Kommentar
12:00 Uhr, 08.04.2008

Deutsche Telekom – Eine kollektive Selbsttäuschung

Erwähnte Instrumente

Erster Tag im T-Mammutprozess, in dem es um die Ersparnisse von tausenden Anlegern ging, die vor acht Jahren 63,50 EUR für ein Telekom-Papier bezahlten und sich seitdem hintergangen fühlen. Was kam heraus? Nichts. Noch nichts. Vielleicht steht das Ergebnis erst im Jahr 2030 fest. Wer soll das wissen? Doch damals wollte jeder das schnelle Geld machen. Der Bund, der Anleger, das Unternehmen und auch die Banken. Einige wollten zehn Prozent an einem Tag, andere verwechselten die T-Aktie mit einem Sparbuch oder einer festverzinslichen Anlage. Wenn ich Manfred Krug richtig in Erinnerung habe, der ja angeblich nicht mal selbst ein Telefon besessen haben soll, hätte man glauben können, dass das auch funktionieren könnte. Er bekam dafür viel Geld. Manne Krug hat sich Ende 2006 dafür entschuldigt. Das wollen wir festhalten. Die Telekom hätte auch meine Oma als Werbefigur nehmen können, bloß spielte sie nicht im Tatort mit, nicht mal als Opfer.

Es war die Zeit mit einem Zuviel an TV-Werbung, an Hochglanzbroschüren, an Träumen, Hoffnungen und an Wünschen, die den Zeitgeist damals prägten. Anleger der ersten und zweiten Tranche hatten ja so dicke Gewinne eingefahren, was sollte bei der dritten Tranche noch schiefgehen? Die Träume stiegen in den Himmel. Die einen wollten nie wieder arbeiten, die anderen nie mehr Sorgen um ihren Altersruhestand haben, weitere den schnellen Zock. Jeder schwelgte in seinen eigenen Befindlichkeiten. Die kollektive Selbsttäuschung erlebte einen Höhepunkt. Die inzwischen verschwundenen Gurus der „New Economy“ sabberten etwas von einer neuen Ära. Selbst der damalige US-Notenbankchef Alan Greenspan hatte wilde und im Nachhinein dumme Argumente parat. Reich zu werden, indem man Geld schiebt, gehörte in diese Kategorie. Träume verkauften sich reihenweise am Fließband. Mit Mobilcom und dem anderen inzwischen gescheiterten Kram funktionierte das ja schließlich auch. Leute mit dem warnenden Finger belächelte man. Selbst diejenigen, die von einen Stop Loss redeten, also von der Reissleine, die unvorsichtige Anleger vor dem Schlimmsten bewahren, standen gedemütigt in der Ecke. Viele waren es nicht. Steigen sollte, was steigen musste.

Und dann betrat Mister Market die Bühne. Er rief „Alles Schwachsinn!“ schickte die graue Anlegermasse auf den Hosenboden und lieferte prompt dafür den Beweis. Die Kurse rutschten, oft ins Bodenlose. Und was machen Menschen, die Fehleinschätzungen getroffen haben oder sich hinters Licht geführt fühlen? Sie klagen! Die einen laut, die anderen leise, mit großen und weniger großen Verlusten, mit mehr oder weniger bekannten Staranwälten. Selten habe ich einen gesehen, der zugab, andere betrogen zu haben, selten einen, der eigene Fehler eingeräumt hat und auch bereit war, die Folgen dafür zu tragen. Dabei ist das Regel Nummer eins an der Börse. Und so beschäftigt man über 900 Kanzleien mit dem T-Prozess, der bis zum Sankt Nimmerleinstag laufen könnte. Nette Arbeitsbeschaffungsmaßnahme!

In der Tat, der Prospekt sollte stimmen. Das klären aber jetzt die Anwälte. Stimmig sollte auch die eigene Entscheidung sein, und so schlage ich eine einfache Lösung vor: Da jeder mit dabei war, auch unter dem Ausschluss von Intelligenz, Anstand und Normalität, könnte man das Leid ja teilen. Sagen wir 50 zu 50. In Amerika ging es ja auch. Wieso gibt der Bund eigentlich den Amerikanern die Unterlagen, die in Deutschland unter Verschluss sind? Was gibt es hier zu verstecken? Sagen wir
60 zu 40? Die Telekom wird die Millionen verschmerzen können. Besonders blauäugige Anleger, die Aktie mit Sparbuch verwechselten, haben ihre Lektion gelernt. An der Börse gibt es definitiv kein freies Mittagessen, dafür Stop Loss und auch Berater. Vielleicht sollte man einige von den Traum– und Seelenverkäufern in Zukunft mit Ignoranz belohnen.

Wer bitte schön hat sich schon den ganzen Prospekt durchgelesen? Ich meine von vorne bis hinten? Alle Seiten und alle Buchstaben. Alle wollten das schnelle Geld und die Sicherheit dazu. Mag sein, dass ein paar Anleger sich die Mühe machten, aber wer hat das schon verstanden? Ich nicht. Verstanden habe ich, dass da jemand ein Staatsunternehmen unters Volk bringen wollte, und das mit ultrahochglänzenden Heften und auch zu vielen Träumen. Sagen wir 70 zu 30? Enthalten darin ein Bonus für Blauäugigkeit und auch einer für das Ausnutzen der selbigen?

Die Telekom-Angelegenheit ist wohl nur ein Beispiel von Dingen, die tagtäglich an der Börse ablaufen. Wer hat im Sommer 2007 gemeint, der DAX wäre billig? Bitte melden! Was geschieht mit denen, die todsichere Tips in Börsenbriefen verkaufen, zusammen dem Traum des schnellen Geldes im Beipack? Zu wenig! Und wird Mister Market auch bei denen vorbeikommen, die felsenfest behauptet haben, dass die amerikanische Immobilienkrise nur eine Randerscheinung sei? Sicher. Rechtsanwälte hätten viel zu tun und sicherlich auch viel Spaß dabei.

Aber eins haben wir aber alle: Etwas gelernt. Oder auch nicht.

Frank Meyer - TV-Moderator bei n tv

http://www.frank-meyer.tv/

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Über den Experten

Harald Weygand
Harald Weygand
Head of Trading

Harald Weygand entschied sich nach dem Zweiten Staatsexamen in Medizin, einer weiteren wirklichen Leidenschaft, dem charttechnischen Analysieren der Märkte und dem Trading, nachzugehen. Nach längerem, intensivem Studium der Theorie ist Weygand als Profi-Trader seit 1998 am Markt aktiv. Im Jahr 2000 war er einer der Gründer der stock3 AG und des Portals www.stock3.com. Dort ist er für die charttechnische Analyse von Aktien, Indizes, Rohstoffen, Devisen und Anleihen zuständig. Über die Branche hinaus bekannt ist der Profi-Trader für seine Finanzmarktanalysen sowie aufgrund seiner Live-Analysen auf Anlegerveranstaltungen und Messen.

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