im laufenden Jahr.

Die deutsche Wirtschaft finde nur sehr mühsam aus der Schwächephase heraus - auch die Einigung im Haushaltsstreit liefere keine positiven Impulse. Der private Konsum als Konjunkturtreiber sei entgegen den ursprünglichen Erwartungen in den vergangenen Monaten weitgehend ausgefallen - und zwar weil trotz erheblich gestiegener Löhne und der deutlich verlangsamten Inflation die realen Einkommen bislang nur leicht gestiegen seien. Gleichzeitig hätten die Verbraucher angesichts anhaltend ungewisser Zeiten aufgebrauchte finanzielle Reserven zunächst wieder aufgefüllt anstatt das Geld direkt auszugeben.

Sicher geglaubte Vorhaben gefährdet 

Ebenfalls negativ wirkten sich laut DIW zuletzt eine schleppende Investitionstätigkeit und eine gedämpfte Auslandsnachfrage aus. Ein Rückschlag drohe der deutschen Wirtschaft nach Einschätzung zudem infolge der geplanten Haushaltskonsolidierung nach dem Karlsruher Urteil. Am Mittwoch sei zwar ein Durchbruch im Haushaltsstreit der Ampel bekannt geworden, allerdings müssten die geplanten Einsparungen im Bundeshaushalt 2024 noch konkretisiert und verabschiedet werden. Dies berge weitere Unsicherheiten. "Sicher geglaubte Investitionsvorhaben stehen jetzt zur Disposition, Fördergelder können womöglich nicht fließen", so die Co-Leiterin des Bereichs Prognose und Konjunkturpolitik, Geraldine Dany-Knedlik.

Positive Impulse für die Konjunktur im nächsten und übernächsten Jahr dürften hingegen von einer weiter sinkenden Inflationsrate, kräftigen Lohnerhöhungen und damit steigenden Reallöhnen ausgehen. Die Sparquote der Haushalte dürfte langsam zurückgehen. "Es wird wieder mehr, aber immer noch zurückhaltender als vor der Corona-Pandemie konsumiert", erwartete das Institut. Zudem würden wohl rückläufige Investitionen das Wachstum in der ersten Hälfte des kommenden Jahres dämpfen - nicht zuletzt infolge des Verfassungsgerichtsurteils. Auch die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank sei sehr restriktiv und werde dies wohl auch noch einige Zeit bleiben. Erst nach der für den Sommer erwarteten Zinswende dürfte wieder graduell mehr investiert werden.

Damit die Wirtschaft an Dynamik gewinne, müssten schnell Unsicherheiten ausgeräumt werden. Die Bundesregierung müsse einen finanzpolitischen Kurswechsel vornehmen und die Prioritäten justieren, forderte DIW-Präsident Marcel Fratzscher. "Die Bundesregierung braucht einen klaren wirtschaftspolitischen Kompass. Die oberste Priorität muss bei öffentlichen Investitionen liegen, damit die Transformation der Wirtschaft gelingen kann", sagte er. "Die Einigung zum Haushalt 2024 ist ein fauler Kompromiss und eine große verpasste Chance, Deutschland wieder zukunftsfähig zu machen." Fratzscher sprach sich daher für ein Sondervermögen Klimaschutz in Höhe von 100 Milliarden Euro aus, das in der Verfassung verankert und somit von der Schuldenbremse ausgenommen sein solle.

Kontakt zum Autor: andreas.kissler@wsj.com

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