Kommentar
06:45 Uhr, 21.02.2018

Die Anleger sind schon wieder zu bullisch!

Der Aktienmarkt hat sich von den Tiefs der Korrektur wieder deutlich gelöst. Aktien sind nicht das einzige, das wieder bullisch gesehen wird – vermutlich zu bullisch.

Es war bisher nur ein kurzer Schock, dafür zugegebenermaßen ein heftiger. Mit den Kursen ging es steil bergab, ebenso wie mit der Zinserwartung. Die Chance für mindestens vier Zinsschritte in diesem Jahr reduzierte sich von 27,5 % auf 17 %. Inzwischen steht die Wahrscheinlichkeit schon wieder bei 25 % (Grafik 1).

Die Wahrscheinlichkeit für vier Zinsschritte ist bereits seit Monaten ansteigend. Ausgemachte Sache sind vier Schritte allerdings noch lange nicht. Immerhin gehen 75 % der Anleger noch von maximal drei Zinsschritten aus. Trotzdem sind Anleger in Bezug auf die Zinsen so bullisch wie lange nicht, vermutlich zu bullisch.

In ihrer letzten Prognose ging die Fed selbst nur von drei Zinsschritten aus. Anleger trauen ihr damit bis zu einem gewissen Grad mehr zu als sich die Notenbank selbst zutraut. Das ist das erste Mal in diesem Zyklus, dass die Erwartungen der Anleger oberhalb jener der Notenbanker liegen.

Bis Ende 2019 sieht die Notenbank einen Leitzins von knapp 3 %. Langfristig wird ein Zinssatz von 2,8 % als Ziel gesehen. Mit drei Zinsschritten in diesem und im nächsten Jahr ist das erreicht. Mit einer Beschleunigung der Zinsanhebungen wäre das Langfristziel bereits Mitte 2019 übertroffen. Wie realistisch das ist, kann man sich denken.

Man kann es sich auch denken, wenn man beachtet wie die meisten Notenbanker argumentieren. Die Notenbank erachtet es nicht mehr für notwendig die Wirtschaft durch expansive Politik zu stützen. Das heißt, dass die Geldpolitik zumindest nicht mehr expansiv sein soll.

Gemessen wird das anhand des Vergleichs des Realzinsniveaus und des neutralen Zinsniveaus, welches als weder expansiv noch straffend gilt. Dieser neutrale Zinssatz ist fast erreicht (Grafik 2). Mit dem nächsten Zinsschritt wird die Geldpolitik also leicht straffend wirken.

Mit einer besseren Lage in der Wirtschaft erhöht sich auch der neutrale Zinssatz etwas. Trotzdem ist davon auszugehen, dass die Geldpolitik ab März 2018 nicht mehr expansiv ist, sondern straffend.

Die Notenbank weiß selbst, dass sie bei einer zu straffen Politik das Wachstum abwürgen wird. Marktteilnehmer wissen ebenso wie die Fed, dass ein Aufschwung nicht an hohem Alter stirbt, sondern „ermordet“ wird. Ein Mordinstrument sind zu hohe Zinsen. Die Notenbank wird sich also hüten zu aggressiv zu sein.

Man kann davon ausgehen, dass die Notenbank kein Interesse an einem Zins hat, der mehr als 1 % oberhalb des neutralen Zinses liegt. Das würde einen Abschwung praktisch garantieren. Legt man das Inflationsziel von 2 % zugrunde, sollte der Nominalzins also nicht über 3 % steigen, um die Wirtschaft nicht abzuwürgen. Dieses Ziel wird bei drei Zinsschritten über die nächsten zwei Jahre ungefähr erreicht. Es ist ziemlich unwahrscheinlich, dass die Fed diese Überlegungen über den Haufen wirft und jetzt aufs Gas tritt. Dazu bräuchte es schon eine davongaloppierende Inflation. Diese ist nicht in Sicht.

Clemens Schmale

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  • sit1984
    sit1984

    Vielleicht sind sie ja auch zu bärisch eingestellt? Kommen bald "zur Abwechslung" wieder Crash-Ansagen?

    21:17 Uhr, 20.02.2018

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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