Kommentar
09:28 Uhr, 11.07.2003

Deutschland/Europa: DAX behält die Nase vorn

Die europäischen Aktienmärkte konnten im Juni, getragen von zunehmenden Konjunkturhoffnungen in den USA, aber auch von Zinssenkungsspekulationen in Euroland, zunächst kräftige Kurssteigerungen vorweisen, bevor Gewinnmitnahmen und Enttäuschungen über den als zu gering empfundenen Zinsschritt der FED auch diesseits des Atlantiks Verkaufsdruck auslösten. Zuletzt fiel die Monatsbilanz wie etwa in Frankreich mit einem Plus von 3,1 Prozent im CAC 40 nur leicht positiv aus. In Großbritannien musste der FTSE 100 sogar ein kleines Minus von 0,4 Prozent hinnehmen. Eine positive Ausnahme bildete die deutsche Börse, welche im europäischen Vergleich ihren Vorsprung in diesem Jahr weiter ausbauen konnte. So verbuchten DAX und TecDAX im Juni einen Zuwachs von jeweils rund acht Prozent, wobei die Verlautbarungen über das Vorziehen der Steuerreform mit zu der erfreulichen Entwicklung beigetragen haben dürften. Für die ersten sechs Monate wies der DAX damit einen Anstieg von gut 11 Prozent aus, verglichen mit über +2 Prozent im FTSE 100 und knapp +1 Prozent im CAC 40. Das deutsche Blue-Chip-Barometer hatte alleine seit seinem Tiefstand am 12. März rund 46 Prozent zugelegt.

Von konjunktureller Seite gab es zwar einige ermutigende Signale, doch blieb die Gesamtsituation weiterhin angespannt. Zu den positiven Nachrichten zählte der Anstieg im wichtigen Ifo-Geschäftsklimaindex, der sich zum zweiten Mal in Folge verbesserte. Sowohl die Einschätzung der aktuellen Lage als auch die Geschäftserwartungen waren hier aufwärts gerichtet. Zu dem vorsichtigen Stimmungsumschwung in Deutschland hatten nicht zuletzt die intensiver werdenden Debatten um Strukturreformen am Arbeitsmarkt und in den Sozialversicherungen sowie ein Vorziehen der Steuerreform beigetragen. Positiv zu Buche schlug auch der unerwartete Anstieg der Euroland-Industrieproduktion. Dagegen schwächten sich die Frühindikatoren aus Frankreich (INSEE-Index) und Italien (Verbrauchervertrauen) leicht ab.

Auf Unternehmensebene war das Bild ebenfalls gemischt. So beflügelte die Leitzinssenkung der EZB (um 50 Basispunkte auf 2,00%) insbesondere Finanzwerte, allen voran die sehr zinssensitiven Banktitel, welche zudem von einer wieder positiveren Börsensituation sowie Gerüchten über mögliche Übernahmeofferten seitens ausländischer Kreditinstitute profitierten. Automobilwerte hingegen litten unter dem Streik der IG Metall in Ostdeutschland. Zudem waren im Mai die Absatzzahlen in Europa rückläufig, obwohl der Mai für Automobilproduzenten traditionell zu den verkaufsstarken Monaten des Jahres zählt. Hingegen präsentierten sich Technologie- und Telekomtitel durchaus freundlich, nachdem die Zahlen des finnischen Telekomausrüsters Nokia zum laufenden zweiten Quartal keine negativen Überraschungen beinhalteten. Der deutsche Softwareanbieter SAP konnte zudem aus der Übernahmeschlacht der US-Konkurrenten Oracle und PeopleSoft Nutzen ziehen. Schwach tendierten hingegen die Aktien des französischen Mischkonzerns Bouygues, der nach einem Überschuss von 16 Mio. Euro im ersten Quartal 2003 einen Fehlbetrag von neun Mio. Euro ausweisen musste. Negative Nachrichten ereilten die Börsen auch vom niederländisch-britischen Konsumgüterkonzern Unilever. Das Unternehmen erwartet für das laufende Jahr nur noch ein Umsatzplus von vier Prozent nach ursprünglich prognostizierten fünf bis sechs Prozent. Schließlich hat auch die Insolvenz der Mannheimer Lebensversicherung für Aufregung gesorgt und gerade die Münchener Rück aufgrund ihrer entsprechenden Beteiligungsverhältnisse in Mitleidenschaft gezogen.

Hoffnungen für den späteren Jahresverlauf: Die weiteren Perspektiven an den europäischen Aktienmärkten beurteilen wir mit Vorsicht, aber nicht ohne Hoffnung für den späteren Jahresverlauf. Derzeit allerdings sollten trotz der jüngsten Kurssteigerungen die Erwartungen hinsichtlich weiterer Aufwärtsbewegungen nicht zu hoch angesetzt werden. Das gerade in den USA trotz aller Hoffnungen immer noch eingetrübte Konjunkturszenario spricht momentan gegen weitere, nachdrückliche Erholungstendenzen an den Aktienbörsen. Auch bleibt die Gewinnsituation auf Unternehmensseite verhalten, da Ergebnissteigerungen oftmals nicht auf ,,echten" Wachstumstendenzen sondern Kosteneinsparmaßnahmen beruhen. Mit Blick auf Deutschland, dem Schlusslicht in der Eurozone, ist es in jüngster Zeit zu einem vorsichtigen Stimmungsumschwung gekommen. Vor allem die intensiver werdenden Debatten um Strukturreformen am Arbeitsmarkt und in den Sozialversicherungen sowie ein Vorziehen der Steuerreform haben hierzu wesentlich beigetragen. Alles in allem zwar noch kein sehr ermutigendes Bild, doch nehmen die Märkte bereits frühzeitig erwartete Besserungstendenzen vorweg, sodass schon erste Anzeichen einer Wirtschaftsbelebung oder auch Erwartungen hinsichtlich eines kommenden Konjunkturaufschwungs für gewöhnlich honoriert werden. Aufgrund von Bewertungsaspekten rangieren deutsche Aktien innerhalb des Euro-Verbundes bei uns an erster Stelle. Darüber hinaus sehen wir aus diesen Gründen auch eine relative Stärke der europäischen gegenüber den US-Aktienbörsen.

Quelle: Union Investment

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