Analyse
12:03 Uhr, 30.10.2008

Deutscher Arbeitsmarkt: Ein letzter Paukenschlag

Die Nürnberger Bundesagentur für Arbeit hat soeben die Arbeitsmarktstatistik für den Berichtsmonat Oktober veröffentlicht. Wie von uns und dem Median der anderen von Bloomberg befragten Volkswirte und Analysten erwartet, ist die Zahl der Arbeitslosen trotz des immer düsterer werdenden konjunkturellen Umfelds saisonbereinigt nochmals zurückgegangen – und zwar sogar recht kräftig um immerhin 26.000 Personen. Die Quote ermäßigte sich nach Ausschaltung jahreszeitlicher Einflüsse leicht auf 7,5%. Die sehr stark in der Wahrnehmung der Medien und der Öffentlichkeit stehende unbereinigte Arbeitslosenzahl konnte mit 2,997 Mio. wie von uns prognostiziert erstmals seit dem November 1992 wieder (knapp) die Drei-Millionen-Marke unterschreiten. Inmitten einer Weltuntergangsstimmung, die von Finanzmarktkrise und Rezessionsängsten gekennzeichnet ist, kommt diese hocherfreuliche Meldung daher wie ein Paukenschlag.

Die heute vorgelegten Zahlen aus Nürnberg dokumentieren die am deutschen Arbeitsmarkt bekanntermaßen sehr trägen Anpassungsreaktionen. Die im Vergleich mit anderen Ländern bei uns eher auf Langfristigkeit angelegten Arbeitsbeziehungen wirken für eine gewisse Zeit wie ein Puffer, der die für jedermann mit Händen zu greifende Konjunktureintrübung daran hindert, allzu schnell und heftig auf die Beschäftigungslage auszustrahlen. In unseren Modellen zeigt sich ein Nachlauf des Arbeitsmarktes gegenüber den einschlägigen Konjunkturindikatoren von bis zu einem dreiviertel Jahr.

Vor diesem Hintergrund halten wir es indes für völlig verfehlt, die heutigen Zahlen so zu interpretieren, als sei es um die Wirtschaftslage in Deutschland nun doch nicht so schlecht bestellt. Die deutsche Wirtschaft befindet sich mitten in der Rezession und hat den zyklischen Tiefpunkt wahrscheinlich sogar noch vor sich. Am Arbeitsmarkt wird das in den nächsten Monaten, möglicherweise sogar schon im November ankommen. Nicht zuletzt die jüngsten Meldungen aus der Automobilbranche sprechen da für sich. Natürlich auch unter Berücksichtigung der Saisoneinflüsse ist schon jetzt mit großer Sicherheit davon auszugehen, dass die Arbeitslosenzahl im Dezember wieder über der Drei-Millionen-Marke liegen wird. Dort wird sie für den Verlauf des kommenden Jahres dann leider auch durchgängig bleiben.

Fazit: Der heute vermeldete Rückgang der Arbeitslosigkeit im Oktober ist für sich genommen eine hocherfreuliche Meldung in einem Umfeld, das ansonsten von Hiobsbotschaften geprägt ist. Dies darf allerdings nicht darüber hinweg täuschen, dass die Rezession – wenngleich mit einiger zeitlicher Verzögerung – auch den deutschen Arbeitsmarkt heimsuchen wird. Ein Turnaround wird sich nach unserer Einschätzung schon in den nächsten Monaten zeigen.

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Über den Experten

Alexander Paulus
Alexander Paulus
Technischer Analyst und Trader

Alexander Paulus kam zunächst über Börsenspiele in der Schule mit der Börse in Kontakt. 1997 kaufte er sich seine erste Aktie. Nach einigen Glückstreffern schmolz aber in der Asienkrise 1998 der Depotbestand auf Null. Da ihm das nicht noch einmal passieren sollte, beschäftigte er sich mit der klassischen Charttechnik und veröffentlichte seine Analysen in verschiedenen Foren. Über eine Zwischenstation kam er im April 2004 zur stock3 AG (damals BörseGo AG) und veröffentlicht seitdem seine Analysen auf stock3.com (ehemals GodmodeTrader.de)

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