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10:05 Uhr, 26.09.2002

Die größten Banken der Welt: Im Rückwärtsgang

Originalartikel aus der Zeitschrift : Die Bank

Weltweit befindet sich die Kreditwirtschaft in schwerem Fahrwasser, die Ertragskraft der Banken hat erheblich nachgelassen. Der Rückblick auf das Jahr 2001 ist ernüchternd und eine durchgreifende Erholung noch nicht in Sicht. Verlässliche Anzeichen für eine Kehrtwende lassen auf sich warten. Wie wirkt sich dieses Umfeld auf die 1.000 führenden Banken der Welt aus? Wie entwickeln sich die Bankenmärkte in den verschiedenen Regionen der Welt, und wie schneiden deutsche Banken im globalen Vergleich ab? Ein Bericht über die jährliche Analyse der »Top 1.000 World Banks« des britischen Fachmagazins »The Banker«.

Um fast 30 Prozent sind die Gewinne der 1.000 führenden Banken der Welt im Geschäftsjahr 2001 eingebrochen und erreichen nur noch 223 Mrd. USD. In 1999 und 2000 hatten sie noch jeweils deutlich über der Marke von 300 Mrd. USD gelegen. Auch wenn der aggregierte Gewinn der Top 1.000 damit im abgelaufenen Geschäftsjahr nicht auf das absolute Niveau von 1998 zurückgefallen ist, so ist der Einbruch nicht nur der stärkste seit zehn Jahren, sondern auch erheblich größer als der Rückgang im Jahr 1998. Das heißt: Der gegenwärtige wirtschaftliche Abschwung trifft die Branche weltweit doppelt so hart wie die Asienkrise vor vier Jahren.

Ein erheblicher Teil der Ertragseinbrüche bei den führenden Banken der Welt geht auf die Verluste großer japanischer Banken zurück. Die vier japanischen Bankkonzerne unter den Top 25 der Welt allein kommen auf Verluste von 32,0 Mrd. USD, und vor allem der dramatische Anstieg der notleidenden Kredite bei diesen vier Häusern hat die Märkte aufge­schreckt. Die zehn Banken mit den größten Verlusten unter den Top 1.000 der Welt sind sämtlich japanische Institute, ange­führt von UFJ Holding mit einem Minus von 13,2 Mrd. USD und Mizuho Financial (11,5 Mrd. USD). Auch die Liste der zehn Banken mit der schlechtesten Kapitalertragsquote wird von japanischen Häusern dominiert. Eine Besserung der Lage ist nicht in Sicht, und längst ist die Krise der heimischen Kreditwirtschaft in Japan ein beherrschendes politisches Thema.

Vor fünf Jahren konnten sich, gemessen am Kernkapital (Tier One ­Capital in der Definition der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich), noch sieben japanische Häuser unter den Top 25 platzieren. Heute sind es nur noch vier, doch diese Konzerne Mizuho Financial, Sumitomo Mitsui Banking, Mitsubishi Tokyo Financial und UFJ Holding liegen auch im Feld der Top 10 . Das deutet auf den starken Konzentrations- und Konsolidierungsprozess in Japan hin.

Zwei US-Banken führen die Top 1.000 an

Im vierten Jahr in Folge steht die Citigroup an der Spitze der Top 1.000. Ihr Kernkapital hat sich gegenüber dem Vorjahr um 7,2 Prozent auf 58,4 Mrd. USD erhöht. Mit einem um 39 Prozent höheren Kernkapital als die nächst­platzierte, die Bank of America, behauptet sich die Citigroup mit großem Abstand als die größte Bank der Welt. Alle anderen Banken im Feld der Top 25 liegen sehr viel dichter beieinander. Auf jeden der 282.461 Beschäftigten der Citigroup entfällt ein Pro-Kopf-Gewinn vor Steuern von 77.520 USD. Seinen Jahresgewinn von 21,9 Mrd. USD konnte das kapitalstärkste Institut der Welt gegenüber dem Vorjahr um 3,6 Prozent steigern.

Das aggregierte Kernkapital der Top 25 beläuft sich auf 628 Mrd. USD oder 34 Prozent der Top 1.000. Dieser Anteil lag in der Statistik 2000 (für das Geschäftsjahr 1999) bei 30 und in der Statistik 2001 (für 2000) bei 33 Prozent. Auch dies ist ein Beleg für die fortschreitenden Konzentra­tionstendenzen der Branche. Die drei größten Zusammenschlüsse der vergangenen drei Jahre sind die Übernahme von Schroders und Banamex durch die Citigroup, die Fusion der Dai-Ichi Kangyo Bank, der Fuji Bank und der Industrial Bank of Japan zur Mizuho Financial Group sowie der Zusammenschluss von Chase Manhattan, JP Morgan und Robert Fleming zu JP Morgan Chase & Co.

Insgesamt stellen die USA mit sechs Banken die größte nationale Gruppe unter den Top 25, gefolgt von Japan und Großbritannien mit jeweils vier, China mit drei sowie Frankreich, Deutschland und den Niederlanden mit jeweils zwei Häusern. Mit UBS und Santander Central Hispano sind auch die Schweiz und Spanien mit jeweils einem Institut unter den Top 25 vertreten. Mit einem Kernkapital von 21,9 Mrd. USD kommt die Deutsche Bank auf Platz zwölf und die Hypo­Vereinsbank mit 19,2 Mrd. USD auf Platz 16.

Wirft man einen Blick auf die Ertragsentwicklung der 25 größten Institute, dann liegt der Schluss nahe: Je größer eine Bank, desto höher ist ihr Risiko, Gewinneinbußen hinnehmen zu müssen. Denn die aggregierten Gewinne vor Steuern der Top 25 haben sich im Vergleich zum Vorjahr von 118 Mrd. USD auf 64 Mrd. USD nahezu halbiert, während sie im Durchschnitt der Top 1.000 um ein knappes Drittel gefallen sind. Anders ausgedrückt: Entfielen im Vorjahr noch 37 Prozent der Gewinne der Top 1.000 auf die Top 25, so sind es aktuell nur noch 29 Prozent. Bei der Interpretation dieser Daten sollte man allerdings im Auge behalten, dass die Gewinneinbußen der vier größten ja­panischen Häuser von insgesamt 32 Mrd. USD bei der Betrachtung der Top 25 sehr stark ins Gewicht ­fallen.

Ranking nach Bilanzsumme

Gruppiert man die Banken nicht nach ihrem Kernkapital, sondern nach der Summe ihrer Aktiva, dann steht die Mizuho Financial Group mit einer Bilanzsumme von 1.178 Mrd. USD wie im Vorjahr an der Spitze, gefolgt von der Citigroup, die stark aufholt und ihr Vermögen um 17 Prozent auf 1.051 Mrd. USD steigern konnte. Die Deutsche Bank ist in dieser Betrachtung die viertgrößte Bank der Welt mit einer Bilanzsumme von 809 Mrd. USD . Auch die anderen drei deutschen Großbanken schaffen den Sprung unter die 25 vermögensstärksten Kreditinstitute der Welt.

Im Hinblick auf die Marktkapitalisierung dominieren US-amerikanische und britische Banken die Top 10 der Branche. Per 14. Juni 2002 kam die Citigroup auf einen Börsenwert von 207 Mrd. USD und distanzierte damit trotz eines Rückgangs um fast ein Fünftel gegenüber dem Vorjahr alle anderen Banken deutlich. Platz zwei erreichte die Bank of America mit 109 Mrd. USD. Viele der hochplatzierten Häuser mussten bei der Marktkapitalisierung Einbußen um rund 10 Prozent hinnehmen. Am stärksten traf es Credit Suisse und Fleet Boston Financial mit einem Minus von 26 bzw. 17 Prozent, während es die Royal Bank of Scotland dank eines um 23 Prozent gestiegenen Börsenwertes auf Rang fünf der Gesamtliste schaffte.

Im Feld der Top 1.000 jetzt wiederum im Hinblick auf das Kernkapital gab es auch darüber hinaus einige Bewegung: 79 Banken sind neu in ­dieser Gruppe, darunter allein sieben russische Institute. 41 Banken bewegten sich gegenüber dem Vorjahr um 100 Plätze oder mehr, allen voran die Iran's Bank of Industry and Mine: Sie preschte von Rang 800 auf 304 vor. Drei deutsche Sparkassen die Sparkasse Mainfranken Würzburg (jetzt Rang 656), die Stadtsparkasse Mön­chengladbach (jetzt 786) und die Kreissparkasse München Starnberg (jetzt 784) sowie die Berliner Volksbank (jetzt 498) sind auf der Liste der Top 1.000 ebenfalls um jeweils mehr als 100 Plätze nach vorn gerückt.

Richtet man den Blick auf Westeuropa, dann kommen hier sechs der 25 kapitalstärksten Banken aus Großbritannien, fünf aus Frankreich und vier aus Deutschland. An der Spitze steht die britische HSBC Holdings, gefolgt von der französischen Crédit Agricole Groupe und der Deutschen Bank auf Rang drei. HypoVereinsbank, Commerzbank und Dresdner Bank belegen die Plätze sechs, 21 und 23.

Bedingt durch einen starken Rückgang des Kernkapitals verschlechterte sich die schweizerische UBS Group von Platz neun auf Platz 18. Mit der Nordea Group auf Platz 25 ist erstmals eine schwedische Bank unter den europäischen Top 25 vertreten. Sie geht hervor aus der Fusion von MeritaNordbanken, Unidanmark und der norwegischen Christiana. Nicht mehr unter den 25 führenden Banken in Europa befindet sich die Westdeutsche Landesbank.

Westeuropa: Kostensenkung

Anders als in Japan ist das Geschehen auf dem europäischen Bankenmarkt weniger von Zusammenschlüssen beherrscht als vielmehr von einer Strategie der Kostensenkung. Dabei erweist sich Europa insgesamt gegenüber den USA als der bedeutendere Bankenmarkt: 275 Banken aus dem Feld der Top 1.000 haben ihren Sitz in Europa, 211 in den USA, 121 in Japan und 151 im restlichen Asien. Hinzu kommt: 44 Prozent der aggregierten Bilanzsumme der Top 1.000, 36 Prozent des Kernkapitals und 49 Prozent der Gewinne vor Steuern werden in der Europäischen Union erwirtschaftet . Und der Bankenplatz Deutschland hat hieran einen großen Anteil: Immerhin 84 der 275 europäischen Banken unter den Top 1.000 sind in Deutschland beheimatet, aber nur 45 in Spanien, 43 in Italien, 36 in Großbritannien, 14 in Frankreich und 7 in Luxemburg.

Nicht mithalten können die deutschen und kontinentaleuropäischen Institute allerdings, wenn es um die durchschnittliche Ertragsstärke pro Institut geht: Während die Gewinn-Kapital-Quote vor Steuern im Jahr 2001 in den USA bei 20,1, in Kanada bei 17,9 und in Großbritannien bei 18,2 Prozent lag, mussten sich deutsche Banken hier mit 11,3 Prozent zufrieden geben. Frankreich kommt immerhin auf 16,8, Italien auf 15,2 und Spanien auf 17,3 Prozent. Im Jahr 2000 hatten britische Banken noch eine erstaunliche Gewinn-Kapital-Quote von 26,1 Prozent erreicht.

Vor diesem Hintergrund kann es nicht überraschen, dass die deutschen Banken im Hinblick auf die Kostenstruktur vergleichsweise schlecht abschneiden. Mit 64,6 Prozent liegt die durchschnittliche Cost Income Ratio aller deutschen Institute unter den 1.000 führenden Banken der Welt höher als in Asien (59,0), den USA (60,4), Frankreich (62,0), der Europäischen Union (62,7) und Großbritannien (62,9). Japan, Italien und Belgien kommen auf noch ungünstigere Werte als Deutschland.

Während vor allem einige große nordamerikanische Banken unter der Schwäche der globalen Konjunktur gelitten haben, hat der US-Markt sich insgesamt als ziemlich robust erwiesen, denn die durchschnittliche Profitabilität aller amerikanischen Institute ist in 2001 im Vergleich zum Vorjahr kaum gesunken. Als besonders ertragsstark haben sich russische Banken im vergangenen Jahr erwiesen. Abgesehen von Russland und der Ukraine, wird der Bankenmarkt in Mittel- und Osteuropa allerdings von ausländischen Instituten bestimmt heimische Banken spielen nur eine untergeordnete Rolle. In ­Polen, der Tschechischen Republik und Ungarn halten Auslandsbanken Marktanteile von rund zwei Dritteln. Das kernkapitalstärkste Institut in Mittel- und Osteuropa, die russische Vneshtorgbank-Bank for Foreign Trade, landet gerade einmal auf Platz 174 der Top 1.000.

Asien: Marktkonzentration

In Asien fällt die sehr starke Marktkonzentration auf: Die vier staatlichen Banken in China die Industrial and Commercial Bank of China, die Bank of China, die Agricultural Bank of China und die China Construction Bank führen die Liste der 25 kernkapitalstärksten asiatischen Institute außerhalb Japans mit großem Abstand an. Auch die drei größten Institute in Singapur die United Overseas Bank, die DBS Bank und die Oversea-Chinese Banking Corporation sind durch Übernahmen im vergangenen Jahr gewachsen.

In China verfolgen viele Banken gegenwärtig die Strategie, stärker als bisher im Privatkundengeschäft aktiv zu werden. Doch noch tun sich zumindest die vier chinesischen Großbanken schwer: In ihrem Kreditportfolio entfällt weniger als ein Zehntel auf das Konsumentenkreditgeschäft und das, obwohl die inländische Kreditnachfrage in China seit Beginn der neunziger Jahre mit einem Zuwachs um 535 Prozent geradezu explodiert ist.

Der koreanische Bankenmarkt steht nach der Asienkrise im Zeichen der Erholung. Lag die durchschnittliche vorsteuerliche Gewinn-Kapital-Quote aller koreanischer Banken in den Top 1.000 im Jahr 2000 noch bei 2,7 Prozent, so wurde im vergangenen Jahr ein beachtliches Plus von 18,3 Prozent erzielt. Die größte koreanische Bank ist die Kookmin Bank, nachdem sie im November 2001 die Korea Housing and Commercial Bank übernommen hat. Sie ist die siebt­größte asiatische Bank und steht auf Platz 68 des weltweiten Rankings.

Südamerika: Trübe Aussichten

Nach der Wirtschafts- und Finanzkrise in Argentinien dürfte sich an der Positionierung südamerikanischer Banken in der Liste der Top 1.000 im kommenden Jahr einiges verändern. Das aktuelle Ranking basiert allerdings noch auf den Zahlen per Ende 2001, so dass sich der ­Zusammenbruch des argentinischen Währungsregimes im Januar dieses Jahres noch nicht niedergeschlagen hat. Demnach behaupten sich drei argentinische Banken die Banco de la Nación Argentina, die Banco de la Provincia de Buenos Aires und die Banco de Galicia y Buenos Aires auf den Plätzen fünf bis sieben der Top 25 in Lateinamerika. Vier brasilianische Banken, an der Spitze die Banco Itaú, führen das Feld an, während die mexikanische Banamex, die ursprünglich größte nicht-brasilianische Bank in Lateinamerika, nicht mehr vertreten ist, nachdem sie von der Citigroup übernommen worden ist.

Im Mittleren Osten zeigen sich die Bankenmärkte unbeeindruckt von der politischen Instabilität der Region. Dies gilt für die Ertragskraft der Institute, aber auch für die Marktstruktur. So spielen Fusionen oder Übernahmen kaum eine Rolle. Zwei israelische Banken, die Bank Hapoalim und die Bank Leumi le-Israel, markieren die beiden Spitzenpositionen der 25 kapitalstärksten Banken im Mittleren Osten. Saudi-Arabien stellt mit sieben Banken den größten Anteil dieser Gruppe, und erstmals sind drei iranische Banken vertreten. Die größte unter ihnen, die Bank Melli Iran, steht mit einem Kernkapital von 1,3 Mrd. USD auf Platz 232 des weltweiten Rankings.

Der globale Bankenmarkt hat den weltweiten Einbruch der Konjunktur, die schmerzhafte Ernüchterung nach all den Hoffnungen, die unter dem Stichwort einer »New Economy« geweckt worden waren, und die anhaltend schlechte wirtschaftliche Lage in den USA und Japan deutlich zu spüren bekommen. Die Aussichten auf eine Aufhellung der Perspektiven sind noch immer vage zu lange schon dauert das Warten auf den Aufschwung und zu schwach sind die Indizien für einen Turnaround.

Sorgenvoll müssen vor allem die japanischen Banken in die Zukunft blicken, und in den amerikanischen Instituten wird man, trotz der gegenwärtigen Stabilität der US-Kreditwirtschaft, die konjunkturelle Schwäche der heimischen Wirtschaft mit besonderer Skepsis betrachten. Doch die Globalisierung der Finanzmärkte hat längst dazu geführt, dass die Sorgenfalten in Europa nicht minder tief sind. Hierzulande kommen die ungelösten Strukturprobleme der deutschen Wirtschaft als weiteres Menetekel hinzu.

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