Kommentar
14:20 Uhr, 17.06.2007

Der Fall Amaranth – die bisher größte Hedgefonds Pleite der Geschichte

Ein Beispiel aus der jüngsten Vergangenheit, nämlich vom September 2006, ist die Pleite des neun Milliarden USD schweren Hedgefonds Amaranth.

Die Energiehändler des Amaranth-Hedgefonds verzockten eine Summe von sage und schreibe an die 5 Mrd. Dollar – innerhalb weniger Wochen. Das Fondsvermögen soll sich damit auf etwa 4,5 Mrd. Dollar mehr als halbiert haben. Das 21-köpfige Energiehändlerteam um seinen 32-jährigen Chef Brian Hunter - übrigens ein ehemaliger Deutschbanker - entwickelte systematische Rohstoff-Handelsstrategien, in der in Futures des gleichen Rohstoffes mit
unterschiedlichen Fälligkeitsterminen (Intra-Commodity-Positionen) mit einer Time-Spreads-Strategie investiert wurde. Bei diesen Time-Spreads spekuliert man entweder auf eine Ausweitung oder auf ein Zusammenschmelzen der Terminpreisunterschiede.

Anmerkung: Diese Strategien werden wir später noch ausführlich darstellen, da sie für Hedgefonds eine immer größere Bedeutung gewinnen.

So soll Hunter auf eine Ausweitung des Spreads zwischen den bis September und
den bis Dezember laufenden Erdgas-Futures gewettet haben. Während er also für den Kurzläufer eher einen Wertverfall prognostizierte, war er für den Winter-Future in Vorhersehung einer doch noch stürmisch ausklingenden Hurrikan-Saison oder eines relativ frühen Wintereinbruchs außerordentlich bullisch eingestellt – er spekulierte also auf steigende Gaspreise.
Doch er verspekulierte sich. Die Erdgaspreise fielen über Wochen im Sturzflug und zogen den Amaranth-Hedgefonds mit in die Tiefe. Mehr als 5 Mrd. Dollar gingen innerhalb dieser etwa drei Wochen verloren.

Die Hedgefondsbranche war aufgeschreckt und es wurde eifrig Ursachenforschung betrieben.
Dabei kam erstaunliches zu Tage. Und ist ein lehrbuchmäßiges Beispiel für die oben aufgeführte allgemeinen Risiken – und das Versagen jeglicher Risikokontrolle seitens des Managements.

Die Details:
1. Leverage:
Die Verluste waren so signifikant, da die Energietrades angeblich mit einem Faktor von über 5 gehebelt wurden. Also ein unvertretbar hohes Leverage. Das Problem liegt hier im System. Während im Allgemeinen Kunden bei Aktienkäufen mindestens die Hälfte des Transaktionsvolumens bei ihren „Prime Brokern“ hinterlegen müssen, begnügen diese sich bei Rohstoff-Tradern mit einer wesentlich geringen Marginleistung. Damit lässt sich natürlich eine deutlich höhere Hebelwirkung erzielen lässt. Amaranth`s Energietrader sollen in der Lage gewesen sein diesen Hebel auf eine Größenordnung von 8 bis 10 auszuweiten.

2. Nicht angepasste Risiko-Managementsysteme
Es gab erhebliche Schwachstellen in den von Amaranth eingesetzten Risikomanagement-Systemen.
Das Problem aller Risikomodelle ist, dass sie auf plötzlich auftretende übertriebene Marktschwankungen nicht adäquat reagieren zu können, da sie auf historischen Daten beruhen und somit die Schwankungsintensitäten der Vergangenheit in die Zukunft fortschreiben.
Verändern sich die Parameter jedoch signifikant, so werden diese „neuen Markteigenschaften“ noch nicht ausreichend in den Modellen berücksichtigt. Somit kann es zu einer deutlichen Unterschätzung des gegenwärtigen bzw. zukünftigen Risikos kommen. Auf dem Gasmarkt war ein solcher Strukturbruch seit Beginn des Jahres 2006 festzustellen. Hier schwankten die Preise wesentlich mehr als in den vergangenen vier Jahren. Das System wurde aber nicht angepasst. Näheres zu Risikomodellen wurde bereits im Abschnitt „Value-at-Risk“ beschrieben.

3. Fehlende Marktliquidität
Offensichtlich hatte das Management nicht vorhergesehen wie sehr der Verkauf der eigenen massiv eingegangenen Long-Positionen den ohnehin schon starken Kursverfall weiter beschleunigen kann. Das klassische „Eigentor“ zu hoher Positionsgrößen.

4. OTC statt Nymex
Insider führten den signifikanten Verlust auch darauf zurück, das Amaranth die Futures Over-the-Counter (OTC) erworben hatte - also außerbörslich – und nicht über die
New York Mercantile Exchange (Nymex). Wenn die Orders über die Nymex abgewickelt worden wären, dann hätte die zuständige Aufsichtsbehörde (Commodity Futures Trading Commission) aufgrund der auffälligen Aktivitäten wahrscheinlich Alarm geschlagen und wäre unter Umständen dazwischen gegangen. Die hochvolumigen Trades am
OTC-Markt könnten dabei sogar als versuchte „Marktmanipulation“ bezeichnet werden, da dies nichts mehr mit Angebot und Nachfrage zu tun und Amaranth quasi den Markt alleine „gemacht“ hat.

Insgesamt war es also die Kombination aus zu hohem Leverage mit einer direktionalen Tradingstrategie (in diesem Fall Long-Biased), die den Fonds in die Pleite führte.
Die Amaranth-Pleite ist die bisher Größte in der Geschichte der Hedgefonds.

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Über den Experten

Jochen Stanzl
Jochen Stanzl
Chefmarktanalyst CMC Markets

Jochen Stanzl begann seine Karriere in der Finanzdienstleistungsbranche als Mitbegründer der BörseGo AG (jetzt stock3 AG), wo er 18 Jahre lang mit den Marken GodmodeTrader sowie Guidants arbeitete und Marktkommentare und Finanzanalysen erstellte.

Er kam im Jahr 2015 nach Frankfurt zu CMC Markets Deutschland, um seine langjährige Erfahrung einzubringen, mit deren Hilfe er die Finanzmärkte analysiert und aufschlussreiche Stellungnahmen für Medien wie auch für Kunden verfasst. Er ist zu Gast bei TV-Sendern wie Welt, Tagesschau oder n-tv, wird zitiert von Reuters, Handelsblatt oder DPA und sendet seine Einschätzungen über Livestreams auf CMC TV.

Jochen Stanzl verfolgt einen kombinierten Ansatz, der technische und fundamentale Analysen einbezieht. Dabei steht das 123-Muster, Kerzencharts und das Preisverhalten an wichtigen, neuralgischen Punkten im Vordergrund. Jochen Stanzl ist Certified Financial Technician” (CFTe) beim Internationalen Verband der technischen Analysten IFTA.

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