Kommentar
10:03 Uhr, 27.04.2012

Die deutsche Immobilienblase - spanische Verhältnisse?

Seit geraumer Zeit bin ich im Raum München auf der Suche nach einem adäquaten Grundstück. Es ist verheerend. Von wegen ein paar Prozent Preissteigerung. Da kann ich nur noch mit weinenden Augen drüber lachen.
Sicherlich ist der Großraum München aufgrund seiner ökonomischen und landschaftlichen Attraktivität ein Spezialfall, aber der Virus grassiert langsam in ganz Deutschland. Die Leute kaufen wie von Sinnen Immobilien. Warum ist klar:

  1. Das Zinsniveau ist historisch gesehen extrem niedrig. In Relation gesetzt zur Inflation, muss man schon fast von negativen Realzinsen sprechen.

  2. Mein persönlicher Eindruck aus vielen Gesprächen: Eine Mehrheit(!) erwartet, dass der Euro als Währung nicht überlebt. Das deckt sich nicht mit offiziellen Umfrageergebnissen, was verlässlicher ist kann ich Ihnen auch nicht sicher sagen.

  3. Daraus folgt, dass Immobilien als ultimativ verstandene Sicherheit gekauft werden, zumal hier der Preispfeil bisher wirklich nur nach oben zeigt, im Gegensatz zu Gold und Silber, die unter Druck geraten. Aktien werden von den meisten ohnehin nicht als sichere Anlage gesehen.

Entsteht hier eine Blase? Ganz gewiss! Und zwar auf jeden Fall in dem Maße, in dem die Menschen auf Kredit kaufen, obwohl sie die Immobilien gar nicht selber bewohnen werden und auch keinen vernünftigen Plan zur Vermietung haben.. Einfach mal kaufen! Hinzu kommen starke Käufe aus dem Ausland, speziell aus Krisenländern. Das kann man sogar gut nachvollziehen...

Insgesamt, betrachtet man das gesamte Land, gibt es ganz sicher nicht zu wenig Baugrund. Das spricht auf lange Sicht nicht für steigende Preise. Bedenken Sie bitte, dass Deutschland schrumpft. Laut Daten des Statistischen Bundesamts sinkt die Bevölkerung von aktuell rund 82 Mio. bis 2050 auf rund 70 Mio. Einwohner. Gleichzeitig steigt das Durchschnittsalter rapide an. Der Bedarf an Wohnimmobilien wird also ganz klar sinken (Altersheime dagegen dürften boomen), es sei denn es kommt zu massiver Einwanderung oder zu einer Umkehr des Reproduktionsverhaltens – sprich: Wir kriegen wieder mehr Kinder.

Ein ganz anders zu bewertender Fall liegt natürlich vor, wenn Menschen für sich selbst ein Haus/eine Wohnung zur Eigennutzung kaufen. Das kann man eigentlich nur jedem raten, allerdings sofern es nachhaltig finanzierbar ist. Wenn das nämlich nicht der Fall ist, sieht´s düster aus. Wir durften in Spanien erleben, wo ein unfundierter, nur durch billige Kredite verursachter Bauboom hinführt. Das Land leidet noch heute darunter, ganze Siedlungen stehen leer.

In diesem Zusammenhang ist es interessant, dass die Bundesbank darüber nachdenkt, in Deutschland die Immobilienkredit-Vergabe zu begrenzen bzw. zu erschweren– z.B. indem höhere Sicherheiten verlangt werden, sprich mehr Eigenkapital. Den Notenbänkern ist die Lage nämlich völlig klar. Deutschland braucht eigentlich ein höheres Zinsniveau als der Rest Europas, was aber nun mal in der Währungsunion nicht geht. Das heißt nichts anderes, als dass die Inflation bei uns auch die nächsten Jahre über dem EU-Schnitt liegen wird.

Es ist oft so: Individuell scheint ein Verhalten rational, auf der Makroebene führt es aggregiert zum Desaster. Die EZB hat mit ihrer Zinspolitik den Schlüssel in der Hand. Sie weiß, sie müsste mit den Zinsen hoch, um ihrem Auftrag – Geldwertstabilität – gerecht zu werden. Sie weiß aber auch, dass sie die Konjunktur in der Eurozone damit gefährden würde, die letztlich nur in Deutschland wirklich rund läuft. Hinzu kommt der deaströse Zustand der Banken, die extrem zinssensitiv sind.

Wenn es nicht so abwegig wäre, müsste man aus ökonomischer Sicht eigentlich Deutschland aus der Eurozone ausschließen. Die anschließende Abwertung des Euro könnte dramatisch dabei helfen, die Handelsbilanzdefizite innerhalb der EU auszugleichen. Diese chronischen Ungleichgewichte sind ja unser eigentliches Hauptproblem.

P.S. Noch eine "Kleinigkeit": Wenn Sie Immobilien kaufen, um Ihr Geld "sicher" zu parken, dürfen Sie eines bitte nie vergessen: Bei jeder Transaktion haben Sie rund 8-9% Nebenkosten: Grunderwerbsteuer, Maklerprovision, Notar. Angenommen, Sie haben einen "fairen Preis" für Ihr Objek gezahlt, dann haben Sie also erstmal unmittelbar besagte 8-9% Verlust! Das heißt nichts anderes, als dass der Marktwert erstmal ebenso stark steigen muss, damit Sie theoretisch ohne Verlust aussteigen könnten!
Dies unterscheidet die Anlage in Immobilien doch erheblich von Akien und Edelmetallen - mal ganz abgesehen vom nicht zu unterschätzenden Aufwand, der mit Kauf und Verkauf zusammenhängt.

Daniel Kühn

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Über den Experten

Daniel Kühn
Daniel Kühn
Freier Finanzjournalist

Daniel Kühn ist seit 1996 aktiver Trader und Investor. Nach dem BWL-Studium entschied sich der Börsen-Experte zunächst für eine Karriere als freier Trader und Journalist. Von 2012 bis 2023 leitete Daniel Kühn die Redaktion von stock3 (vormals GodmodeTrader). Seit 2024 schreibt er als freier Autor für stock3.
Daniel Kühn interessiert sich vor allem für Small und Mid Caps, Technologieaktien, ETFs, Edelmetalle und Kryptowährungen sowie für makroökonomische Themen.

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