Kommentar
13:56 Uhr, 29.07.2009

Der ganz große Knall ist ausgeblieben. Oder kommt er noch ?

Wie wär´s zur Abwechslung heute mal wieder mit der Finanzkrise als Editorial-Thema? Lange nichts gehört…ich weiß nicht mehr ob ich es Ihnen aus Versehen schon mehrfach zu früh angekündigt habe, aber ich glaube tatsächlich dass die Krise in ihrer akuten Form nun vorbei ist. Einige Nachwehen werden noch kommen, die eine oder andere auch größere Bank in den USA noch pleite gehen, das Auslaufen der massenhaften Inanspruchnahme des Kurzarbeitergeldes sich bemerkbar machen.

Aber der ganz große Knall ist ausgeblieben und wird wohl auch die nächsten Jahre nicht mehr kommen.

Ich möchte an dieser Stelle auch meine vielen Freunde und Bekannte aus der Finanzbranche grüßen, die große Vorräte an Konserven im Keller angelegt haben: Es ist vielleicht an der Zeit, die eigene Psyche zu schonen und Normalität einkehren zu lassen…

Ich bin abermals begeistert davon, wie die Börse den Konjunktursignalen vorauslief: Der DAX startete seine sagenhafte Rallye im März, und erst jetzt, fast 5 Monate später, trudeln positive Wirtschaftssignale ein. Nicht unerwähnt bleiben darf natürlich, dass dies eine wechselseitige Beeinflussung ist: Man darf nicht unterschätzen, dass gerade das Ende des Abwärtstrends an den Börsen einen erheblichen konjunkturellen Einfl uss ausüben kann; vom positiven Vermögenseff ekt bis hin zur reinen Stimmungssteigerung.

Aber auch wenn jetzt wieder alles nicht mehr so wild aussieht, auch wenn Goldman Sachs und Co schon wieder 2007 spielen, die wirtschaftliche Welt wird im Westen nicht mehr so sein wie vorher: Das Wachstumsdogma beginnt erheblich zu wanken.

Möglicherweise ist die entwickelte Welt an einem Punkt angelangt, wo dauerhafte Wachstumsraten von real 3% p.a. weder möglich noch wünschenswert sind. Letztlich steuert die Natur als stabilen Endzustand immer das Nullwachstum an. Stattdessen könnte das Ziel also nun lauten, den erreichten Wohlstand zu wahren und qualitativ zu wachsen – das ist ja auch nicht grad die schlimmste aller Welten. Die eine oder andere Branche wird vielleicht auch in Zukunft in Europa und den USA noch über Jahrzehnte stark expandieren, aber unter dem Strich? Was für uns gilt, ist für die aufstrebenden Ökonomien noch Zukunftsvision. Bis China und Co in der Breite (in sehr kleinen Schichten haben sie es ja schon geschaff t) unser Wohlstandsniveau erreichen, werden noch viele Jahrzehnte verstreichen. Wenn sich die Welt weiterhin auf freien Handel als Grundlage des ökonomischen Miteinanders besinnt, dann sollten wir auch davon profi tieren. Aber wir können unmöglich die Wachstumsraten der Emerging Markets erreichen. Es ist ein ganz simpler Sättigungs-und Basiseff ekt: Den Umsatz von 100 auf 110 EUR zu steigern ist nun mal einfacher als von 100 TSD auf 110 TSD…die große Frage ist, wie das System Staat fi nanziell unter den Bedingungen von dauerhaftem Quasi-Nullwachstum funktioniert. Kollabiert die soziale Sicherung? Dann kriegen wir eine Krise reloaded, den Film möchte ich nicht sehen…
Daniel Kühn - Chefredaktion http://www.tradersjournal.de

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Über den Experten

Daniel Kühn
Daniel Kühn
Freier Finanzjournalist

Daniel Kühn ist seit 1996 aktiver Trader und Investor. Nach dem BWL-Studium entschied sich der Börsen-Experte zunächst für eine Karriere als freier Trader und Journalist. Von 2012 bis 2023 leitete Daniel Kühn die Redaktion von stock3 (vormals GodmodeTrader). Seit 2024 schreibt er als freier Autor für stock3.
Daniel Kühn interessiert sich vor allem für Small und Mid Caps, Technologieaktien, ETFs, Edelmetalle und Kryptowährungen sowie für makroökonomische Themen.

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