dit - Bärenmarktrallye oder Bullenrun?
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Der April - ein Monat wie kaum ein anderer an den Kapitalmärkten. Mit dem schnellen Ende des Irak-Krieges starteten die Bullen durch. Es kam zu einem Aufsehen erregenden Durchstarten. Unterstützend wirkten die Unternehmensgewinne. Der Großteil der "Earnings Season" liegt hinter uns. Die Gewinne für das erste Quartal wurden i.d.R. "inline" mit den Erwartungen oder besser erwartet verkündet. Dabei gaben die US-Aktienmärkte den Takt an, konnten sich im Performance-Ranking aber nicht bis an die Spitze durchschlagen. Vielmehr gingen die lateinamerikanischen und osteuropäischen Börsen, gefolgt von den Industriestaaten Europas, in Führung. Der DAX kämpfte mit der 3.000-Marke. Auf der Branchenseite holten zunächst die vorher so abgestraften Finanzwerte auf und lieferten sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit den Telekom- und IT-Werten. Insgesamt zeigt sich bei der Branchenwelt das erwartete Bild einer Rotation hin zu den so genannten High-Beta- Stocks, d.h. überwiegend den zyklischen Werten.
Geradezu unspektakulär das Bild am Rentenmarkt. Während sich die Zinsphantasien mit Blick auf das Federal Reserve Board und die EZB etwas verflüchtigten, schwankten die Renditen am langen Ende orientierungslos im Windschatten der Aktienmärkte.
Insgesamt blieb der in Teilmärkten wie den Unternehmensanleihen zu beobachtende Risikoappetit der Anleger nicht nur erhalten, sondern sprang auf weitere Segmente des Marktes über.
Leitplanken für den nächsten Streckenabschnitt
Der nächste Streckenabschnitt dürfte gerade, wenn auch nicht frei von Schlaglöchern verlaufen:
- Die Markttechnik hat sich verbessert. Wichtige Widerstandslinien wurden genommen. Die Breite des Aufschwungs hat zugenommen, wie die Advanced- Decline-Linie, welche die Anzahl der gestiegenen mit der Anzahl der gefallenen Werte saldiert, zeigt.
- Die Risikoindikatoren haben sich beruhigt: Die Volatilität ist merklich gesunken, die Renditeaufschläge von Swapzinsen und Unternehmensanleihen gegenüber Staatsanleihen haben sich weiter eingeengt, der Ölpreis hat ein neues Jahrestief erreicht. Selbst die an den Märkten genauestens verfolgte Lungenkrankheit SARS scheint sich nur in den Kursen asiatischer Märkte bemerkbar zu machen.
- Die Finanzwerte haben sich gefangen, was der negativen Spirale einer Kreditklemme entgegenwirkt und den Boden nach unten absichert.
- Bei den Bewertungen liegen nicht nur die Kurs-Gewinn-Verhältnisse weiterhin unter ihren langfristigen Durchschnitten, auch die Dividendenrenditen bleiben hoch. Im Falle Europas liegen sie fast in Höhe der Renditen von Staatsanleihen mit 10-jähriger Laufzeit.
- Wichtig in diesem Zusammenhang die Gewinne: Zwar sind in Europa die Gewinnrevisionen noch nicht zum Stillstand gekommen, aber am wichtigsten Markt, den USA, haben sie die Nulllinie fast erreicht.
- Die Konjunkturerwartungen haben sich zwar weiter eingetrübt, wie die Anpassung der Wachstumserwartungen z.B. vom IWF und dem Frühjahrsgutachten belegten, sind dafür aber im Bereich des Realistischen angekommen. Beim "Consensus" lässt sich zwischenzeitlich kaum noch von übertriebenen Wachstumshoffnungen sprechen.
Bullenrun- oder Bärenmarktrallye?
Die Antwort ist bei der weiteren Konjunkturentwicklung zu suchen. Geht es am Ende doch weiter abwärts als erwartet? Die von dieser Seite kommenden Signale sind uneindeutig. Zwar zeigen eine Reihe von Sentimentindikatoren bei den Konsumenten eine Verbesserung der Stimmung an, dabei kann es sich aber auch nur um ein emotionales Durchatmen nach Ende des Irak-Krieges handeln. Tatsächlich zeigen Industrieproduktion oder Einkaufsmanagerindex in den USA ein anderes Bild. Auch der alte Kontinent hat sich noch nicht gefangen. Strukturell bedingte Wachstumsfesseln auf dieser Seite des Atlantiks, bekannte Wachstumsungleichgewichte (kreditfinanzierte Konsumausgaben, Leistungsbilanzdefizit) auf der anderen Seite. Schlaglöcher bleiben nicht aus. Verständlich, dass da auch die Ausblicke der Unternehmen vorsichtig und wenn, dann nur zögerlich gegeben werden. Begünstigend wirkt allerdings der Ölpreis. Der niedrigere Ölpreis bedeutet ein Plus an Kaufkraft gerade für die Privaten. Gut auch für die Anleihemärkte: Das US-Budgetdefizit muss weniger stark ausgedehnt werden.
Summa Oeconomica
Taktische Asset Allocation
- Die Überlegungen zur Gesamtallokation des Portfolios setzen zunächst am Ende des Irak-Krieges an, mit dem ein großer Unsicherheitsfaktor entfallen ist. Bewertungen, Technik und Gewinne führen zu einem freundlicheren Bild, das keine Untergewichtung der Aktien gegenüber Renten rechtfertigt. Für eine sofortige Übergewichtung der Aktienseite ist es aber, noch in Anbetracht der Konjunktur, zu früh. Empfehlung: Auf "neutral" stellen und bei temporären Kursrückschlägen zukaufen.
Aktien
- In konjunkturell noch unruhigen Zeiten macht eine Verstärkung der Diversifikation bei den Aktien unverändert Sinn, gerne auch mit einem "Value-Tilt".
- Der neue "Konjunkturrealismus" legt auf regionaler Seite einer Übergewichtung Europas nahe. Dort sind die Gewinnrevisionen zwar noch nicht zum Abschluss gekommen, aber der Wachstumspfad verspricht, anders als in den USA, eher positive Überraschungen. Auch sind die Bewertungen noch deutlich attraktiver.
- Bei den USA empfiehlt sich eine neutrale Gewichtung. Der Aufholbedarf der Kurse ist hier nicht mehr ganz so groß.
Branchen
- Da die Frage "Bärenmarktrallye" oder "Bullenrun" noch nicht abschließend beantwortet ist, empfiehlt sich das Eingehen eines breit angelegten Sektorexposures für längerfristige Investoren unverändert noch nicht.
- Im "Meinungsportfolio" sollte allerdings die bisher defensive Ausrichtung etwas zurückgenommen werden, was u.a. über eine neutrale Gewichtung der "neuen Versorger", der Telekommunikationswerte, erreicht wird. Die bisherige Übergewichtung hat sich ausgezahlt und wird glattgestellt.
- Die Pharmawerte dagegen bleiben übergewichtet
- Auf zyklischer Seite kommen die Finanzwerte hinzu. Sie profitieren noch von dem freundlichen Marktumfeld, den niedrigen KGVs und Dividendenrenditen.
Renten
- Der Euro zeigt sich sowohl gegenüber dem US-Dollar als auch gegenüber dem Yen nach wie vor von seiner starken Seite.
- Bei unverändert höheren Renditen über alle Laufzeitensegmente im Euroraum gilt die alte Empfehlung: Innerhalb der G3-Währungen lohnt es nicht, ein Währungsexposure einzugehen.
- Beim Laufzeitenspektrum europäischer Staatsanleihen wird weiterhin die Mitte gestärkt. Die langen Laufzeiten bleiben Residualgrößen des Aktienmarktes. Da sich dieser wieder in freundlicherem Terrain bewegt, sind leichte Renditeanstiege zu erwarten.
Quelle: dit / Fonds-Reporter.de
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