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18:32 Uhr, 11.07.2002

Die Märkte im Bann der Bilanzen

In einer Rede am Montag abend forderte Präsident George W. Bush den US-Senat auf, schnell Gesetzesänderungen zu genehmigen, um in Zukunft den Missbrauch von Bilanzen zu verhindern. Jene, die Bilanzen fälschen, würden von der Regierung "entschieden verfolgt" werden.

Präsident Bush wird am heutigen Abend eine Rede an der Wall Street halten und einen Punkteplan erläutern, mit dem "Missbrauch bestraft, das Vertrauen der Investoren wiederhergestellt und die Rente der amerikanischen Arbeiter gesichert" werden soll.

Die Demokraten teilten mit, dass die Opposition bisher gegen einschneidende Gesetzesänderungen stimmte. Bush verteidigte darüber hinaus Harvey Pitt, den Chairman der US-Börsenaufsicht, gegen die Anschuldigung, er habe hinsichtlich der Durchsetzung von Reformen zu wenig getan. Der Chef der SEC habe "gute Arbeit" geleistet.


Die Wall Street zeigte sich von der Rede des US-Präsidenten wenig beeindruckt. Die Hauptindizes notieren zuletzt unverändert zum Vortag und führten auch nach der Rede ihre volatile Seitwärtsbewegung fort.

George W. Bush schlug höhere Strafen für jene vor, die Bilanzen absichtlich manipulieren und ihre Macht ausspielen, um gesetzeswidrig eigene Vorteile herauszuschlagen. Es sei mehr nötig als nur eine Rede, um das gebrochene Vertrauen wieder zurück zu bringen, meinen Analysten.

"Ich denke Taten sind gewichtiger als Worte. Wenn jemand ins Gefängnis muss, werden wohl die ersten damit beginnen, Corporate Amerika ein wenig ernster zu nehmen," erklärt Jack Francis, Verwaltungsdirektor der Nasdaq Trading Abteilung bei der UBS Warburg.

Bush forderte in seiner Rede längere Haftstrafen für korrupte Unternehmensleiter, größere Macht für die US-Börsenaufsicht SEC und die Aufstellung eines Komitees, dass sich explizit mit dem Thema beschäftigt.

Die Rede folgt Skandalen bei Enron und WorldCom, zwei großen Unternehmen, die Summen in Milliardenhöhe falsch verbuchten, um das Bilanzergebnis zu verbessern. Das Vertrauen der Investoren, das durch den Konjunkturabschwung bereits stark angeschlagen war, hat damit einen weiteren Dämpfer erhalten. Die unaufhaltsamen Kursrückgänge an den Börsen werden nicht unerheblich von dieser Tatsache ausgelöst, meinen Analysten.

Auf die Rede des US-Präsidenten gab es vielerorts Kritiken, aber auch Lobeshymnen.

Sandy Weill, Citigroup Chairman, hielt Bush´s Rede für "sehr gut." "Er hat die Probleme erkannt und ist hergekommen. Er hat über die Fakten gesprochen." Weill zeigte sich nach der Rede nicht mehr wie ursprünglich besorgt darüber, dass durch die neuen Vorschriften eine Überregulation der Finanzindustrie herrschen könnte.

Der New York State Attorney General Eliot Spitzer bezeichnete die Rede als "unzureichend." Es wäre "nichts mit Substanz" in der Rede gewesen. Bush hätte sich zu sehr hinter dem Reformvorschlag des Republikaners Michael Oxley versteckt, so Spitzer.


Der CEO von Goldman Sachs teilte mit, die Vorschläge von US-Präsident George W. Bush zu unterstützen und hieß sie Willkommen.

Henry Paulson Jr. teilte Lou Dobbs während eines Interview auf Cable News Network (CNN) mit, dass Bush den "richtigen moralischen Ton" anschlug, als er Unternehmenslenker zu dem Befolgen von höchsten Integritätsstandards aufforderte.

"Ich denke, er hat das richtig gemacht," sagt Paulson. "Er hat es auch sehr, sehr deutlich gemacht, dass er etwas bewegen will und dass er gewillt ist, Missbrauch zu verhindern und Missetäter zu bestrafen."


Wack Simonis, der CEO der Computerbörse Nasdaq, nannte die Ankündigung von US-Präsident Bush, härtere Strafen für betrügerische Manager und eine verschärfte staatliche Aufsicht einzurichten, als "hart, aber nötig", um den Bilanzfälschern das Handwerk zu legen. Nur so könne das Vertrauen der Anleger in den Kapitalmarkt nachhaltig gefestigt werden.
"Meine Regierung wird alles in ihrer Macht Stehende tun, um die Tage zu beenden, in denen die Bücher gefälscht, die Wahrheit verdunkelt und die Gesetze gebrochen wurden", hatte Bush zuvor versprochen.


Arthur Levitt, der frühere Chairman der US-Börsenaufsichtsbehörde SEC, unterstützt den jetzigen Chef der Behörde. Er "ist fleißig, intelligent und völlig qualifiziert um den Job als Chairman der SEC auszutragen."

In einem Interview auf dem US-Sender NBC sagte Levitt: "Ich denke Harvey Pitt ist einer der erfahrendsten Richter der Aktienmärkte in der Geschichte dieses Landes."

Levitt´s Meinung zufolge würden die Vorschläge des US-Präsidenten aus der gestrigen Rede nicht weit genug reichen. Die Erhöhung des Budgets für die SEC in Höhe von 100 Millionen Dollar sei "bei weitem nicht ausreichend."

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