Kommentar
14:49 Uhr, 07.03.2003

DIT - Angst und Unsicherheit

Viele Leitindizes durchbrachen die Tiefs aus dem Oktober 2002 und setzten somit ihre Talfahrt nahezu ungebremst fort. Der DAX sowie der Euro STOXX 50 notierten so niedrig wie seit 1996 bzw. 1997 nicht mehr. Auch der den US-Markt in seiner Breite abdeckende S&P 500 konnte sich dem Abwärtsdruck nicht entziehen. Der Nikkei bewegte sich sogar in Reichweite eines 19-Jahrestiefs. Die Gründe für das trübe Börsenbild - jenseits des schwelenden Irak-Konfliktes, dessen Lösung mal mehr mal weniger zwischen Krieg und Frieden schwankt - sind schnell aufgezählt: Konjunktursorgen und damit verbunden unsichere oder gar keine Ausblicke von der Unternehmensseite sowie Kriegsdrohungen aus Nordkorea. Hinzu kamen in Europa "Sonderbelastungen" in Form der Bilanzmanipulationen eines niederländischen Konzerns, Ankündigungen von Dividendenkürzungen einiger bedeutender Unternehmen, das von den Ratingagenturen losgetretene Pensionsthema und Gerüchte, einige Unternehmen aus dem Finanzsektor könnten gezwungen sein, über Zwangswandelanleihen (mandatory convertible) ihr Kapital zu erhöhen. Zudem trug die Diskussion über die Gründung einer "Bad Bank" zur Übernahme fauler Kredite des Bankensystems mit zumindest teilweiser staatlicher Haftung nicht gerade zur Vertrauensbildung bei.

Rentenhausse hält an

In diesem Umfeld dominieren an der Börse weiterhin die Verkäufer das Szenario. Es geht bei schwachen Umsätzen und hoher Volatilität nach unten. Folge: Die Risikoaversion steigt und treibt die Anleger in den sicheren Hafen der Rentenmärkte. Sowohl dies- als auch jenseits des Atlantiks rentieren Staatsanleihen unter 4%, obwohl die Erzeugerpreise einen größeren Preisdruck anzeigen und die Inflation in der Euro-Zone im Februar über der 2%-Marke lag. Da auch am kurzen Ende die Zinsen weiter gesunken sind - in den USA verzinsten sich 2- jährige Bonds Anfang März nur noch mit knapp 1,3% und in Euroland mit 2,3%, was historische Tiefstände bedeutet -, bleibt die Zinsstrukturkurve steil. Gefragt sind auch Unternehmensanleihen guter Bonität, die gegenüber Staatspapieren im Schnitt 1,5 Prozentpunkte höher rentieren. Die Nachfrage kommt primär von institutionellen Anlegern, die ihre Aktienquote verringern, aber gleichzeitig Renditeversprechen erfüllen müssen.

Frühlingserwachen?

Vor einigen Tagen hat der meteorologische Frühling Einzug gehalten. Folgt nun auch ein Frühlingserwachen der Konjunktur und der Märkte? Die Konjunkturindikatoren zeigen derzeit ein durchwachsenes Bild und lassen einen großen Interpretationsspielraum. Allen voran die Stimmungsindikatoren befinden sich auf Talfahrt. Der Irak-Konflikt sorgt sowohl mittelbar (Ölpreis) als auch unmittelbar (Stimmungseintrübung) für Unsicherheit. Der Höhenflug des "schwarzen Goldes" wirkt wie eine Steuererhöhung und entzieht den Konsumenten Kaufkraft. Diese drosseln die Nachfrage, weshalb sich die Unternehmen mit Investitionen zurückhalten. Zudem erhöhen sich die Inputpreise für die Unternehmen, die diese angesichts des harten Wettbewerbs und der Konjunkturflaute nicht weitergeben können. Bei insgesamt sinkenden Umsätzen kann die Gewinnseite nur durch Kostensenkungsprogramme verbessert werden. Gerade auf der Gewinnseite liegt aber ein großer Hebel: Geht es mit der Konjunktur aufwärts, dürften sich die Umsätze in kräftigen Gewinnsteigerungen niederschlagen. Dass die realökonomische Lage nicht ganz so schlecht wie die Stimmung ist, zeigt die Revision des US-BIP für das vierte Quartal 2002: Statt 0,7% betrug das reale Wachstum 1,4%. Zudem befindet sich der Einkaufsmanagerindex ISM weiter über der 50-Punkte-Marke, was ein expandierendes Verarbeitendes Gewerbe anzeigt. Im Euro-Raum stockt die Industriekonjunktur, Stimmungsindikatoren wie das Ifo- Geschäftsklima oder das ZEW-Konjunkturbarometer konnten sich indes auf niedrigem Niveau stabilisieren. Eine konjunkturelle Dynamik ist damit zwar nicht in Sicht, aber eine Rezession kann wohl vermieden werden. Angesichts der widrigen Rahmenbedingungen wäre es nicht verwunderlich, wenn das Frühlingserwachen erst im Herbst stattfinden würde.

Fazit:

Konjunktur

- "Where do we go from here?" fragten wir in der letzten Ausgabe. Seitdem kam zwar der übliche monatliche Datenkranz, zur Erhellung der vor uns liegenden Wegstrekke konnte dieser aber kaum beitragen. Der Irak-Konflikt beschäftigt weiterhin die Märkte und drückt auf die Stimmung. Die Frühindikatoren zeigen kein konjunkturelles Frühlingserwachen an. Deutschland bleibt weiter im Bereich der Stagnation. Ähnliches gilt auch für Japan. Einzig in den USA bieten die Daten ein in Nuancen besseres Bild.

Taktische Asset Allocation

- Die Aktienmärkte sind stark überverkauft und Stimmungsindikatoren wie z.B. das Put-/Call-Verhältnis sprechen dafür, dass viel Negatives bereits eingepreist sein dürfte. Zudem hat sich in den letzten Wochen das Gewinnbild leicht verbessert. Solange die Unsicherheit rund um den Irak nicht weicht, ist aber kein "Durchatmen" der Märkte zu erwarten. Den Chancen, an einer Erleichterungsrallye zu partizipieren, stehen Risiken in Form eines Flächenbrandes im Nahen Osten und verstärkte terroristische Aktivitäten entgegen. Das Votum bleibt somit bei "neutral".

Regionen & Branchen

- Ob der nächste Blix-Bericht am 10.März Erleuchtung bringt, ist offen. Solange bleibt ein verringertes Risikoexposure mit Blue Chips aus dem Value-Bereich im Vordergrund
- Die Übergewichtung in den USA wird beibehalten. Zum einen zahlte sich diese Strategie in den letzten Wochen aus, was die relative Performance zeigt. Zum anderen ist die wirtschaftliche Dynamik jenseits des Atlantiks größer.
- Europa bleibt neutral gewichtet. Der Gewinntrend ist zwar positiv und die Bewertung niedrig. Aufgrund der fehlenden konjunkturellen Dynamik bleibt das Potenzial nach oben aber deutlich begrenzt. In Übereinstimmung mit der Gesamtallokation empfiehlt sich das Setzen auf dividendenstarke Titel.
- Japan bleibt unverändert untergewichtet. Die Finanzmarktdebatte nimmt kein Ende und die Wirtschaftsaktivität stagniert. Tradingchancen bieten sich lediglich im Rahmen der zum Ende des Geschäftsjahres üblichen Repatriierungswelle.
- Im Zuge des verringerten Risikoexposures bleiben defensive Branchen vorne. Solange die Unsicherheit auf den Märkten lastet, sollten keine größeren Sektorwetten eingegangen werden.
- Übergewichtet bleiben die Branchen Gesundheit, die bei attraktiven Bewertungen auch gute Bilanzkennziffern ausweist und Telekommunikation, wo sich der Abbau der Schulden in geringeren Zinsaufschlägen niederschlägt. Zudem dürften positive Impulse von den mobilen Datendiensten kommen.
- IT wird von untergewichten auf neutral angehoben. Dahinter stehen Kostenreduzierungen und bessere Bilanzziffern sowie die im Branchenvergleich positiveren Gewinnrevisionen. Anleihen.
- Am langen Ende ist das Kursrisiko angesichts der niedrigen Renditen hoch. Wegen der bereits eingepreisten Leitzinssenkung der EZB dürfte auch das kurze Ende kein Kurspotenzial bieten.
- Unternehmensanleihen profitieren von der im Zuge des Schuldenabbaus vollzogenen Wandlung vom Shareholder- zum Bondholdervalue. Das dürfte so bleiben.

Quelle: Dit

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