Kommentar
14:47 Uhr, 06.09.2012

Der Flash Crash von Mai 2010 im Rückblick

Von R.J. Hixson

Wenn Sie fliegen, hören Sie möglicherweise den ein oder anderen Alarm aus dem Cockpit und wundern sich vielleicht, was diese Warnungen zu bedeuten haben. Ich habe kürzlich beim Trading eine ähnliche Erfahrung gemacht. Am 1. August 2012 nachmittags hatte ich bereits vier Trades durchgezogen (zwei mit Gewinn und zwei mit Verlust – aber unter dem Strich blieb ein Tagesgewinn) als meine Trading-Plattform plötzlich ein Alarmsignal von sich gab. Normalerweise informieren diese Warnmeldungen den Trader darüber, dass es an einigen Handelsplätzen zu technischen Schwierigkeiten gekommen ist. Die folgende Warnung jedoch, die als Eilmeldung über meinen Newsticker lief, verblüffte mich doch einigermaßen. „Wir haben möglicherweise irreguläre Trading-Aktivitäten bemerkt, die jetzt untersucht werden….“ Das erinnerte mich ein wenig an die Meldung, die einen Tag nach dem Flash Crash im Mai 2010 die Runde machte.

Der Flash Crash in der Rückbetrachtung

Der Flash Crash passierte an einem Nachmittag und wir gaben gerade einen Workshop zum Thema „System-Entwicklung.“ Der Markt befand sich schon den ganzen Tag über auf Talfahrt. Einer unserer Teilnehmer, ein Manager aus der Finanzbranche, verließ in regelmäßigen Abständen den Seminarraum um mit einem seiner Partner zu telefonieren und die Lage an den Märkten zu besprechen. Als er nach dem Mittagessen wieder mal sein Smartphone checkte, sagte er den Anwesenden, dass der Dow 400 Punkte verloren hätte. Dies sorgte bei allen Teilnehmern für großes Erstaunen. Wir unterbrachen daraufhin das Seminar und jeder aktivierte sofort sein Smartphone oder Notebook um die Lage zu sondieren. Ich nutzte die Pause um einige Short-Positionen zu überprüfen, die ich im Rahmen meiner Swingtrading-Strategie noch offen hatte. Es schien, als ob sich der Markt ein wenig erholen würde und daher setzten wir den Workshop wieder fort – nur änderten wir den Ablauf und begannen die möglichen Ursachen dieses Ereignisses zu diskutieren.

Erklärungen, Hypothesen und die Nachwirkungen

Die erste Erklärung für den Flash Crash war zu einfach. Der berühmt gewordenen „Fettfinger“, mit dem ein Händler von der Tastatur abgeglitten sein soll und so eine überdimensionierte Verkaufsorder ausgelöst habe, reichte einfach nicht aus als Begründung für ein derartiges Desaster. Mitarbeiter der CFTC/ SEC haben einige Monate nach dem Ereignis ihre Untersuchungsergebnisse hierzu veröffentlicht. Doch der Inhalt dieses Reports war wenig plausibel und trug nicht zur Ermittlung der tatsächlichen Ursachen bei. In einem anderen Bericht stellte eine Gruppe Akademiker die Hypothese auf, dass eine neue „Kurs- und Liquiditätsdynamik“ innerhalb der Marktstruktur den Flash Crash ausgelöst haben soll – eine Rekordhöhe an Orders an diesem Tag soll sich als toxisch für den Markt und somit für den Dow erwiesen haben.

Was auch immer die tatsächlichen Ursachen für den Absturz waren, eines steht fest: der Flash Crash hat für jede Menge Frust, hohe Verluste und für eine breit angelegte Diskussion über die Gefahren der Beeinflussung der Volatilität durch High-Frequency-Trading geführt. Als Zumutung wurde von den Leuten auch die schlechte Informationspolitik der SEC empfunden.

Die schlechte Informationspolitik, gerade seitens der SEC, hat sich die letzten zwei Jahre fortgesetzt. Und sie beinhaltet immer die gleiche alte Leier – dass die Volatilität des Marktes seit dem Jahr 2008 durch High-Frequency-Trading beeinflusst wird. Einige Leute sind gar der Meinung, HFT „generiert“ erst die hohe Volatilität an den Märkten und richtet somit nur Schäden an. Wie auch immer, James Thomas (Leiter der Researchabteilung der HFT-Firma Headlands Technologies) verwies kürzlich in einem Radiointerview darauf, dass während der relativ ruhigen Marktphase zwischen den Jahren 2003 und 2007 jeder die HFT-Firmen dafür verdammte, dass sie einen Großteil der Volatilität aus dem Markt genommen hätten – genau das Gegenteil von dem für das die Firmen heutzutage verantwortlich gemacht werden.

Wie viel wissen Sie über HFTs?

Wird ihr Trading Tag für Tag von HTFs beeinflusst? Falls ja, wie genau und in welchem Umfang findet die Beeinflussung statt? Wenn Sie beispielsweise verschiedene Meinungen über HFTs hören, von Kritiker oder von Befürwortern – tragen diese Meinungen zu ihrem „Wissen“ über HFTs bei? Oder verwirrt Sie die Vielzahl von Ansichten nur noch mehr?

Eine Analogie zum Fliegen

Vielleicht hilft Ihnen ja die folgende Analogie weiter: Jeder Sicherheitsexperte wird ihnen sagen, dass kein Flugzeugabsturz allein durch eine einzelne technische Fehlfunktion oder einen einzelnen Pilotenfehler verursacht wird. Ausnahmslos führt eine Verkettung vieler Fehler zu einem Absturz! Ich vermute daher, dass auch der Flash Crash von 2010 durch eine Folge von Fehlern ausgelöst wurde – doch brauche ich ein tiefes Verständnis davon, was wirklich geschehen ist? Nicht wirklich. Vielmehr muss ich nur anerkennen, dass HFTs ein Teil der Spieler auf den Märkten sind und ich muss diesen Umstand in meine Trading-Überlegungen mit einplanen. Aber HFTs sind niemals nur der alleinige Grund für einen Flash Crash oder irgendein anders Ereignis an den Börsen.

Wenn ich an Bord eines Flugzeugs gehe, dass bin ich mir der Risiken bewusst – doch vom Fliegen abhalten lasse ich mich dadurch keinesfalls. Natürlich hat mir auch mein jahrelanger Dienst bei der US-Luftwaffe dabei geholfen, ein Bewusstsein oder einen Blick für die Flugsicherheit zu entwickeln. Ich weiß wie man eine Sauerstoffmaske schnell anlegt, wie man die Türen der Notausgänge richtig öffnet und wo genau sich die Notausgänge in Bezug auf meine Sitzreihe befinden. Mit anderen Worten: ich akzeptiere die vorhandenen Risiken, weil sie innerhalb dessen liegen, was ich bereit bin zu tolerieren und auf die ich auch gut vorbereitet bin. Genau wie mir das Training bei Van Tharp dabei geholfen hat, einen Blick für die Risiken beim Trading zu entwickeln sowie einen Plan für ein worst-case-Szenario an den Märkten parat zu haben. Also – wappnen Sie sich so gut es geht und ziehen Sie dabei alle möglichen Eventualitäten in Betracht um auch ein worst-case-Szenario an den Börsen zu überstehen. Und akzeptieren Sie HFTs einfach als Teil des Spiels!

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Über den Experten

Daniel Kühn
Daniel Kühn
Freier Finanzjournalist

Daniel Kühn ist seit 1996 aktiver Trader und Investor. Nach dem BWL-Studium entschied sich der Börsen-Experte zunächst für eine Karriere als freier Trader und Journalist. Von 2012 bis 2023 leitete Daniel Kühn die Redaktion von stock3 (vormals GodmodeTrader). Seit 2024 schreibt er als freier Autor für stock3.
Daniel Kühn interessiert sich vor allem für Small und Mid Caps, Technologieaktien, ETFs, Edelmetalle und Kryptowährungen sowie für makroökonomische Themen.

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