Kommentar
20:00 Uhr, 26.11.2008

Der Wahnsinn geht weiter...

Was waren das doch für friedliche Tage, noch im vergangenen Jahr, als man sich gegen Ende November auf die Suche machte nach passenden Weihnachtsgeschenken für die Lieben daheim. Vielleicht sollte man diese verdammte Krise endlich abschütteln und sich wieder den schönen Dingen des Lebens widmen...?!

Dieser Kommentar erschien am Wochenende auf der Weekendedition von GodmodeTrader.de .

Sie sind herzlich eingeladen, besuchen Sie und auch am Wochenende.

Ich fürchte aber, es wird uns nicht erspart bleiben, die Dinge noch eine ganze Weile zu ertragen: Was im Sommer 2007 als Finanzkrise begann, das entwickelt sich immer mehr zu einer Weltwirtschaftskrise. In dieser Woche gab es einige Nachrichten, die klar machen, dass sich das Dilemma allmählich in den Köpfen der Menschen festsetzt:

Während der Chef des Münchner Ifo-Instituts, Hans-Werner Sinn, durch die Finanzkrise einen deutlichen Zuwachs bei den Arbeitslosen in Deutschland erwartet, prognostizieren US-Geheimdienste den Niedergang der Vereinigten Staaten als weltweit führende Wirtschaftsnation. Und auch der Dollar werde seine Rolle als Weltleitwährung verlieren, so erwarten es die Geheimdienste.

Hinzu kommen beunruhigende Nachrichten zur Konjunkturlage. In den USA steigt die Zahl der Arbeitslosen mit beängstigender Geschwindigkeit. Einige Mitglieder der US-Notenbank rechnen für 2009 mit einem Rückgang des Wirtschaftswachstums von einem Prozent, bei einer Arbeitslosenquote von acht Prozent. Und die deutsche Wirtschaft schrumpft schon heute unerwartet deutlich.

Dass sich Deutschland als Exportweltmeister auf harte Zeiten einstellen muss, das macht nicht nur die Situation in den USA deutlich, einem der wichtigsten deutschen Absatzmärkte überhaupt:

In kaum einem anderen Land der Welt hat die Automobilindustrie eine ähnlich herausragende Bedeutung für das Wohlergehen der Konjunktur wie in Deutschland. Und ausgerechnet die Autobauer und deren Zulieferer werden von der Krise bislang am härtesten getroffen.

Es ist müßig, darüber zu sinnieren, was wohl wäre, hätten die deutschen Autokonzerne den Trend zu energiesparenden und umweltschonenden Autos nicht völlig verschlafen. Es ist ein Treppenwitz der Geschichte, dass die aufgeregte Werbung für den neuen Siebener BMW ausgerechnet in eine Zeit fällt, da die deutsche Automobilindustrie mit der größten Krise seit dem Zweiten Weltkrieg konfrontiert ist.

Gleichzeitig sind die schillernden Werbeplakate Ausdruck einer völlig verfehlten Produktpolitik der gesamten Branche. Doch selbst vor dem Hintergrund wegbrechender Verkaufszahlen bei allen deutschen Autokonzernen besteht kurzfristig wenig Hoffnung auf Besserung: Bis Großkonzerne wie Daimler oder BMW ihre Produktpalette den neuen Erfordernissen angepasst haben, gehen Jahre ins Land. Doch diese Krise hat wenig Zeit....

Nach den Banken jetzt die Unternehmen...?

Das Problem sind mittlerweile nicht mehr in erster Linie die finanzakrobatischen Kunstprodukte der Banken – immer mehr wird jetzt deutlich, dass die Krise die Realwirtschaft weit stärker erfassen wird als bislang vermutet. Wegen der dramatisch sinkenden Nachfrage nicht nur bei Autos drohen Kreditausfälle auch bei größeren und kleineren Unternehmen.

Es passt ins Bild, dass der S&P 500 die Tiefs aus dem Jahr 2003 am Donnerstag mit erstaunlicher Leichtigkeit unterschritten hat. Damit ist das eingetreten, was wir in der November-Ausgabe des Antizyklischen Börsenbriefs vermutet hatten: Der Absturz des S&P 500 unter diese wichtige Unterstützungszone (rote Linie) hat die Angst der Anleger auf die Spitze getrieben....

Für uns als antizyklisch agierende Investoren stellt sich die Frage, ob man jetzt entschlossen ins Bullenlager wechseln sollte. Eine Bärenmarktrallye, die diesen Namen auch verdient, ist längst überfällig.

Sollte es demnächst NICHT zu einer Rallye kommen, dann wird diese Krise genau das fortsetzen, was sie bislang „auszeichnet“: Regeln, die bislang als verlässlich und prognosesicher gegolten haben, solche Regeln werden mehr und mehr außer Kraft gesetzt. Man traut manchmal seinen Augen kaum, was in diesen Tagen alles geschieht. Ich muss Ihnen da nichts erzählen. Sollte es jetzt weiter abwärts gehen, dann würden die Börsen eine schwere Rezession vorweg nehmen, die jene nach 1929 möglicherweise noch übertrifft.

Gestern kam mir dazu folgender Gedanke: Was, wenn diese Krise nun auch eine sehr wichtige Börsenregel außer Kraft setzt, nämlich die, dass nach einem starken Einbruch eine massive Gegenbewegung zu erwarten ist? Die Kurse könnten sich zum Beispiel einfach nur seitwärts bewegen. Dagegen sprechen allerdings die massive Liquiditätsflut der jüngsten Vergangenheit - dieses Geld will investiert werden - und die unverbesserliche Gier der Anleger, die sofort aufspringen werden, sobald sich erste Ansätze einer Erholung zeigen.

Eine Rallye um 50 Prozent innerhalb weniger Wochen halten wir immer noch für sehr wahrscheinlich – doch was, wenn die Ausgangsbasis viel niedriger ausfällt als das alle erwarten? Dann hätten die meisten langfristig agierenden Anleger überhaupt nichts davon. Sollte der Dow Jones die laufende Korrektur etwa erst im Bereich von 6.000 Punkten beenden, würde ein Anstieg um 50 Prozent den Index gerade einmal in den Bereich von 9.000 Punkten hieven....

Jahresendrallye?

Doch es gibt auch gute Nachrichten: Die Vorstellung vom Freitag weist einige Merkmale auf, die darauf hindeuten, dass womöglich auf der Zielgerade doch noch eine Jahresendrallye gestartet wird: Ein Intraday-Reversal beim Dow Jones mit starkem Volumenanstieg in Verbindung mit positiven Divergenzen bei einigen Indikatoren – daraus könnte in der kommenden Woche durchaus mehr werden:

Das ist auch dringend nötig: Kommt es jetzt nicht sehr bald zu einer starken Rallye, dann werden wir alle uns über die gerade erst beginnende Wirtschaftskrise noch sehr wundern.

Die folgende Abbildung gefällt mir in diesem Zusammenhang überhaupt nicht: Die Verluste im ersten Jahr der Krise, konkret von Herbst 2007 bis heute, übertreffen in ihrem Ausmaß alles, was es in den vergangenen 100 Jahren gegeben hat, und zwar inklusive 1929. Der rote Balken ganz links zeigt die aktuelle Situation, der Balken rechts daneben, bisheriger Spitzenreiter, ist nur noch die Nummer zwei: Das Jahr nach 1929...

Mit anderen Worten: Die aktuelle Krise übertrifft, was das erste Jahr der Verluste angeht, selbst das Katastrophenjahr 1929. Man braucht eine Menge Phantasie, um sich auszumalen, was das noch bedeuten könnte.

Keine Sorge...?

In dieser Woche war irgendwo zu lesen, Anleger sollten sich keine Sorgen machen: Wie das japanische Beispiel zeige, gehe das Leben auch in einer langjährigen Krise „irgendwie“ weiter. Das stimmt natürlich. Irgendwie geht es immer weiter.

Doch hierzu ist noch mehr zu sagen. Zum Beispiel, dass sich das japanische Dilemma im Wesentlichen im Umfeld einer starken und robust wachsenden Weltwirtschaft abspielte. Zudem war das Phänomen auf Japan beschränkt.

Heute liegen die Dinge völlig anders: Die Weltwirtschaft steht vor der größten Herausforderung seit Generationen. Und zu allem Überfluss hat die Krise mittlerweile nicht nur einzelne Regionen oder Branchen erfasst – wir haben es hier mit einer weltweiten systemischen Krise zu tun. So wie sich die Dinge heute darstellen, war die japanische Erfahrung dagegen ein Kindergeburtstag.

Hoffen wir also, dass es nicht so schlimm kommt, wie sich das jetzt andeutet. Aber bereiten wir uns auf alles vor, auch auf eine deutliche Verschlimmerung der Situation. Kommt es dann anders, umso besser....

An der New Yorker Börse dürfte in der vergangenen Woche die Aktie der Citigroup (US-Kürzel C) für so manche unruhige Anleger-Nacht gesorgt haben: Der Titel stürzte von fast zehn auf weniger als 3,50 US-Dollar ab.

Die einstmals größte Bank der Welt sucht nach einem Ausweg aus der Finanzkrise und will jetzt offenbar fusionieren oder einen Käufer für Unternehmensteile finden. Der Konzern bekräftigte, eine starke Kapital- und Liquiditätsbasis zu haben. Die Bank will die Regierung deshalb auch nicht um weitere Hilfen bitten und sieht keine ungewöhnlichen Probleme.

Auffallend ist auch, dass die Insider seit einiger Zeit die eigenen Aktien einsammeln: Allein während der vergangenen vier Wochen haben acht Manager Citigroup-Aktien im Gesamtwert von 17,6 Millionen US-Dollar eingekauft.

Der Kursverlauf sieht verdächtig nach bevorstehender Insolvenz aus. Sollten die Insider so dermaßen daneben liegen?

Probleme bei Deutz?

Der Motorenhersteller Deutz (WKN 630500) erwartet offenbar einen drastischen Absatzrückgang. In internen Szenarien geht der Konzern laut "Financial Times Deutschland" davon aus, dass der Absatz im kommenden Jahr um mehr als 20 Prozent schrumpfen wird. In diesem Jahr will Deutz etwa 260.000 Motoren verkaufen, 2009 sollen es nur noch 200.000 sein. Der Konzern erklärte, die bisherige Umsatzprognose sei gefährdet.

Beim Öl würden wir uns allmählich auf eine Trendwende vorbereiten. Mittlerweile geistern Kursziele von 30 US-Dollar und darunter durch die Gazetten. Und Sie wissen ja: Wenn die so genannten Experten mit ihren Prognosen ganz offensichtlich übers Ziel hinaus schießen, dann wird es Zeit, eine Gegenposition einzunehmen. Derzeit tun einige ja schon so, als werde die Wirtschaft wegen der weltweiten Krise in Zukunft kein Öl mehr benötigen.

Doch das ist nicht der Grund, warum wir in den kommenden Wochen mit einer Trendwende rechnen: Die kommerziellen Marktteilnehmern beginnen gerade, sich beim Öl auf der Long-Seite zu positionieren. Und in der Regel ist es klug, sich nicht gegen die Profis zu positionieren.

Das gilt übrigens auch für das Gold: Hier war der starke Abbau der Short-Positionen seitens der Profis bereits seit längerer Zeit zu beobachten. Der starke Kursanstieg vom Freitag ist daher keine Überraschung. Der Gold-ETF (US-Kürzel GLD) zeigt, dass der Trend bei dem Edelmetall am Freitag gedreht hat:

Chart Gold

Im Sog der Stärke beim Goldpreis wundert es nicht, dass sich auch bei einigen Goldaktien jetzt eine untere Trendwende anzubahnen scheint. Die Aktien von Branchenschwergewicht Barrick Gold (US-Kürzel ABX) etwa sind am Freitag nach oben ausgebrochen. Der Point & Figure-Chart zeigt das:

Auch die relative Stärke der Goldaktien gegenüber dem breiten Markt hat sich zuletzt weiter verstärkt. Der folgende Vergleich des S&P 500 (rote Linie) mit den Aktien von Barrick Gold (blau) zeigt das:

Wie auf der Grafik gut zu erkennen ist, haben die Aktien des schwergewichtigen Gold-Titels allein in der vergangenen Woche rund 30 Prozent (!) besser abgeschnitten als der S&P 500.

Es könnte der Auftakt zu einer Entwicklung sein, die wir in der aktuellen Ausgabe des Antizyklischen Börsenbriefs skizziert hatten: Ähnlich wie nach 1929 rechnen wir in den kommenden Jahren mit einer deutlichen Outperformance der Gold- und Silberproduzenten gegenüber dem breiten Markt. Gold ist Cash, und zwar in seiner ursprünglichsten Form, doch das haben die meisten Anleger entweder noch nicht verstanden oder längst wieder vergessen. Die aussichtsreichsten Gold-Titel hatten wir in der aktuellen Ausgabe des Antizyklischen Börsenbriefs vorgestellt.

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Wie wir die Lage jetzt einschätzen und was wir unseren Lesern raten, lesen Sie in der aktuellen Ausgabe des Antizyklischen Börsenbriefs, die in Kürze erscheint.

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Zum Autor:
Andreas Hoose ist Chefredakteur des Antizyklischen Börsenbriefs und Geschäftsführer des Antizyklischen Aktienclubs. Börsenbrief und Aktienclub, das komplette Servicepaket für die Freunde antizyklischer Anlagestrategien! Informationen finden Sie unter [Link "www.antizyklischer-börsenbrief.de" auf www.antizyklischer-b%C3%83%C6%92%C3%86%E2%80%99%C3%83%E2%80%9A%C3%82%C2%B6rsenbrief.de/... nicht mehr verfügbar] und www.antizyklischer-aktienclub.de

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