Kommentar
08:35 Uhr, 06.06.2018

Die Wahrheit über Zinsen und Aktienkurse

Steigende Zinsen werden gerne als Belastungsfaktor für den Aktienmarkt genannt. So einfach ist die Sache aber nicht. Gehens steigende Zinsen etwa sogar mit steigenden Kursen einher?

Auf den ersten Blick haben Aktien und Zinsen nur bedingt etwas miteinander zu tun (Grafik 1). Als die Zinsen in den USA 2012 und 2013 stark anstiegen, kümmerte das den Aktienmarkt gar nicht. Der Markt stieg einfach weiter. Das tat er bis zu einem gewissen Grad auch als daraufhin die Zinsen wieder fielen.

Stellt man das Ganze etwas anders dar, ergibt sich ein klareres Bild (Grafik 2). Die Performance des S&P 500 und das Zinsniveau verlaufen parallel. Steigen die Zinsen wie 2016 bis Anfang 2018, performt auch der S&P 500 gut. Die Korrelation ist seit vielen Jahren sehr hoch.

Aktuell lässt die Korrelation zu wünschen übrig. Die Performance des S&P ist auf Jahressicht rückläufig, doch die Zinsen steigen. Es ist gut vorstellbar, dass sich diese Divergenz zugunsten steigender Kurse auflöst. Ähnlich war es auch 2012/13.

Steigende Zinsen sind nichts weiter als ein Zeichen dafür, dass die Wirtschaft wächst. Wächst die Wirtschaft, sprudeln im Normalfall auch die Gewinne der Unternehmen. Beides ist Ausdruck des gleichen zugrundeliegenden Trends. Es ist also eigentlich überhaupt nicht überraschend, dass die Korrelation positiv und sehr hoch ist.

Nun kommt der Haken an der Sache. Es gibt eine ganze Reihe an Unternehmen, die von steigenden Zinsen übermäßig belastet werden. Dazu gehören Firmen, die stark verschuldet sind und deren Rating nicht besonders gut ist. Sie zahlen mehr für ihre Schulden und können dadurch sogar in die Insolvenz gedrängt werden.

Das war allerdings schon immer so. Viele Firmen, selbst wenn sie eine schlechte Bonität haben, profitieren von robustem Wachstum. Die Einnahmen steigen mit der Expansion der Wirtschaft. Höhere Zinsen sind bis zu einem gewissen Grad verkraftbar.

Derzeit weiß niemand so genau, welches Zinsniveau tatsächlich noch tragbar ist. Niedrige Zinsen haben zu einem nie dagewesenen Schuldenexzess geführt. Corporate America ist so stark verschuldet wie nie zuvor.

Persönlich gehe ich davon aus, dass das derzeitige Zinsniveau noch nicht gefährlich ist. Dazu ist das Umfeld einfach noch zu gut und die Steuerreform hilft ebenfalls die Situation vieler Unternehmen zu verbessern. Das ändert natürlich nichts daran, dass Anleger Anleihen wieder als attraktiver empfinden.

Lange Zeit gab es zu Aktien keine Alternative. Jetzt können mit sicheren Anleihen im kurzfristigen Bereich wieder mehr als 2 % erwirtschaftet werden. Das ist höher als die Dividendenrendite in den USA. Das macht insbesondere Dividendentiteln wie Versorgern zu schaffen.

Einzelne Sektoren werden unter den steigenden Zinsen leiden. Für den Gesamtmarkt gilt das meiner Meinung nach noch nicht. Bis auf weiteres sollte der Zusammenhang weiterhin gelten: steigende Zinsen und steigende Kurse gehören zusammen.

Ab einem bestimmten Punkt werden Zinsen zum Belastungsfaktor, zumal viele Unternehmen hoch verschuldet sind. Wo genau dieser Punkt liegt, weiß niemand. Noch sollten wir davon ein Stück entfernt sein. Gerade Ramschanleihen weisen nach wie vor rekordverdächtig niedrige Renditen aus, sodass zumindest in diesem Jahr aufgrund der Zinsen kein Gegenwind zu erwarten ist.

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1 Kommentar

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  • Andreas Hoose
    Andreas Hoose

    Zu Ende gedacht würde das bedeuten, dass die Märkte nach einer "unendlichen" Jahrhunderthausse in einem Umfeld steigender Zinsen einfach so weitermachen. Da freut sich der Anleger.

    Aber was machen wir, wenn die Zinsen nicht steigen, weil die Wirtschaft wächst, sondern weil das Vertrauen der Investoren den Bach hinunter plätschert? Oder ist auch das "unvorstellbar", wie so vieles in diesen Tagen?

    10:36 Uhr, 06.06.2018

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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