Kommentar
14:14 Uhr, 28.09.2017

Deutschland braucht 5% Zinsen

Deutschland ist das Land der Eurozone, welches die höchsten Zinsen braucht. Die Differenz zum letzten Platz (Griechenland) ist fast schon unrealistisch.

Wir wissen alle, dass der eine Leitzins der EZB für alle Euroländer nicht unbedingt die beste Erfindung war. Die Staaten der Eurozone sind zu verschieden, als dass man sie mit einem einzigen Zinssatz abspeisen könnte. Die Differenzen sind jedoch nicht nur Kosmetik. Sie sind so erheblich, dass man sich fragt, ob es jemals wieder eine große Anzahl an Ländern geben wird, für die der Zins passt.

Da es nur einen Leitzins für alle Länder gibt, muss man kreativ werden, um überhaupt einen Vergleich anstellen zu können. Dabei hilft die Taylor Rule. Sie ist eine Formel, durch die man den adäquaten Zinssatz berechnen kann. Nutzt man diese Formel, so ergibt sich ein Bild wie in Grafik 1.

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Deutschland braucht einen Zinssatz von 5 %. Griechenland bräuchte eigentlich einen Leitzins von -10 %. Auch Italien, Frankreich und Spanien würden negative Zinsen guttun. Auf der anderen Seite befinden sich Länder wie Irland und die Niederlande, die einen Zinssatz zwischen 2 % und 4 % benötigen. Zu dieser Gruppe gehört auch Portugal.

Das ist eine Überraschung. Wer hätte gedacht, dass es Portugal so gut geht und einen Zinssatz von 2 % braucht? Ich hätte das ehrlich gesagt nicht gedacht. Trotzdem ist es nach der Taylor Rule so. Spätestens jetzt beginnt man zu grübeln, ob diese Regel wirklich so sinnvoll ist.

In den USA wird schon länger debattiert, ob man der Notenbank nicht die Leitzinsfestlegung diktieren kann. Sowohl Politiker als auch Bürger vertrauen nicht mehr darauf, dass die Notenbank wirklich das Richtige tut. Gerade in den letzten Jahren, in denen die Zinsen so tief waren wie seit einem halben Jahrhundert nicht mehr, wurde so manchem unwohl.

Der Zins, der sich für die USA durch die Taylor Rule berechnen lässt, liegt derzeit bei mehr als 3 % (Grafik 2). Das ist nicht nur ein ganzes Stück höher als der tatsächliche Zinssatz, sondern auch höher als das langfristig als normal angesehene Zinsniveau. Die Notenbanker sehen es derzeit bei 2,8 %.

Deutschland-braucht-5-Zinsen-Kommentar-Clemens-Schmale-GodmodeTrader.de-2

Oft wird die Taylor Rule für die Argumentation verwendet, dass die Zinsen dringen höher sein müssten, ob in den USA oder in Deutschland. Betrachtet man die Einzelresultate darf man daran jedoch zweifeln. Portugal zeigt zwar wieder ein solides Wirtschaftswachstum, doch der Staat ist aufgrund der Schulden handlungsunfähig. Kann man da ernsthaft glauben, dass ein Zinssatz von 2 % notwendig ist?

Auch für Deutschland, wo der Jammer über die niedrigen Zinsen hoch ist, halte ich einen Zinssatz von 5 % für absolut übertrieben. Die schwarze Null im Haushalt kann man bei solchen Zinssätzen vergessen. Ohne den Investitionsstau angegangen zu sein, säße Deutschland schon wieder in der Schuldenfalle.

Das derzeitige Zinsniveau passt vermutlich in fast keinem Land. Die aktive Steuerung durch die Notenbank erscheint aber immer noch besser als ein Zins, der durch eine Formel festgelegt wird, die kaum einen Sinn ergibt. Dinge wie Verschuldung werden darin nicht berücksichtigt und gerade jetzt ist das ein wesentliches Argument gegen höhere Zinsen.

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8 Kommentare

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  • agnostika
    agnostika

    Ihr Geld ist nicht weg, mein Freund, es hat nur ein anderer.
    Amschel Meyer Rothschild(1744 - 1812), deutscher Adliger und Bankier

    Und jetzt Scherz beiseite - es gibt kein Verschuldungsproblem. Wer mit Bruttoschulden agiert und redet, agiert wahlweise fahrlässig, manipulativ oder dumm. Das weltweite Vermögen ist dank Aktien- und Rentenhausse der letzten Jahre wesentlich schneller gestiegen als die Bruttoschulden, siehe hier:

    http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/reichtum...

    Der errechnete Vermögenswert berücksichtigt NICHT Immobilien!!

    @Herr Schmale: Sie argumentieren m.E. falsch bei Portugal. Das Modell (Taylor Rule) liefert ein Ergebnis, welches sie intuitiv nicht nachvollziehen können. Stimmt dann das Modell nicht oder ihre Wahrnehmung der port. Wirtschaft? Was geht denn ein als Input in Taylor? Wachstum, Inflation, Arbeitslosigkeit und ein exogen gegebener Gleichgewichtszins.

    08:30 Uhr, 29.09.2017
  • Market Impact
    Market Impact

    Guten Tag Herr Schmale

    Sie schreiben :"Die Staaten der Eurozone sind zu verschieden, als dass man sie mit einem einzigen Zinssatz abspeisen könnte."

    Wie macht es Amerika das es dort Funktioniert? Dort gibt es ja 50 Staaten mit ebenso großen Ökonomischen Unterschieden. Wird dort mehr umverteilt?

    15:24 Uhr, 28.09.2017
    2 Antworten anzeigen
  • Karsten B.
    Karsten B.

    Genau und 90% MwSt! und Ausgangssperre ab 20 Uhr

    14:58 Uhr, 28.09.2017
  • Elchness
    Elchness

    "Dinge wie Verschuldung werden darin nicht berücksichtigt und gerade jetzt ist das ein wesentliches Argument gegen höhere Zinsen."

    Endlich spricht es mal jemand aus. Die Zinsen sind im Euroraum nicht so niedrig, weil man die Inflation befeuern muss. Eine Inflation von über 1% rechtfertigt keine Nullzinsen und ein Anleihenkaufprogramm. Die Zinsen sind so niedrig, weil diverse Staaten einen höheren Zins schlicht nicht verkraften würden.

    14:21 Uhr, 28.09.2017
    1 Antwort anzeigen

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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