Kommentar
09:28 Uhr, 09.10.2003

Der Konjunktur könnte der Schwung ausgehen

Nach einer Reihe enttäuschender Zahlen (ISM & Verbrauchervertrauen) Anfang letzter Woche brachte der Anstieg der nicht-landwirtschaftlichen Lohn- und Gehaltslisten um 57.000 am Freitag Erleichterung auf der einen Seite und Enttäuschung für Investoren in Aktien- und Rentenwerten weltweit auf der anderen Seite. Außerdem lag das Niveau der Lohn- und Gehaltslisten im September mit steigenden Zahlen gegenüber den Monaten Juli und August gut 125.000 über den ursprünglich veröffentlichen Zahlen und der allgemeinen Prognose für den Monat (-25.000). Die derzeitige ‚joblose' Konjunkturerholung (zur Erinnerung: das offizielle Ende der Rezession im November 2001 liegt 23 Monate zurück) war einer der Gründe, warum wir die Nachhaltigkeit des gegenwärtigen Wachstumsaufschwungs in Frage stellen. Damit wir die Prognose anderer Volkswirte von einem 4%igen Wachstum nächstes Jahr teilen können, müssen die gegenwärtigen Zahlen der Ausgangspunkt für sehr stark ansteigende Gewinne in der Zukunft sein - wir bleiben skeptisch.

Gleichzeitig entsprach die BoJ's Tankan-Umfrage in der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt den Erwartungen und stand im Einklang mit der exportgetriebenen Wachstumserholung. Die jüngste und schnelle Aufwertung des Yen hält das Szenario allerdings sehr stark in der Schwebe.

Schließlich war die Woche der sich verbessernden Umfragen das Thema der gesamteuropäischen Daten. Sowohl die Euro-12 Umfrage als auch die UK Manufacturing Umfrage schlossen über 50 Zähler ab (für die erstere zum ersten Mal seit Februar), und dies entspricht den expandierenden Produktionssektoren. Die soliden neuen Aufträge bedeuten, dass diese Entwicklung für einige Zeit anhalten dürfte. Ein ähnliches Bild zeigt sich für den entsprechenden Bereich im Dienstleistungssektor, wobei Großbritannien mit 58,7 Zählern der höchste seit April 2000 war.

Es scheint also, als würde die Volkswirtschaft in Großbritannien an Schwung gewinnen - das Thema, das durch die Daten dieser Woche aufkam, und das Thema, auf das wir uns diese Woche konzentrieren.

Fokus auf Großbritannien - ein Umschreiben der Geschichte

Für alle diejenigen, die gegenüber Wirtschaftsprognosen skeptisch eingestellt sind, sei gesagt, dass es genauso schwierig sein kann, die Vergangenheit im richtigen Licht dazustellen wie die Zukunft! Am Dienstag schloss National Statistics ihre Revision der Nachkriegsdaten mit neuen Schätzungen für 2002 und die erste Hälfte dieses Jahres ab. Im Folgenden betrachten wir die Auswirkungen dieser Veränderungen sowohl auf die reale Wirtschaft als auch auf die monetäre Politik.

Lassen Sie uns mit den Daten beginnen! Das jährliche Wachstum in 2002 wurde von 1,9% auf 1,7% nach unten korrigiert. Das wurde allerdings mehr als ausgeglichen durch die neuen Wachstumsschätzungen dieses Jahr - vom vierteljährlichen Wachstum im ersten und zweiten Quartal wird berichtet, dass es doppelt so schnell gestiegen ist, wie ursprünglich prognostiziert.

Zusammen mit einem recht kräftig steigenden Wachstum in 1999 (2,4% - 2,8%) und 2000 (3,1% - 3,8%) legt dies den Schluss nahe, dass es wahrscheinlich weniger freie Kapazitäten in der Volkswirtschaft gibt, als zuvor angenommen. Dies passt besser zu der gegenwärtigen Enge des Arbeitsmarktes - die Arbeitslosenrate verharrte auch 2003 auf ihren niedrigsten Wert seit 28 Jahren. Wie gewöhnlich gibt es ein stärkeres Interesse an der Struktur des Wachstums. Die realen Verbraucherausgaben und die Staatsausgaben wurden nach unten korrigiert und durch Revisionen nach oben in den Bereichen Investment und Nettohandel fast gänzlich ausgeglichen. Diejenigen, die sich Gedanken über die zunehmenden Ungleichgewichte in der britischen Volkswirtschaft machen, können beruhigt sein - die Risiken eines unangenehmen Ausgleichs sind reduziert worden.

Allerdings betrachten wir die Entwicklung im Bereich Haushaltsausgaben mit Vorsicht. Die Datenrevisionen unterstützen den Gedanken, dass die Höhe des Gehalts/Einkommens entscheidend die Höhe der Ausgaben beeinflusst - der Rückgang des Einkommensniveaus 2000 scheint keine Auswirkungen auf die Verbraucherausgaben zu dieser Zeit gehabt zu haben. Die Revisionen zeigen uns nun, dass diese Annahme nicht korrekt ist. Da das reale Einkommen derzeit niedriger ist als vor einem Jahr, zum ersten Mal seit 1996, rechnen wir mit einem anhalten Abwärtsdruck auf die Konsumausgaben. Die jüngste Stärke der Einzelhandelsverkaufszahlen während des Sommers scheint von zusätzlichen Kreditaufnahmen unterstützt worden zu sein, was keine nachhaltige Wachstumsquelle darstellt, die darüber hinaus auch noch bei steigenden Zinsen versiegen könnte.

Während auf Staatsebene die realen Konsumdaten nach unten korrigiert wurden, wurde die nominale Konsumhöhe nach oben korrigiert. Das heißt, dass die Deflationsrate des Staatssektors (Inflation des öffentlichen Sektors) stark gestiegen ist - von 4,4% auf 7,6%. Um es schonungslos zu formulieren, rund ¾ des 12%igen Anstiegs der Regierungsausgaben entfallen auf Lohn- und Gehaltszahlungen sowie auf administrative Kosten, statt auf reale Verbesserungen im öffentlichen Dienstleistungssektor.

Ein letzter Punkt der Zusammensetzung des Wachstums ist eine erhebliche Korrektur nach unten im Bereich der Auswirkungen der Lagerhaltung im zweiten Quartal dieses Jahres. Jetzt wird geschätzt, dass es die 0,6% q/q Wachstumsrate um 0,3% gedrückt hat. Da die Nachfrage steigt und sich somit mehr Bandbreite für eine Lagerhaltung eröffnet, rechnen wir mit einer zunehmenden Wachstumsdynamik in den nächsten Quartalen. Tatsächlich, die anhaltenden Anstiege sowohl im Herstellungs- als auch im Dienstleistungssektor-PMI im September, die ein 16-Monats- bzw. 40- Monatshoch erreichten, stimmen mit einem Wachstum überein, das auf ungefähr 0,7% q/q im dritten Quartal anwächst.

Bündeln wir diese Faktoren, so sind wir der Auffassung, dass der Geldpolitische Ausschuss (MPC) aller Voraussicht nach die Zinssenkung von Juli vor Ende des Jahres rückgängig machen wird, vielleicht sogar schon in ihrer Zusammenkunft diese Woche. Die ‚vorsorgliche' Zinssenkung wurde damals damit begründet, dass ‚die GB-gewichtete Aktivität weltweit schwächer ausfiel als erwartet.' Da sowohl die weltweiten als auch die inländischen Daten sich seitdem entscheidend verbessert haben, erscheint diese Zinssenkung aus Sicherheitsgründen zunehmend unnötig. Da wir nicht davon ausgehen, dass eine Zinssteigerung den Beginn eines aggressiv anziehenden Konjunkturzyklusses einläutet, wie dies der Markt annimmt (wir rechnen damit, dass der weltweiten Konjunktur nächstes Jahr der Schwung ausgehen wird), ist dies nicht das Weihnachtsgeschenk, das sich die Kreditnehmer wünschen.

Quelle: Schroders

Die Schroders-Gruppe ist eine führende internationale Vermögensverwaltungsgesellschaft, die 1804 gegründet wurde. Schroders verwaltet Anlagen für Pensionsfonds, Regierungsbehörden, Wohltätigkeitsorganisationen, Körperschaften, Familienunternehmen und vermögende Privatpersonen weltweit und ist ein führender Verwalter von Investmentfonds. Schroders bietet Anlagen in allen wichtigen Vermögenskategorien in entwickelten Ländern und Schwellenländern an: Aktien, Schuldtitel, Geldmarktinstrumente, Beteiligungen und Immobilien. Das weltweit verwaltete Vermögen betrug zum 31. Dezember 2002 über 135,5 Mrd. Euro.

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