Kommentar
10:15 Uhr, 20.05.2015

Die versteckte Bankenrettung

Die Aufregung war groß, als während der Finanzkrise Banken mit Milliarden gerettet wurden und die Bevölkerung gleichzeitig Kürzungen hinnehmen musste. Die Aufregung ist inzwischen abgeebbt, dabei geht die Bankrettung weiter.

Die Bankenrettungen von 2008 bis 2012 waren ziemlich offensichtlich und alles andere als versteckt. Der Staat brachte Milliarden auf, um Banken vor dem Zusammenbruch zu bewahren. In Deutschland war der Spuk relativ schnell vorbei, nachdem die Hypo Real Estate verstaatlicht, Milliardengarantien ausgesprochen und Eigenkapital (z.B. für die Commerzbank) ausgegeben wurden. In anderen Ländern zog sich der Prozess länger hin. Spanien unternahm 2012 die letzten großen Anstrengungen, als sich das Land 100 Mrd. vom Eurorettungsfonds genehmigen ließ. Gebraucht wurden letztlich „nur“ 60 Mrd.

Dadurch wurde nicht jede Bank optimal kapitalisiert, allerdings konnten Banken über Eigenkapitalerhöhungen die Kapitalanforderungen inzwischen selbst erfüllen. 2013 und 2014 wurden hohe Milliardenbeträge durch Kapitalerhöhungen eingenommen. In den meisten Fällen reichte das aus.

Die Bankenkrise ist damit noch nicht ganz überwunden. In vielen Ländern hält der Staat noch immer Anteile an Banken bzw. werden die nationalen Bad Banks noch weitergeführt. Wie lange Deutschland seine Bad Bank noch weiterführen muss ist unklar, zumal man nicht ausschließen kann, dass neue Probleme entstehen. In Österreich macht die Hypo Alpe Adria seit Jahren Schlagzeilen. Hier beginnt die Abwicklung gerade erst. Von einem endgültigen Ende der Bankenkrise kann noch keine Rede sein.

Die Zeiten, in denen Regierungen mit Milliarden um sich schmeißen müssen, sind erst einmal vorbei. Die Bankenrettung geht trotzdem munter weiter, wenn auch über andere Wege. Banken versuchen sich selbst zu retten, in dem sie Risiken aus ihren Bilanzen entfernen und sie dem Staat zuschieben.

Die Eurokrise hat mehrere Probleme offengelegt. Dazu muss man ganz am Anfang beginnen. Der Anfang liegt in den enormen Handels- und Leistungsbilanzdefiziten der Krisenländer. Der Einfachheit halber kann man sagen, dass Länder wie Griechenland mehr importiert haben als exportiert. Dadurch ist die Handelsbilanz negativ. Die Leistungsbilanz ist etwas umfassender und beinhaltet neben dem Güterhandel auch Dienstleistungen und Kapitaleinkommen. Ob Handels- oder Leistungsbilanz, beides war und ist in vielen Krisenländern negativ.

Vor der Eurokrise gab es einen relativ einfachen Mechanismus, um das Ungleichgewicht auszugleichen. Ein permanent negativer Saldo muss auch ausgeglichen werden. Vorstellen kann man sich das anhand eines einfachen Beispiels. Kauft ein Grieche ein deutsches Produkt und überweist dafür das Geld von seinem griechischen Konto auf ein deutsches Konto, dann wird Geld von der griechischen Bank zu einer deutschen Bank übertragen. Eine einzelne Transaktion hat wenig Relevanz, wenn dies jedoch in Milliardenhöhe passiert, dann braucht es einen Ausgleich. Dieser Ausgleich fand statt, indem sich griechische Banken über den Interbankenmarkt das zuvor nach Deutschland überwiesene Geld wieder bei deutschen Banken beschafften.

Als die Finanzkrise 2008 begann, brach der Interbankenmarkt zusammen. Banken mussten sich über die EZB refinanzieren, weil sie dies nicht mehr über den Interbankenmarkt tun konnten. Am Grundproblem – einer negativen Leistungsbilanz – hat das jedoch wenig geändert. Diese wurde in den vergangenen Jahren reduziert, in einigen Ländern ist sie inzwischen sogar positiv, doch in der Tendenz sind die Leistungsbilanzen noch immer problematisch.

Ist eine Leistungsbilanz negativ, dann braucht es einen Ausgleich. Es muss einen Kapitalstrom zurück in das Land geben, welches das Defizit anhäuft. Andernfalls würde das Land irgendwann zusammenbrechen, wenn Geld nur in eine Richtung fließen würde.

Ein Großteil des Ausgleichs fand vor der Krise über private Kapitalströme statt. Dazu gehörte auch der Transfer über den Interbankenmarkt. Mit Aufkommen der Krise hörten die privaten Kapitalströme abrupt auf. Da die Bilanzen weiterhin negativ blieben, musste der Ausgleich anders stattfinden.

Im Bankenmarkt geschieht dies, indem sich die Banken über die EZB refinanzieren. Das Ergebnis davon sind die Target2 Salden. Einige Ökonomen haben den massiven Anstieg des deutschen Target2 Saldos als Finanzierung des Leistungsbilanzdefizits der Krisenländer bezeichnet. Da ist etwas dran.

Grafik 1 und 2 zeigen die Target2 Salden für Griechenland und Italien sowie die Entwicklung der Leistungsbilanz. Es handelt sich dabei nicht um das jährliche Defizit, sondern um ein kumuliertes Defizit. Hat Italien z.B. in Q1 2012 ein Leistungsbilanzdefizit von 20 Mrd. gehabt und im zweiten Quartal ein Defizit von 30 Mrd., dann ist das in der Grafik als -50 Mrd. dargestellt.
Der Zusammenhang von Target2 Salden und angehäuften Defiziten ist gut zu erkennen. Die Übereinstimmung ist aber nicht so groß, dass man die Entwicklung der Target2 Salden allein durch die Leistungsbilanz erklären kann. Grafik 3 zeigt die Entwicklung von Target2 Salden und Leistungsbilanzen für ausgewählte Länder und Zeiträume. Die Entwicklung der Target2 Salden und der Leistungsbilanz stimmen lediglich in der Periode vom ersten Quartal 2010 bis zum vierten Quartal 2011 sehr gut überein.

In Deutschland war der Leistungsbilanzüberschuss in dieser Periode genauso groß wie die Erhöhung des Target2 Saldos. In den meisten anderen Ländern ist ebenfalls eine große Übereinstimmung zu finden. In den anderen dargestellten Zeiträumen ist die Übereinstimmung deutlich geringer oder teils sogar gar nicht vorhanden. So reduzierte sich der Target2 Saldo für die Niederlande von Anfang 2012 bis Ende 2014, der Leistungsbilanzüberschuss allerdings stieg weiter an.
Was hat das jetzt alles mit Bankrettung zu tun? Den Zusammenhang zeigt Grafik 4. Es zeigt die Entwicklung der Nettoforderungen von deutschen, französischen, niederländischen, finnischen und luxemburgischen Banken gegenüber den GIIPS Banken. Es handelt sich dabei um Nettoforderungen. Forderungen der genannten Länder wurden mit Forderungen der GIIPS Banken gegenüber diesen Banken saldiert. Die Nettoforderungen lagen vor der Krise bei fast 1,5 Billionen Euro. Das war der Betrag, der von den einen Banken an die GIIPS Banken auf dem einen oder anderen Weg zurückgeflossen sind, um die negativen Bilanzen auszugleichen.

Im Zuge der Eurokrise sind die Nettoforderungen stark gesunken. Zuletzt erreichten sie gut 500 Mrd. Euro. Stellt man nun die Veränderung der Nettoforderungen der Veränderung der Target2 Salden gegenüber, dann ist der Zusammenhang ziemlich klar. Beide laufen parallel. Die Größenordnung der beiden Reihen deckt sich nicht 1 zu 1, ist unterm Strich aber sehr groß. Was bedeutet das?

Die Reduktion der Nettoforderungen bedeuten, dass sich Banken untereinander weniger geliehen haben. Sie haben ihre Forderungen gegenüber den GIIPS Banken und Ländern reduziert, um Risiken loszuwerden. Das Risiko an sich ist nicht verschwunden. Die GIIPS Länder hatten ja weiterhin negative Bilanzen. Es musste weiterhin Kapitalströme zurück in die GIIPS Länder geben, nur fanden diese nicht mehr direkt unter den Banken statt, sondern über die Zentralbanken. Vereinfacht ausgedrückt kann man sagen, dass Banken die GIIPS Risiken in ihren Bilanzen einfach an die Notenbanken ausgelagert haben.
Das Gesamtrisiko ist geblieben bzw. sogar gestiegen. Es liegt nun allerdings nicht mehr in privater Hand, sondern bei den Notenbanken. Sollte die Eurozone auseinanderbrechen, dann steht am Ende der Kette der Staat und damit der Steuerzahler. Mehr oder minder heimlich wurden so Milliardenrisiken in den Bankbilanzen an die öffentliche Hand ausgelagert.
Eine Lösung des Problems gibt es in der derzeitigen Aufstellung der Eurozone nicht. Man kann GIIPS Banken ja nicht verbieten sich über die EZB zu refinanzieren. Die EZB kann der Refinanzierung Grenzen setzen. Momentan können sich Banken so viel Geld bei der EZB besorgen wie sie wollen, sofern sie ausreichend Sicherheiten haben, die sie hinterlegen können.

Das alles wäre nicht notwendig, wenn die Leistungsbilanzen ausgeglichen wären. Eine ausgeglichene Leistungsbilanz kann man nicht per Gesetz diktieren. Die Eurozone könnte jedoch Mechanismen einführen, um zu verhindern, dass die Bilanz aus dem Ruder läuft.

In jedem Land mit eigener Währung kann die Bilanz nicht ewig ein riesiges Defizit ausweisen. Wird das Defizit zu groß, dann gibt es eine Anpassung, weil die Kapitalströme zusammenbrechen. Das geschah z.B. während der Asienkrise. Es kam zu einer Schocktherapie. In der Eurozone gibt es keine natürliche Unterbrechung der Geldströme, weil private Geldströme einfach durch die Zentralbank ersetzt werden können.

Man kann Eurostaaten sicherlich nicht alles diktieren. Was man aber durchaus machen kann, das ist die Festlegung gewisser Kriterien, ähnlich den Maastricht Kriterien. Bei Maastricht geht es vor allem um Schulden. Wieso aber sollte es nicht auch Kriterien für das Ausmaß von Leistungsbilanzdefiziten geben? Werden die Kriterien gerissen, dann müssen Anpassungen erfolgen. Zugegeben, auch Maastricht hat nicht wirklich gut funktioniert. Eine Festlegung und Durchsetzung von bestimmten Defizitgrenzen ist jedoch die einzige Möglichkeit das Problem in den Griff zu bekommen.

Solche Kriterien würden nicht nur die GIIPS Ländern betreffen. Auch Deutschland wäre betroffen. Des einen Defizit ist des anderen Überschuss. Der Überschuss liegt vor allem in Deutschland. Dieser müsste abgebaut werden. Solange das nicht geschieht, werden die Risiken weiter steigen und letztlich beim Steuerzahler abgeladen.

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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