Kommentar
17:13 Uhr, 20.11.2008

Deutsche Wirtschaft: Mitgehangen, mitgefangen

Die jetzt eingesetzte Rezession dürfte noch bis Jahresmitte 2009 anhalten. Auslöser ist die dramatische Abschwächung der Weltwirtschaft. Weiter fallende Hauspreise und die Rückführung des Kreditexzesses in den USA werden ebenso Wachstumspunkte kosten wie die Probleme an den europäischen Immobilienmärkten. Die nachlassende Exportdynamik wird 2009 zusehends auf die deutsche Investitionskonjunktur überschwappen. Folge ist eine wieder steigende Arbeitslosigkeit, die im Jahresverlauf um knapp 200.000 auf 3,2 Mio. Arbeitslose zulegen dürfte. Die Diskussion über eine bevorstehende Deflation wird durch stark fallende Inflationsraten weltweit weitere Nahrung erhalten. In Deutschland könnte die Inflationsrate bis Jahresmitte 2009 im Zuge eines niedrigeren Ölpreises auf null Prozent zurückgehen. Konjunktureinbruch und nachgebende Inflation werden zu weiteren Zinssenkungen der EZB führen. Bereits im nächsten Monat dürfte der Leitzins um weitere 50 Basispunkte auf dann 2,75 % reduziert werden. Im Frühjahr 2009 erwarten wir einen reduzierten Satz von 2%.

Deutlich niedrigere Geldmarktniveaus

Die Zinslandschaft profitiert zunächst von dem stark eingetrübten Wachstumsbild und damit einhergehend von der aggressiven Lockerungspolitik der EZB. Zusammen mit den Staatsgarantien dürfte dies auch den 3M-Euribor auf ein Niveau zwischen 2,5% und 3% führen. Zusätzlich beflügelt die nach wie vor extrem hohe Volatilität in risikoreichen Assetklassen das Niveau der Staatsanleihen. "Erst im Verlauf des zweiten Halbjahres 2009 ist mit einer Trendumkehr in länger laufenden Anleihen zu rechnen", erklärt Kornelius Purps, Zins- und Währungsanalyst bei UniCredit MIB. "Eine Stabilisierung der Konjunkturerwartungen und sukzessiv fallende Volatilitäten in risikoreichen Assetklassen dürften die Renditen 10jähriger Staatsanleihen dann wieder über die 4%-Marke schieben." Zusätzlich sorgen erstmals seit vielen Jahren zwei Aspekte für höhere Risikoprämien jenseits des Geldmarktes: Zum einen die Unsicherheiten über die Fiskalpolitik aufgrund des Risikotransfers von den Banken auf den Staat und zum anderen Unwägbarkeiten über die Inflationsaussichten sobald sich die konjunkturelle Lage stabilisiert und der deflationäre Impuls einer globalen Rezession schwindet. Zum Jahresende 2009 erwarten wir das Niveau des 3M-Euribor bei 2,4%, die Rendite von 10jährigen Staatsanleihen bei 4,35%.

USD-Erholung bleibt keine Eintagsfliege

Hätte man vor 3 Monaten, als der EUR-USD Wechselkurs noch knapp unter 1,60 notierte, von der Quasi-Verstaatlichung der US-Immobilienfinanzierer und der Pleite von Lehman Brothers gewusst, die Erwartungen wären in Richtung 1,80 gegangen. Stattdessen erlebte der USD ein unglaubliches Revival, getrieben von dem kollabierenden Geschäftsklima im Euroraum, den konjunkturellen und finanziellen Problemen in Osteuropa und der Erkenntnis, dass der Euroraum noch keinesfalls eine Immunität gegenüber der amerikanischen Konjunkturverfassung aufgebaut hat. "Wir rechnen mit einem schnellen Zusammenlaufen der transatlantischen Zinsdifferenzen am Geldmarkt. Demnach sollte sich die US-Dollar- Befestigung nicht als Eintagsfliege erweisen und der EUR-USD Wechselkurs das Jahr 2009 auf einem Niveau von knapp über 1,20 beenden", sagt Kornelius Purps. Die Niedrigzinswährungen werden sich, basierend auf einer Stabilisierung des Makroumfelds und damit einhergehend einem Abbau der Risikoaversion explizit im zweiten Halbjahr, erneut abschwächen. Im EUR-CHF Wechselkurs rechnen wir mit einem Anstieg auf 1,55 und im EUR-JPY Wechselkurs mit einem Anstieg auf 133.

Stabilisierung an den Aktienmärkten

"Die globalen Aktienmärkte stehen derzeit am Beginn einer komplexen Bodenbildungsphase, die sich bis weit in das nächste Jahr hinein fortsetzen dürfte", erklärt Gerhard Schwarz, Leiter Global Equity Strategy von UniCredit MIB. Das fundamentale Umfeld wird zumindest in der ersten Jahreshälfte 2009 noch schwierig bleiben: Einerseits schrumpft die Wirtschaftsleistung weiter und andererseits sind die Gewinnerwartungen noch unrealistisch hoch. Zudem dürften die in den nächsten Monaten sprunghaft ansteigenden Unternehmenspleiten für Verunsicherung bei den Investoren sorgen. Aufgrund der Vielzahl der Belastungsfaktoren besteht das Risiko, dass die Tiefkurse dieses Jahres im Verlauf der nächsten Monate nochmals unterschritten werden. Ein massives und nachhaltiges Unterschreiten ist, aufgrund der bereits erfolgten Kursverluste von rund 50% in allen Regionen, jedoch nur für den unwahrscheinlichen Fall einer globalen Depression zu erwarten. Demgegenüber spiegeln die deutlich gesunkenen Bewertungen schon eine sehr weitreichende Verschlechterung für den Unternehmenssektor wider und die massiven Stimulierungsmaßnahmen von Seiten der Regierungen helfen, die Gefahr eines Auswachsens der Kreditklemme zu begrenzen. Per saldo sehen wir daher gute Chancen für eine erfolgreiche Stabilisierung der Aktienmärkte, die bis Ende 2009 eine positive Performance ermöglichen sollte.

Der Trend an den Aktienmärkten wird in 2009 sehr eng mit der Entwicklung einer Reihe von Einflussfaktoren verknüpft sein. So wird, wie schon in diesem Jahr, abermals der Konjunkturverlauf sehr entscheidend sein. Erst mit einer Stabilisierung bzw. Erholung der Frühindikatoren werden sich die Perspektiven nachhaltig aufhellen. Damit ist jedoch erst ab dem zweiten Quartal nächsten Jahres zu rechnen. Darüber hinaus ist eine Entspannung bei Risiko-Indikatoren, wie etwa den Volatilitäten, notwendig für eine Erholung der Aktienmärkte.

In einer relativen Betrachtung würden wir mit Blick auf 2009 europäische Aktien gegenüber USA und Japan bevorzugen.

Autor: Andreas Rees, Chefvolkswirt Deutschland bei Unicredit-Hypovereinsbank

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