Die haushaltspolitische Disziplin hat in einigen europäischen Ländern merklich nachgelassen
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In den 90er Jahren sah vieles so gut aus: Europa staunte, als 1997, im Referenzjahr der Maastrichter Kriterien, die Budgetdefizite der meisten EU-Länder nach Jahren erstmals auf Tiefststand waren. Der Stabilitäts- und Wachstumspakt sollte diese günstige Entwicklung langfristig für die gesamte EU festschreiben – für viele ein Hoffnungsschimmer. Heute, knapp acht Jahre nach Inkrafttreten des Paktes, ist dieser Optimismus erschüttert. Die haushaltspolitische Disziplin hat in einigen europäischen Ländern merklich nachgelassen. Zwar lässt das hohe Wachstum die Steuerquellen sprudeln - doch im Falle eines Abschwungs können Staatseinnahmen schnell klamm werden.
Frankreich kommt auch nach dem Regierungswechsel fiskalpolitisch nicht auf Kurs: Zwischen Wahlversprechen und innenpolitischen Querelen wird die Reduktion des Defizits immer bescheidener. Sarkozys Pläne zur Straffung des öffentlichen Dienstes sind verwässert, die Streichung von Verwaltungsstellen fällt um 12.000 Einheiten geringer aus. Stattdessen gibt es Steuergeschenke in zweistelliger Milliardenhöhe. Ein ausgeglichener Haushalt soll nun erst 2012 präsentiert werden und nicht, wie ursprünglich geplant, zwei Jahre früher.
Die Situation in Italien ist noch dramatischer: Hier wurden die vielversprechenden Rentenreformen des Jahres 2004 größtenteils wieder kassiert. Das Renteneintrittsalter wird dann bei 58 Jahren liegen – bei einem Rentenniveau von 70 Prozent des letzten Gehalts. Dies wird den italienischen Staatshaushalt mit über 10 Milliarden Euro pro Jahr zusätzlich belasten.
Stabilitätskultur hatte in Frankreich und Italien schon immer einen schweren Stand. Doch auch dort, wo bisher gute Tendenzen erkennbar waren, lassen die Bemühungen zu ausgeglichenen Haushalten nach. So neigt Großbritannien, kaum dem Brüsseler Defizitverfahren entkommen, im laufenden Haushaltsjahr schon wieder zu nachlässiger Haushaltspolitik. Der Abbau des strukturellen Defizits stockt.
Vielen Ländern drohen wegen der Alterung steigende Ausgaben bei Alters- und Krankenversorgung. Reformen auf der Ausgabenseite wurden jedoch leichtfertig auf die lange Bank geschoben.
Was nützt eine europäische Stabilitätskultur, wenn sie nicht Leitkultur ist? Sie zu wahren, zu fördern und zu verteidigen ist Grundvoraussetzung für weiteres Wachstum in Europa. Dabei darf es keine Denkverbote geben. Wir brauchen bessere Sparanreize durch Systemwettbewerb und schärfere Sanktionen. Nicht die Ziele des Stabilitäts- und Wachstumspaktes sollten hinterfragt werden, sondern der Weg dort hin. Der ersten Reform des Pakts, die ihn bereits flexibler auf wirtschaftliche Entwicklungen reagieren lässt, sollten weitere folgen: Erst, wenn übermäßige Defizite nicht nur wirksam sanktioniert, sondern – besser noch - gar nicht entstehen, wird Europa haushaltspolitisch langfristig wieder besser dastehen als heute.
Autor: Prof. Dr. Norbert Walter
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