Kommentar
08:50 Uhr, 07.09.2011

Der Weg in den europolitischen Absolutismus oder wenn der Hund sein Herrchen angreift

Die politische Alleinherrschaft fand im Absolutismus des französischen Königs Ludwig XIV. - L'État, c’est moi! bzw. der Staat bin ich - ihren europäischen Höhepunkt. Mit der französischen Revolution und dem einsetzenden Zeitalter der Aufklärung wurde schließlich auch die parlamentarische Demokratie, also die „Volksherrschaft“ in Europa errungen. Dabei ist das Haushaltsrecht das Königsrecht des Parlaments, also die bedeutende Frage, warum, wofür und wann die Regierung das Geld des Steuerzahlers ausgeben darf. Man könnte auch sagen, es ist klar geregelt, wer Hund und Herrchen ist.

Hierbei könnte zukünftig eine echte Herausforderung auf uns zukommen. Das Haushaltsrecht trifft auf die real existierende Euro-Krise. Aus dem Blickwinkel der Euro-Politiker scheint ihre Lösung in immer größeren Rettungsaktionen zu liegen. Leider lässt die finanzpolitische Befriedung von Griechenland jedoch sehr zu wünschen übrig: In diesem Jahr wird die hellenische Wirtschaft um gut vier Prozent einbrechen und die Schuldenlast um etwa den gleichen Prozentsatz steigen. Eine griechische Parlamentskommission spricht klar davon, dass die Schulden Griechenlands außer Kontrolle geraten sind. Wenn sie es schon feststellen…

Neue Rettungspakete ohne Zustimmung der nationalen Parlamente?

Also, neue Rettungsgelder braucht das Land, und zwar schnell. Und wer weiß, wer zukünftig noch Geld brauchen wird. Nach Ansicht vieler übrigens auch deutscher Euro-Politiker muss eine schnelle Eingreiftruppe her, die zukünftig wie die Feuerwehr retten kann. Da wäre es doch arbeitstechnisch sinnvoll, wenn man einer großen und mächtigen Brüsseler Kreditanstalt mit einer parlamentarischen Generalabsolution großzügig Haushaltsrechte übertragen würde und sich damit zukünftig die mühselige Ochsentour langwieriger Parlamentsdebatten erspart, oder?

In dieser Diskussion geht es nicht um die tendenziös hochgespielte Befürchtung von so manchem Euro-Politiker, dass jeder einzelne Aufkauf von Staatsanleihen prekärer Euro-Länder seitens des Rettungsschirms bei erforderlicher Zustimmung eines jeden nationalen Parlaments zu viel Zeit im Kampf gegen die ach so bösen Finanzmärkte - die herzlos über die Euro-Länder herfallen - kostet. Dieses Problem könnte man mit sinnvollen Vorratsbeschlüssen zweifelsfrei umgehen. Schließlich wird auch nicht jede neue Bundesanleihe vom Bundestag genehmigt.

Erst der kleine Finger, dann die ganze Hand?

Nein, hier geht es um das Prinzip. Wer sagt uns, dass anfängliche Übertragungen von Parlamentsrechten an Brüssel nicht der kleine Finger sind, dem später weitere Teile der Hand folgen?

Diese Übertragungsschritte gar damit zu begründen, dass es den euroländischen Harmonisierungsprozess befördert, sticht nicht. Das Pferd von hinten aufzuzäumen, ist immer ein riskantes Unterfangen. Und genau das zeigt sich ja auch jetzt. Die Rettungspakete schlagen nicht an, sondern die soziale Stimmung in den Nehmerländern um. Man muss von vorne anfangen, d.h. die wirtschaftspolitische Harmonisierung und vor allem die Perspektiven der einzelnen Euro-Länder in den Vordergrund stellen. Selbst ein Peter Zwegat - der medial bekannte Schuldnerberater - bleibt bei der Begutachtung seiner Sünder nicht auf der Ebene der reinen Schuldenbetrachtung stehen. Natürlich ist die Perspektive, wie man über die Erwirtschaftung von Geld aus eigener Kraft überhaupt schuldenrückzahlungsfähig ist, genauso wichtig. Und wenn man da kein lohnendes Geschäftsmodell erkennen kann, folgt schließlich die Privatinsolvenz und keine Bank gibt weitere Kredite. Und wenn auf Länderebene keine Perspektive erkennbar wird? Dann folgt politisch das nächste Rettungspaket.

Das nationale Parlament als Anwalt des Steuerzahlers

Es macht keinen Sinn, mit einem parlamentarischen Blankoscheck diese perspektivlose Rettungspolitik auch noch zu fördern, indem man Kontrollrechte an Brüssel abgibt. In einem Kalenderspruch habe ich dieser Tage gelesen: Wer die Musik bestellt, muss sie auch bezahlen, aber er bestimmt als Gegenleistung auch, was gespielt wird. Deutschland hat den Euro politisch gewollt und der deutsche Steuerzahler hängt mit der höchsten Haftungsgarantie von mittlerweile über 200 Mrd. Euro im Ernstfall am Fliegenfänger. Da ist es selbstverständlich, dass wir das euroländische Konzert maßgeblich mit dirigieren. Und dieses Dirigentenrecht übt das deutsche Parlament, als Anwalt des Steuerzahlers, aus. Es darf von Anfang an nicht beschnitten werden, auch wenn es dieses demokratische Urrecht in der Praxis mitunter mühselig ist. Der Hund darf sein Herrchen nicht angreifen.

Für ein gemeinsames Europa lohnt jede Anstrengung, aber nicht jede absolutistische Maßnahme ist gerechtfertigt. Aus Brüssel darf man nie hören: L’ Europe, c’est moi!

Robert Halver, Leiter Kapitalmarktanalyse der Baader Bank AG

Rechtliche Hinweise/Disclaimer und Grundsätze zum Umgang mit Interessenskonflikten der Baader Bank AG:

http://www.baaderbank.de/disclaimer-und-umgang-mit-interessenskonflikten/

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