Kommentar
02:00 Uhr, 14.02.2008

Deutschland größter Zertifikatemarkt weltweit - Ziehen Emittenten den Anleger wirklich über den Tisch ?

Medienwirksam hat die Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK) am Montag das Schwarzbuch 2008 veröffentlicht. In dem Schwarzbuch wird scharfe Kritik an der Zertifikatebranche geübt. Durch komplizierte Strukturen der Zertifikate und die unüberschaubare Fülle an Produkten sei eine Vergleichbarkeit derselben nicht mehr möglich. Außerdem würden dadurch die eigentlichen Kosten dieser Produktgattung verschleiert. Der Privatanleger sei letztenendes vom Wohlwollen der Emittenten abhängig. Auch das Pricing der Zertifkate wird angeprangert. Es gäbe Phasen, in denen der Emittent überhaupt keine Kurse stelle. Dies bedeute für den Anleger, dass er seine Positionen nicht zeitnahe abstoßen könne.

Nachdem sich die Aufregung der vergangenen Tage etwas gelegt hat, habe ich mir gedacht als verantwortlicher Trader des größten Tradingportals im deutschsprachigen Internet, meine Meinung dazu zu äußern. Immerhin bewegen unsere Kunden und wir über unsere Tradingservices auch via Derivate nicht gerade geringe Volumina im Markt. Unsere Scheinaufnahmen erscheinen regelmäßig in den Umsatzspitzenreiterlisten von EUWAX und Scoach. Sprich, wir handeln diese Produkte.

Selbstverständlich gehören eine Vielzahl von Emittenten zu unseren Werbekunden, Emittenten wie die ABN Amro, BNP Paribas, SocGen oder Dresdner stellen darüberhinaus ihre Produkte mit unserem charttechnischen Research vor, auf Roadshows von und mit Emittenten sind unsere Trader gern gesehene Referenten.

Soviel einleitend dazu, wie wir in das gesamte Geschehen involviert sind.

Es ist in unserem Interesse, dass unsere Kunden, unsere Leser, unsere Abonnenten effektive Produkte handeln, fair gepreiste Produkte handeln, Produkte handeln, die sie an den Kursbewegungen der Märkte sinnvoll partizipieren lassen.

Es ist in unserem Interesse, dass Emittenten Produkte auflegen, die sich ganz konkret an der Interessenlage der Anleger orientieren. Und so funktioniert der Markt auch. Wenn schlechte Ware verkauft wird, findet sie keine Käufer. Wenn gute Ware verkauft wird, läuft das Geschäft. Deutschland ist der größte Markt für Zertifikate weltweit. Das Gesamtmarktvolumen wird laut Derivate Forum auf 142 Milliarden Euro geschätzt. Das spricht für sich.

Sie haben sicherlich das Crescendo in meinem Beitrag bis zu dieser Stelle bemerkt.

Um auf den Punkt zu kommen ...

Ich halte die Kritik der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK) für überzogen. Es ist gut, dass es solche Institutionen wie die Schutzgemeinschaft gibt, die als neutraler Vermittler zu sehen sind und die Interessenlage des Privatanlegers vertreten, die vorliegende Kritik schießt aber über ihr Ziel hinaus und zeigt teilweise sogar eine Unkenntnis der zu grundeliegenden Materie auf.

Beim Research des bisherigen Medienechos auf das Schwarzbuch ist mir aufgefallen, dass doch etwas aus der Distanz heraus darüber berichtet wird. Der Bericht der FAZ beispielsweise beginnt wie folgt : "Der Zertifikatemarkt ist vom Ziel der Transparenz weiter entfernt denn je. Dies behauptet die Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK) ..."

Seitens der renommierten Börsenzeitung wurde sogar eine Pressemeldung verschickt. Wobei diese Pressemitteilung vom Wortlaut her der Pressemitteilung des Deutschen Derivate Verbands (DDV) ein kleines bißchen ähnelt. Letzterer ist die zentrale Vertretung der Emittentenhäuser, die zuvor im Derivate Forum und [Link "Deutschen Derivate Institut" auf www.ddi.de/... nicht mehr verfügbar] organisiert waren und noch sind.

Pressemitteilung der Börsenzeitung : [Link "Bitte hier klicken." auf www.boerse-go.de/... nicht mehr verfügbar]

Pressemitteilung des DDV : [Link "Bitte hier klicken." auf img.godmode-trader.de/... nicht mehr verfügbar]

An unsere Leserschaft gerichtet, Privatanleger und Professionals, möchte ich auf die Basis dessen verweisen, was den Zertifikatemarkt ausmacht. Zertifikate werden von den emittierenden Bankhäusern gehedged, also direkt an den Finanzmärkten umgesetzt. Wenn der Anleger beispielsweise ein Bullzertifikat, ein Turbo Call auf den DAX kauft, so hedged sich der Emittent sofort ab. Abhedgen, das heißt nicht, dass er eine Gegenposition einnimmt! Abhedgen im Falle des Beispiels heißt, dass er im zu grundeliegenden Basiswert, dem DAX bzw. DAX Future long geht. Er kauft ihn. Mit den Zertifikaten verkaufen Ihnen die Emittenten, mein Kollege Berteit beschrieb das so schön, Schaufeln, mit denen Sie nach Gold graben können. Mir geht es darum festzuhalten, dass die Qualität dieser Schaufeln meines Erachtens gerade auch aufgrund des großen Wettbewerbs unter den Emittenten in der Regel gut ist.

Der Markt ist riesig. Es geht um sehr viel Geld. Eine Vielzahl von Emittenten buhlen, um die Gunst der Anleger. Zunehmend dringen auch die US-amerikanischen Investmenthäuser wie Goldman Sachs, Morgan Stanley, Merrill Lynch oder Bear Stearns auf den deutschen und schweizer Markt für strukturierte Produkte. Der Wettbewerb, das ist ähnlich wie in jeder anderen Industrie auch, führt über Selektionsdruck zu besseren Produkten und zu besseren Preisen.

Was passieren kann, wenn nicht ausreichend Konkurrenz vorhanden ist, konnte man bei den CFD Brokern und Market Makern sehen. CFDs als Porsche mit zu weich eingestellten Bremsen. Der Bolide war und ist für bestimmte Anlageformen, nämlich besonders kurzfristiges Trading (Scalp- und Swingtrading) phasenweise ungeeignet. Aber auch auf diesem Markt tut sich seit geraumer Zeit etwas und wieder zeigt sich, dass Konkurrenz das Geschäft belebt und zu besseren Produkten führt.

Wenn der Emittent Ihnen ein Zertifikat verkauft, hedged er sich ab. Er ist also von den Kursbewegungen des zugrundeliegenden Basiswerts, von der Volatilität und vom Volumen desselben abhängig. Wenn der Markt sich schnell bewegt, wenn gleichzeitig die Liquidität kurzfristig stark abnimmt, dann kann der Emittent nicht so schnell "zurück-hedgen" wie Sie sich als Anleger das vielleicht vorstellen. In solch turbulenten Marktphasen haben Sie das gleiche Problem aber auch, wenn Sie die Aktie direkt handeln. Wenn Sie beispielsweise in der SIEMENS investiert sind und bei schnell nachgebenden Kursnotierungen verkaufen wollen, kommen Sie nur mit enorm hohen Slippagekosten aus Ihrer Position heraus.

Selbstverständlich ärgert man sich als Anleger in solchen Marktphasen, dass man nicht mehr adäquat aus seiner Position herauskommen konnte. Man sollte aber genau prüfen, ob es tatsächlich an dem Pricing und der Handelbarkeit des Zertifikates lag oder vielleicht doch an den Marktbewegungen.

Fakt ist, auch der Emittent hat im Rahmen des Hedgingprozesses mit Risiken zu kämpfen, die ihm die Performance zerlegen können. Raten Sie mal, wieso der Trend immer mehr von den klassischen Hebelzertifikaten (Knock Out Produkten) zu Open Ends geht ?

Ganz einfach. Weil die Übernahme des Gap Risikos durch Emittenten immer mehr für diese zu einem unkalkulierbaren Risiko wurde.

Ich kann mich an eine Szene mit einem Kollegen erinnern, der das Derivate Retailgeschäft für einen großen Emittenten leitet. Der rief an einem Tag, an dem der DAX mit einem deutlichen Gap eröffnet hatte, abends im Tradingdesk an und wollte wissen, wie das Geschäft an dem Tag verlaufen sei. Ergebnis, der Emittent hatte unter dem Strich an diesem einen Tag einen satten Millionenbetrag verloren.

Also wird das Gap Risiko zumindest in Teilen wieder auf den Anleger abgewälzt, in dem die Emittenten lieber gehebelte Open End Zertifikate auf den markt bringen, die ein vorgeschaltetes Stoploss haben.

[Link "Sachliche Kritik nehmen wir aber gerne entgegen." auf www.godmode-trader.de/... nicht mehr verfügbar] Gerade wegen unserer exponierten Stellung sehen wir uns als Sammelbecken für Feedback jeglicher Coleur. Übrigens lohnt es sich durchaus die Hotlines der Emittenten zu wählen und dort etwaige Probleme und Fragen vorzutragen. Viele Emittenten lassen in solchen Fällen Kulanz walten. Wenn Sie mit einem Emittenten Probleme haben, meiden Sie ihn einfach. Weichen Sie auf andere Emittenten aus.

Nochmals der Hinweis. Senden Sie uns weiterhin Erfahrungsberichte zu, wenn Probleme mit Emittenten aufgetauchen sollten. Wir sammeln, wir geben Feedback an die emittierenden Häuser weiter und wir behalten uns vor, über inakzeptable Vorkommnisse (natürlich nach Absprache mit dem Einsendenden) an prominenter Stelle zu berichten.

Abschließend für diejenigen Leserinnen und Leser unter Ihnen, die das Thema "Hedging durch Emittenten" interessiert, anbei eine detailierte Beschreibung vom Derivate Structure von Goldman Sachs Deutschland.

Dokument laden : [Link "http://img.godmode-trader.de/charts/3/2005/94-2003-3.pdf" auf img.godmode-trader.de/... nicht mehr verfügbar]

Herzliche Grüße,
Ihr Harald Weygand - Head of Trading bei GodmodeTrader.de

P.S. Viel Grüße an den SdK.

Man kennt sich, man schätzt sich. Ihr macht gute Arbeit. Die Kritik an der Kritik an dieser Stelle mußte aber sein.

Keine Kommentare

Du willst kommentieren?

Die Kommentarfunktion auf stock3 ist Nutzerinnen und Nutzern mit einem unserer Abonnements vorbehalten.

  • für freie Beiträge: beliebiges Abonnement von stock3
  • für stock3 Plus-Beiträge: stock3 Plus-Abonnement
Zum Store Jetzt einloggen

Das könnte Dich auch interessieren

Über den Experten

Harald Weygand
Harald Weygand
Head of Trading

Harald Weygand entschied sich nach dem Zweiten Staatsexamen in Medizin, einer weiteren wirklichen Leidenschaft, dem charttechnischen Analysieren der Märkte und dem Trading, nachzugehen. Nach längerem, intensivem Studium der Theorie ist Weygand als Profi-Trader seit 1998 am Markt aktiv. Im Jahr 2000 war er einer der Gründer der stock3 AG und des Portals www.stock3.com. Dort ist er für die charttechnische Analyse von Aktien, Indizes, Rohstoffen, Devisen und Anleihen zuständig. Über die Branche hinaus bekannt ist der Profi-Trader für seine Finanzmarktanalysen sowie aufgrund seiner Live-Analysen auf Anlegerveranstaltungen und Messen.

Mehr über Harald Weygand
  • Prozyklisches Breakout-Trading
  • Pattern-Trading
  • Makro-Trades
  • Intermarketanalyse
Mehr Experten