Kommentar
17:35 Uhr, 17.10.2012

Deutschland wird zahlen müssen

Die Einigung Europas ist nicht zum Nulltarif zu haben. Solche und ähnliche Feststellungen lesen Sie dieser Tage häufig. Dass Sie diese Aussage wortwörtlich nehmen sollten und dass auch Ihr eigenes Portemonnaie betroffen sein wird, davon können Sie mit absoluter Sicherheit ausgehen. Die Krisenstaaten machen gerade eine Rosskur durch verlangen ihrer Bevölkerung einiges an Schmerzen ab. Diese Maßnahmen werden vor Ort vielfach als ungerecht empfunden, sind aber notwendig. Angela Merkel würde sagen sie sind alternativlos. Uns wird es auch erwischen.

Deutschland ist zwar bis jetzt ganz hervorragend durch die Krise gekommen und wird bisweilen sogar als Krisenprofiteur beschimpft. Deutsche Anleihezinsen notieren auf historisch niedrigem Niveau, in den letzten beiden Jahren kam es zu einem gigantischen Liquiditätszufluss in unser Land.

Doch die Kehrseite der Medaille sieht so aus: Vermögenspreisinflation (insbesondere Immobilien) und ein gigantisches, fast 700 Mrd. EUR schweres Risiko in der Bundesbankbilanz namens Target2. Dieses inoffizielle und gerne verharmloste Risiko kommt zu den offen kommunizierten möglichen Zahlungsverpflichtungen aus den Rettungsschirmen EFSF und ESM dazu.

Deutschland wird zahlen müssen. Sie müssen sich darüber im Klaren sein und entsprechende Überlegungen anstellen, Konsequenzen herausarbeiten. Im Herbst 2013 finden die nächsten Bundestagswahlen statt, und es gibt durchaus unterschiedliche Vorstellungen darüber, wie die deutsche Bevölkerung zur Ader gelassen werden soll.
Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin äußerte sich am Wochenende in einem Interview mit der „Welt“ recht deutlich. Wer mehr als 1 Mio. EUR Privatvermögen hat soll kräftig zur Finanzierung der Probleme beitragen. In einem an Dreistigkeit kaum zu überbietenden Statement stellte Trittin die Leistungsfähigkeit Vermögender im Sinne des Verfassers wie folgt fest: „Erklären Sie mir doch mal, warum jemand mit einer Million Euro an persönlichem Privatvermögen nicht über zehn Jahre pro Jahr 15.000 Euro erwirtschaften kann. Wer das nicht hinkriegt, muss ziemlich schlecht wirtschaften.“

Trittin ist wahrscheinlich nicht darüber informiert, dass z.B. deutsche Staatsanleihen derzeit mit 1,45 % p.a. rentieren – vor Steuern wohlgemerkt. Abgesehen davon ist es kaum erträglich, das Wortpaar „schlecht wirtschaften“ aus dem Munde eines Politikers zu vernehmen.
Der mögliche Koalitionspartner der Grünen, die SPD, will den Spitzensteuersatz von 42 auf 49% hieven. Die Abgeltungsteuer soll auf rund 32% (aktuell 25%) klettern. Alles plus Solizuschlag. Willkommen in der Krisenbewältigung.

Das Muster ist dabei immer das gleiche: Die Maßnahmen werden so verpackt, dass der Großteil der Bevölkerung den Eindruck hat, selber nicht betroffen zu sein. Man setzt sogar auf den Schadenfreude-Effekt. Sollen die anderen doch bluten! Dass in Wirklichkeit allen geschadet wird, ergibt sich erst aus der Retrospektive. Die Franzosen werden das anhand ihres 75% Steuer-Experiments noch spüren. Präsident Hollande hat sein Vorhaben durchgesetzt, Einkommen über 1 Mio. EUR für zunächst zwei Jahre mit 75% zu besteuern. Schon bald werden die Franzosen merken, wie sehr ihnen ihr Staatsoberhaupt damit geschadet hat. Wir können nur hoffen, dass unsere Politiker vernünftiger sind.

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Über den Experten

Daniel Kühn
Daniel Kühn
Freier Finanzjournalist

Daniel Kühn ist seit 1996 aktiver Trader und Investor. Nach dem BWL-Studium entschied sich der Börsen-Experte zunächst für eine Karriere als freier Trader und Journalist. Von 2012 bis 2023 leitete Daniel Kühn die Redaktion von stock3 (vormals GodmodeTrader). Seit 2024 schreibt er als freier Autor für stock3.
Daniel Kühn interessiert sich vor allem für Small und Mid Caps, Technologieaktien, ETFs, Edelmetalle und Kryptowährungen sowie für makroökonomische Themen.

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