Kommentar
16:20 Uhr, 18.10.2004

Die Konjunktur überwindet die Delle

An den Finanzmärkten hat sich die Stimmung ein wenig verbessert; die Aktienmärkte legten zu und liegen nun für das laufende Jahr leicht vor den Anleihen. In Großbritannien erreichte der FT All Share Index ein Zweijahreshoch. Die jüngste Äußerung des IWF, dass die Weltwirtschaft ihr stärkstes Wachstum seit einer Generation erlebe, trug dazu bei; wichtiger ist jedoch die wachsende Erkenntnis, dass sich die Aktivität in den USA gefestigt hat und die Konjunktur das im Frühjahr / Sommer erlebte "soft patch" (Delle) überwinden könnte.

Das Beschäftigungswachstum bleibt allerdings bescheiden. Der US-Arbeitsmarktbericht vom September ergab erneut ein Ergebnis unter den Erwartungen. Die Beschäftigung nahm im Monatsverlauf nur um 96.000 Stellen zu und blieb damit deutlich unter dem Wert, der erforderlich ist, um auch nur mit dem Bevölkerungswachstum Schritt zu halten. Dennoch wird erwartet, dass die Konsensus-Prognose von 4% Wachstum für das dritte Quartal in den USA vor allem auf einer Erholung der Konsumausgaben beruhen wird.

Gewiss verharrt die Aktivität auf hohem Niveau, und neben der Verbesserung in den USA werden die Aussichten für das globale Wachstum von der anhaltend starken Entwicklung in Asien getrieben. Die Befürchtungen einer harten Landung in China ließen nach und in Japan profitierte das Vertrauen in die Konjunkturerholung von der jüngsten Tankan-Umfrage, die einen kontinuierlichen Anstieg des Geschäftsklimas ergab.

In Europa ergibt sich ein weniger einheitliches Bild: Die Eurozone verzeichnete im August schwache Einzelhandelsumsätze, aber das Geschäftsklima und bestimmte Indikatoren, u.a. die BNB-Umfrage, gaben nicht nach. Die EZB hat ihre Wachstumsprognose für dieses Jahr leicht auf 2,3% heraufgesetzt. In Großbritannien kletterten die Preise für Wohnimmobilien im September (laut dem Financial Times House Price Index um 1,5%) trotz der allgemeinen Hysterie wegen einer angeblichen Abschwächung am Immobilienmarkt, und die Einzelhandelsumsätze behaupteten sich ebenfalls. Dagegen hielt die Schwäche des Industriesektors an - er verzeichnete drei nachgebende Monate in Folge.

Wäre mehr Optimismus angebracht?

Somit stellt sich die Frage, ob wir die Aussichten für das globale Wachstum nicht zu düster sehen. Wird die Weltwirtschaft unbeeindruckt über das Auslaufen der Konsumanreize hinweggehen und auch im Jahr 2005 kräftig wachsen?

Kurzfristig dürfte sich kaum ein klareres Bild ergeben. Das US-Wachstum dürfte robust bleiben, da sich die Unternehmen beeilen, ihre Investitionsausgaben zu steigern, um die zum Jahresende auslaufenden Steuervergünstigungen zu nutzen. Es könnte sich auch ein ungewöhnliches Muster auf der Konsumentenseite ergeben, da die Einzelhandelsumsätze durch die Hurrikane im letzten Monat erst unter Druck gerieten und dann davon profitierten.

Wir gehen allerdings davon aus, dass das Trendwachstum in den USA und in der Weltwirtschaft eher moderat verlaufen wird. Dafür gibt es drei wesentliche Gründe.

Erstens haben sich die Frühindikatoren abgeschwächt. Obwohl die Umfragen weiterhin günstig ausfallen, liegen alle wichtigen Indizes nun unter ihren Höchstständen. Die Umfragen dieser Woche zum Einkaufsmanager-Index (Purchasing Manager Index PMI) verzeichneten weltweit einen Rückgang. Obwohl sie noch immer eine expandierende Wirtschaftstätigkeit ausweisen, liegt das starke Wachstum hinter uns. Die Einzelkomponenten sind beunruhigend. Sie ergeben einen deutlich geringeren Auftragseingang (v.a. exportbedingt), eine stabile Produktion, einen moderaten Anstieg des Beschäftigungsindex und nach wie vor einen starken Kostendruck.

Zweitens würden wir die Verbesserung der US-Aktivität weitgehend als Reaktion auf die Angebotsseite und nicht als Reaktion auf die Nachfrageseite werten. Auf die sinkende Nachfrage im zweiten Quartal dieses Jahres reagierten die Unternehmen mit der Wiedereinführung von Rabatten und Preissenkungen. Dies zeigte sich in den Inflationszahlen, die sich in den letzten Monaten erheblich abgeschwächt haben. Als Folge nahm der Anstieg der Konsumausgaben von weniger als 2% im 2. Quartal auf 4% im 3. Quartal zu. Die Autoverkäufe geben ein gutes Beispiel dafür ab - sie haben sich im September deutlich erholt.

Dies ist entscheidend - es bedeutet, dass stärkeres Wachstum und geringere Inflation gemeinsam auftreten, d.h. die Unternehmen können mehr Umsatz nur durch niedrigere Preise generieren. Wir befinden uns nicht in einem Umfeld starker Preismacht oder zunehmender Inflation und erwarten dies auch nicht für 2005. Mit anderen Worten: es gibt kein Umsatzwachstum. Drittens führt diese Entwicklung bei den Unternehmen zu steigenden Kosten. Die weltweit höheren Ölpreise (an der NYMEX in dieser Woche über USD 52) und die in den USA steigenden Lohnstückkosten treiben die Gesamtkosten der Unternehmen in die Höhe. Folglich wird sich auch 2005 als ein schwieriges Jahr für die Unternehmen erweisen; ihre Margen werden unter Druck geraten. Europa ist derzeit besser platziert. Es war durch den starken Euro und das starke Englische Pfund vor dem Anstieg des Ölpreises teilweise geschützt, aber dieser Effekt wird 2005 nachlassen, es sei denn, die beiden Währungen werten gegenüber dem US-Dollar noch weiter auf.

Dies ist kein Unglück; die Gewinnspannen nahmen zu und die Cashflows sind kräftig. Die Rückkehr zu Finanzüberschüssen bedeutet, dass die Unternehmensseite durch eine Konjunkturabschwächung nicht so verwundbar ist wie vorher. Ende der 90-er Jahre war die Finanzlage der Unternehmen so angespannt, dass sie - wenn erst einmal der Kapitalzufluss über den Aktienmarkt versiegt war - kaum eine andere Wahl hatten, als die Ausgaben kräftig zu kürzen. So kam es zur Rezession.

Dennoch wird so deutlich erkennbar, wie verwundbar die Konjunktur auf einen Umschwung der "animalischen Instinkte" reagiert. Sollten sich Unternehmen stärker zurückhalten, werden sie Investitionen und Neueinstellungen hinausschieben und so die Konjunktur schwächen. Dies ist ein sich selbst erfüllender Vorgang und zeigt die Wichtigkeit der Unternehmensausgaben als Triebkraft der Aktivität in einer Schwächeperiode des Konsums.

Vor diesem Hintergrund bleiben wir in Bezug auf die Aussichten zurückhaltend und haben unsere Prognosen nicht angepasst. Nach unserer Auffassung sind die beiden Themen Preismacht und Unternehmensausgaben für die Aktienmärkte nach wie vor entscheidend.

Auf die Stimmung kommt es an

Trotz allem liefert die Volkswirtschaft nicht alle Antworten auf Marktveränderungen; die Finanzmärkte sind bei weitem volatiler als die unterliegenden Fundamentaldaten. Eine Erklärung liegt darin, dass die Vielzahl an enttäuschenden Konjunkturnachrichten, die im Sommer über den Markt hereinbrach, die Aktien aus der Bahn warf. Seitdem passen die Volkswirte ihre Erwartungen an und die Anleger positionieren sich für noch schwächere Ergebnisse. Die jüngsten Konjunkturnachrichten überraschten positiv und stützten die Aktien. Diese Entwicklung dürfte sich fortsetzen. Beim Übergang ins Jahr 2005 wird das Problem für Aktien(gesellschaften) darin liegen, in einem Umfeld mit steigenden Kosten und geringer Preismacht nachhaltige Erträge zu erzielen.

Quelle: Schroders

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