Kommentar
12:21 Uhr, 12.01.2012

Deutsche Börse mit neuem Schlag gegen Betrüger

Seit vielen Jahren werden im Freiverkehr der Deutschen Börse (in Frankfurt "Open Market") unerfahrene Anleger abgezockt. Für wenig Geld (mit 20 TSD EUR ist man durchaus schon dabei) konnte man meist mehr oder weniger komplett wertlose Gesellschaften listen lassen. Diese wurden dann in denkbar unseriösen Blättern empfohlen mit Sitz in aller Regel im Ausland (oftmals in der Schweiz).

Das Spielchen lief immer gleich ab: Die Initiatoren haben zu Beginn praktisch alle Aktien unter ihrer Kontrolle. So lassen sich auch atemberaubende Bewertungen hinzaubern. Es war nicht ungewöhnlich, dass AGs mit praktisch keinerlei operativem Geschäft und null Substanz an der Börse zwei-dreistellige Mio-Marktkapitalisierungen aufwiesen.

Dann kommen die Schmierblätter ins Spiel, die unter rücksichtloser Verwendung von Lügen abenteuerliche Kursziele ins Spiel bringen, und schließlich springen ein paar arme "Anleger" auf den vermeintlich abfahrenden Zug auf.

Aufgrund der absurd aufgeblasenen Bewertung zu Beginn der Börsenpräsenz reicht es den Betrügern, ein paar Prozent der Aktien auf hohem Niveau zu verkaufen, um einen sehr guten Schnitt zu machen. Diese gewissenlosen Gauner schrecken auch nicht davor zurück, millionenfach Faxe an Haushalte und Büros zu verschicken, die zum Kauf animieren sollen.

Die Deutsche Börse hat in der Vergangenheit schon mehrfach reagiert, vor allem indem die Listingvoraussetzungen verschärft wurden. Zuletzt war immerhin ein Eigenkapital von 500 TSD EUR vorzuweisen, für einfallsreiche Betrüger ein Lacher. Dieses Kriterium kann man durch Einbringung einer (wertlosen) Sacheinlage leicht erfüllen, wenn man mit einem gewissenlosen Wirtschaftsprüfer zusammenarbeitet.

Nun hat die Deutsche Börse aber wohl eingesehen, dass es so nicht weiter gehen kann.
In einem Schreiben kurz vor Weihnachten wurde angekündigt, dass es vorerst überhaupt keine Listings mehr im Open Market geben wird. Betroffen ist das "First Quotation Board", das bedeutet die Gesellschaft hat kein anderes Listing. Wenn also ein Unternehmen bereits z.B. an der Nasdaq notiert, ist ein Zweitlisting im Open Market auch weiterhin kein Problem.

Ich fordere schon seit Jahren, dass die Deutsche Börse überhaupt keine Erstlistings mehr im Freiverkehr zulassen soll, wenn nicht ein Prospekt vorgelegt wird. Dieser muss aber in seinem Umfang drastisch zusammengestaucht werden. Kein Kleinanleger liest sich 200seitige Prospekte durch, alles wesentliche - insbesondere Beschreibung der Geschäftstätigkeit, Bilanz und GuV, lässt sich auf 10 Seiten zusammenfassen. Das würde auch die doch recht hohen Kosten für die Prospekterstellung begrenzen.

Stand jetzt können sich die Open Market Unternehmen sogar darauf berufen, dass sie im wesentlichen NICHTS veröffentlichen dürfen, was nach IR-Tätigkeit aussieht, weil dazu ja ein korrekter Prospekt als Voraussetzung nötig wäre. Das führt dazu, dass es oftmals schwer ist, elementarste Daten wie die Anzahl der Aktien zu erfahren. Die Bilanz vieler Open Market-Unternehmen werden Sie vergebens suchen.

Die Pause, die die Deutsche Börse nun in Sachen Neu-Listings nimmt, sollte sie nutzen, um gemeinsam mit der BaFin neue Regel zu erarbeiten. Man kann auch mal darüber nachdenken, ob ein Unternehmen nicht eine Mindestanzahl von Jahren der Existenz nachweisen muss, ehe es den Weg an die Börse geht...

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Über den Experten

Daniel Kühn
Daniel Kühn
Freier Finanzjournalist

Daniel Kühn ist seit 1996 aktiver Trader und Investor. Nach dem BWL-Studium entschied sich der Börsen-Experte zunächst für eine Karriere als freier Trader und Journalist. Von 2012 bis 2023 leitete Daniel Kühn die Redaktion von stock3 (vormals GodmodeTrader). Seit 2024 schreibt er als freier Autor für stock3.
Daniel Kühn interessiert sich vor allem für Small und Mid Caps, Technologieaktien, ETFs, Edelmetalle und Kryptowährungen sowie für makroökonomische Themen.

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