DIHK: 2024 allenfalls "rote Null" und auch 2025 lediglich Nullwachstum
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Von Andreas Kißler
BERLIN (Dow Jones) - Die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) sieht 2024 einen Rückgang des Bruttoinlandsproduktes (BIP) um 0,2 Prozent und rechnet auch nächstes Jahr noch mit einer Stagnation der Wirtschaftsleistung. "Für 2025 geben es unsere Zahlen nicht her, optimistisch zu werden", sagte DIHK-Hauptgeschäftsführer Martin Wansleben bei der Vorstellung der jüngsten Konjunkturumfrage. "Im Gegenteil, an manchen Stellen lassen die Rückmeldungen der Unternehmen befürchten, dass es noch schlechter kommen könnte. Für 2024 senken wir unsere Prognose auf allenfalls eine 'rote Null'", erklärte er. "Auch für das kommende Jahr rechnen wir lediglich mit Nullwachstum. Das wäre dann das dritte Jahr in Folge ohne realen Zuwachs beim Bruttoinlandsprodukt."
In ihrer Prognose sagt die DIHK für dieses Jahr eine Stagnation der privaten Konsumausgaben voraus, bevor sie 2025 um 0,5 Prozent zulegen sollen. Für die Ausrüstungsinvestitionen werden aber Rückgänge um 6,5 Prozent in diesem und 1,0 Prozent im kommenden Jahr erwartet. Während der Export laut der Prognose in beiden Jahren stagniert, gehen die Importe demnach 2024 um 0,5 Prozent zurück und steigen 2025 um 1,0 Prozent. Laut der Umfrage, an der sich rund 25.000 Unternehmen aus allen Branchen und Regionen in Deutschland beteiligt hätten, verliere Deutschland den Anschluss. "Zu wenig Investitionen, zu viel Bürokratie, zu hohe Standortkosten - die deutsche Wirtschaft steckt fest", erklärte die Kammerorganisation.
"Wir haben es nicht nur mit einer konjunkturellen, sondern einer hartnäckigen strukturellen Krise am Standort Deutschland zu tun", konstatierte Wansleben. Zu den hohen Kosten für Energie und Personal, der ausufernden Bürokratie und der Steuerbelastung kämen noch geopolitische Unsicherheiten und eine wegbrechende Nachfrage aus dem In- und Ausland hinzu. Nur noch 26 Prozent der Unternehmen nach zuvor 28 Prozent im Frühsommer bewerteten ihre aktuelle Geschäftslage als gut. Mit 25 Prozent nach zuvor 23 Prozent sei der Anteil, der seine Lage als schlecht bewertet, fast gleich hoch. Der Saldo aus den positiven und negativen Lagebewertungen sinke damit auf lediglich einen Punkt nach 5 Punkten im Frühsommer.
Am schlechtesten sei die Lage in der Industrie. Die Optimisten seien hier in die Minderheit. Nur noch 19 Prozent der Betriebe bewerteten ihre aktuelle Lage als gut, 35 Prozent als schlecht. Der Saldo sinke um 11 Prozentpunkte auf minus 16 Punkte und liege weit unter dem langjährigen Durchschnitt von plus 21 Punkten. "Eine solche Situation hatten wir zuletzt vor 20 Jahren während der schweren Krise in den Jahren 2002 und 2003. Das ist ein deutliches Alarmsignal", sagte Wansleben. "Damals hat die Regierung versucht, mit der Agenda 2010 die Krise zu überwinden. Tiefgreifende Reformen brauchen wir jetzt auch."
Autohersteller mit besonderen Problemen
Einen besonders dramatischen Einbruch bei der Geschäftslage verzeichne der Kraftfahrzeugbau: Der Saldo stürze um 27 auf minus 31 Punkte ab. "Hier kommen die tiefgreifenden Herausforderungen, mit denen die Branche konfrontiert ist, zum Tragen: hohe Produktionskosten und vor allem die Transformation hin zur E-Mobilität, die zusätzliche Anpassungs- und Investitionsanforderungen mit sich bringt", so Wansleben. Hinzu kämen der Trend, 'local for local' zu produzieren, sowie eine wachsende und ernst zu nehmende Konkurrenz auf den Weltmärkten. Jedes zweite Unternehmen im Kraftfahrzeugbau melde aktuell ein Problem bei der Finanzlage. 30 Prozent der Hersteller von Kfz-Teilen und Zubehör hätten einen erschwerten Fremdkapitalzugang.
Auch die Geschäftserwartungen für die kommenden Monate in der Gesamtwirtschaft geben laut DIHK keinen Anlass für Optimismus. Denn der Anteil der Unternehmen mit negativen Erwartungen nehme spürbar zu: 31 Prozent rechneten mit schlechteren Geschäften, nach zuvor 26 Prozent, während nur noch 13 Prozent nach zuvor 16 Prozent eine Verbesserung erwarteten. "Für die Betriebe zeichnet sich kein Licht am Horizont ab. Allenfalls könnte die kürzliche Zinssenkung der EZB ein erster Hoffnungsschimmer sein, wir sehen ihn aber noch nicht in unseren Zahlen", sagte Wansleben.
Die Bruttoanlageinvestitionen lägen noch immer deutlich unter dem Vor-Corona-Niveau. Es gebe auch keine Hinweise auf eine Verbesserung. Im Gegenteil wolle ein Drittel der Unternehmen seine Investitionen am heimischen Standort zurückfahren - in der Industrie sogar 40 Prozent. "Die Anzeichen einer Deindustrialisierung erhärten sich. Die schlechten Investitionen zeigen, dass die industrielle Wertschöpfungsbasis sinkt", stellte Wansleben fest. Die schwache Investitionsneigung spiegele sich auch in den Beschäftigungsplänen wider: Ein Viertel aller Betriebe wolle die Anzahl der Beschäftigten senken, mit einem Personalaufbau rechne hingegen nur noch gut ein Zehntel. Besonders deutliche Einschnitte sehe die DIHK in der Kfz-Branche und den energieintensiven Unternehmen.
"Die Zahlen sind dramatisch. Es ist an der Zeit umzusteuern", forderte Wansleben. Die negative Entwicklung müsse gestoppt werden. Dazu seien schnelle und zielgerichtete Maßnahmen nötig, mit denen vor allem die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen verbessert würden. Die Wachstumsinitiative der Bundesregierung biete zwar gute Ansätze, reiche aber bei weitem nicht aus. "Zusätzliche umfassende Reformpakete sind nötig", sagte Wansleben. Er nannte vor allem steuerliche Entlastungen durch eine investitionsfreundliche Unternehmenssteuerreform und die komplette Abschaffung des Solidaritätszuschlages. "Und auch das Thema Bürokratieabbau muss endlich so angefasst werden, dass das in der betrieblichen Ebene spürbar wird." Hier sei vor allem auch die europäische Ebene gefragt.
Kontakt zum Autor: andreas.kissler@wsj.com
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