Kommentar
19:00 Uhr, 11.07.2011

Die EZB sucht professionelle Hilfe!

Die europäische Währungsunion entwickelt sich immer mehr zu einer Farce. Nicht nur werden die wichtigsten Prinzipien aus dem Stabilitäts- und Wachstumspakt einfach fallengelassen. Es wird auch mehr oder weniger offen gegen geltendes Recht verstoßen, wie z.B. beim so genannten „Bailout-Verbot“.

Neuer trauriger Höhepunkt ist die Forderung der EZB, den „Rettungsschirm“ auf 1,5 Bio. EUR zu verdoppeln. Hier wird mit Geld herum geworfen als sei es Konfetti, so langsam kann das keiner mehr ernst nehmen! Akuter Grund für den beängstigenden Wunsch der Zentralbank ist die nicht unbegründete Befürchtung, dass auch Italien in den Strudel der schwelenden Staatsschuldenkrise gezogen wird. Ich teile diese Sorge schon länger.

Wie groß die Verzweiflung im EZB-Tower sein muss zeigt auch, dass sich die EZB angeblich „professionelle Hilfe“ suchen will, wie das Handelsblatt berichtet. Gemeint ist nicht ein Psychologe für Jean-Claude Trichet; nein, der alleine in Frankfurt 1100 Mitarbeiter starke Koloss will sich angeblich ernsthaft von außen „Handlungsmöglichkeiten aufzeigen lassen, wie die Zentralbank bei einer Staatspleite im Währungsraum reagieren soll“. Ich finde es geradezu lächerlich, dass die EZB, die Mutter aller Banken und ihr Retter in der Finanzkrise, sich nun von einem Geldinstitut beraten lassen will. Wenn Daimler Probleme hat, holen sich die Schwaben ja auch keine Berater von Opel ins Haus.

Notenbank und Politik sind gerade dabei, den letzten Rest Vertrauen der Menschen zu verspielen. Vertrauen ist in einem Fiat-Money-System aber der einzig stützende Pfeiler. Hören Sie sich im Bekanntenkreis um, setzt noch irgendjemand auf die Stabilität des Finanzsystems? Nicht umsonst flüchten so viele in Sachwerte - sie haben Recht! Für diese Politik gibt es keinerlei Legitimation mehr in der Bevölkerung, selbstverständlich nicht bei den Geber-Ländern, aber auch nicht bei den Nehmer-Ländern.

Eine weitere Aufblähung des „Rettungsschirms“ wird zu einer potenziellen Belastung, die sogar die Möglichkeiten der noch stabilen Bundesrepublik Deutschland übersteigt. Wir müssen uns auch ernsthaft fragen ob es für uns überhaupt noch Sinn macht, einigermaßen solide zu wirtschaften und die Verschuldung im Rahmen zu halten, wenn wir dann am Ende de facto für die Fehler der anderen Länder haften müssen. Auch wenn es natürlich letztlich um die Rettung der eigenen Banken und Versicherungen geht, so geht es nicht weiter.

Ich habe schon mehrfach meine Meinung kundgetan, dass einige Staaten die Euro-Zone besser verlassen sollten. Es stellt sich mehr und mehr die Frage, ob nicht sogar Deutschland den ersten Schritt tun sollte.

Ihr

Daniel Kühn

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Über den Experten

Daniel Kühn
Daniel Kühn
Freier Finanzjournalist

Daniel Kühn ist seit 1996 aktiver Trader und Investor. Nach dem BWL-Studium entschied sich der Börsen-Experte zunächst für eine Karriere als freier Trader und Journalist. Von 2012 bis 2023 leitete Daniel Kühn die Redaktion von stock3 (vormals GodmodeTrader). Seit 2024 schreibt er als freier Autor für stock3.
Daniel Kühn interessiert sich vor allem für Small und Mid Caps, Technologieaktien, ETFs, Edelmetalle und Kryptowährungen sowie für makroökonomische Themen.

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