DIHK: Unternehmen trotz EU-Binnenmarkt immer noch stark eingeschränkt
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Von Andrea Thomas
BERLIN (Dow Jones) - Unternehmen werden im Europäischen Binnenmarkt werden einer Umfrage der Wirtschaft zufolge durch Bürokratie ausgebremst. Die Situation verschlechtere sich teilweise, so das Fazit einer Befragung der 79 Industrie- und Handelskammern (IHKs) in Deutschland sowie der deutschen Auslandshandelskammern (AHKs) in allen EU-Mitgliedstaaten. Seit 30 Jahren sollte der Binnenmarkt vollendet sein - und dennoch stießen deutsche Unternehmen noch immer an Grenzen und bürokratische Hindernisse, monierten die Kammern. Freier Warenverkehr und Handel seien demnach längst nicht vollendet. An vielen Stellen seien Verbesserungen dringend erforderlich, denn zum Teil werde die Situation sogar schlimmer.
"Bisweilen berichten uns deutsche Unternehmen sogar von unverhältnismäßigen und teilweise schikanösen bürokratischen Hürden", kritisierte DIHK-Präsident Peter Adrian. "Wenn wir es mit Europa ernst meinen, müssen wir die unnützen und unnötigen Regulierungen endlich auf ganzer Breite abschaffen. Bürokratieabbau ist deshalb auch auf europäischer Ebene eines der zentralen Themen."
Europa biete zwar den größten Binnenmarkt der Welt, und zwei Drittel des gesamten EU-Warenhandels entfielen auf den Binnenmarkt. Außerdem seien durch ihn insgesamt mehr als 50 Millionen europäische Arbeitsplätze entstanden. Der freie Verkehr von Waren, Personen, Dienstleistungen und Kapital ist das Herzstück der europäischen Integration. "Aber wir stehen uns selbst im Weg. Ein Binnenmarkt muss zuerst intern funktionieren, um nach außen mit Kraft wirken zu können", so Adrian mit Blick auf den freien Verkehr von Waren, Personen, Dienstleistungen und Kapital in Europa.
Arbeitnehmerentsendung als Problem
Als eines der zentralen Probleme hat die DIHK die Arbeitnehmerentsendung identifiziert. Ungeeignete Regulierungen gingen hier mit zusätzlichen nationalen Hürden Hand in Hand, wie die Unterschiede bei den Meldeportalen oder Schwierigkeiten bei der Mindestlohnabrechnung.
Die DIHK beklagt, dass die Flut an Regelungen mittlerweile exorbitant sei. Statt die Unternehmen in ihrer Praxis zu unterstützen und Freiräume für Ideen, Innovationen und Entwicklung zu lassen, müssten sie hunderte Dokumentationen und Berichte ausfüllen. Häufig seien Unternehmen in anderen EU-Ländern mit Verwaltungsportalen konfrontiert, die nicht auf Englisch, sondern nur in der Landessprache funktionieren. Auch Deutschland sei hier kein Vorbild.
"Es droht eine rechtliche Verwahrlosung des Binnenmarktes, wenn die garantierten Freiheiten des Marktes, auch in der digitalen Ökonomie, nicht mehr fraglos gesichert werden", warnte DIHK-Chefjustitiar Stephan Wernicke. Teilweise würden Unternehmen erwägen, sich aufgrund der komplizierten Verfahren oder des eingeschränkten Rechtsschutzes ganz aus einzelnen EU-Ländern zurückzuziehen. "Das wäre das Gegenteil dessen, für was der EU-Binnenmarkt eigentlich steht. Das wird uns alle treffen", sagte Wernicke. Denn Leidtragende sind neben den Unternehmen die Verbraucher.
Die Politik sei gefragt und muss sich laut DIHK auf das Wesentliche konzentrieren. Rechtssicherheit, Rechtsstaatlichkeit und freier Wettbewerb im gemeinsamen Binnenmarkt sind zentrale Standortfaktoren, die zu sichern seien, bevor immer neue und kaum vereinbare politische Ziele gesetzt würden.
Kontakt zur Autorin: andrea.thomas@wsj.com
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