Kommentar
14:05 Uhr, 09.05.2012

Der Euro-Austritt wird nun ganz offen diskutiert

Die chaotischen Verhältnisse in Griechenland auch nach dem Schuldenschnitt sind für einigermaßen realitätsbezogene Beobachter keine große Überraschung. Wir plädieren hier auf GodmodeTrader.de schon seit 2010 mit klar nachvollziehbaren Argumenten nicht nur für ein Ende der Rettungspolitik, sondern auch für einen Euroaustritt des Landes. Seitdem ist nicht nur viel kostbare Zeit verloren gegangen, es ist auch viel Geld verschwendet worden. Die reichen Griechen haben große Teile ihres Vermögens außer Landes gebracht. Das Land, ohnehin von Vetternwirtschaft, Korruption und unüberschaubarer Bürokratie durchzogen, droht unregierbar zu werden.

Das so genannte „Spardiktat“ der Troika für die Umstände verantwortlich zu machen, ist allerdings ein schon fast unverzeihlicher Fehler, wenn auch weiterverbreitet. Zu allererst muss die griechische Einsicht stehen, dass die Probleme des Landes komplett hausgemacht sind und über viele Jahrzehnte aufgebaut wurden. Anschließend schmuggelte eine fast schon als kriminell zu bezeichnende Regierung Griechenland mit gefälschten Daten in den Euro ein und verschaffte dem Land so einen niedrigzinsinduzierten, aber ansonsten "unverdienten" Boom, ebenso wie anderen Südländern. Seitdem sinkt die ohnehin schon im Vergleich historisch geringe Produktivität beständig. Der Staatssektor ist extrem aufgebläht und in höchstem Maße ineffizient. Es gibt für internationale Investoren kaum Anreize, Geld nach Griechenland zu bringen und dort Arbeitsplätze zu schaffen. Der erzwungene Schuldenschnitt tat sein übriges, um das Vertrauen in Griechenland und die Griechen womöglich endgültig zu untergraben.

Als Folge der gesunkenen Wettbewerbsfähigkeit und der Tatsache, dass es keine Möglichkeit mehr gibt, zum Ausgleich wenigstens die eigene Währung abzuwerten, müssten nun eigentlich die Löhne nun noch weiter runter („innere Abwertung“). Das dürfte extrem schwierig werden und die Radikalisierung im Land noch weiter anheizen.

Die Wiedereinführung der Drachme wäre Stand heute kein unerwarteter Paukenschlag mehr. Sie wird jetzt so offen diskutiert, dass der Vollzug kaum noch überraschen kann. Sie könnte dabei helfen, dass die Griechen mehr exportieren, der Tourismussektor erstarkt, und die Importe zurückgehen. Dadurch ließe sich die negative Handelsbilanz aufhübschen. Natürlich müssen Öl und andere Rohstoffe auch weiter importiert werden, aber ansonsten muss ein Land in der Krise eben so viel wie möglich aus der eigenen Produktion konsumieren. Eine schwache Währung hilft dabei.

Man darf sich aber auch keinen Illusionen hingeben. Der Ausstieg aus dem Euro ist kein Allheilmittel. Wenn das so wäre, dann hätte Griechenland zu Drachmenzeiten wie im Paradies gelebt, und Rumänien, Ungarn und andere kleine Staaten mit eigener Währung litten heute nicht unter massiven Problemen. Wenn Griechenland die bereits am Horizont ersichtliche Aufgabe des Euro nicht nutzt, um radikal im eigenen Land aufzuräumen, am besten in der Verwaltung und im Steuerrecht komplette Neustarts versucht, ein investitionsfreundliches Klima schafft und vor allem auch Zuverlässigkeit und Rechtssicherheit, dann wird es in Griechenland nicht aufwärts gehen. Ob mit Drachme oder Euro.

Daniel Kühn

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Über den Experten

Daniel Kühn
Daniel Kühn
Freier Finanzjournalist

Daniel Kühn ist seit 1996 aktiver Trader und Investor. Nach dem BWL-Studium entschied sich der Börsen-Experte zunächst für eine Karriere als freier Trader und Journalist. Von 2012 bis 2023 leitete Daniel Kühn die Redaktion von stock3 (vormals GodmodeTrader). Seit 2024 schreibt er als freier Autor für stock3.
Daniel Kühn interessiert sich vor allem für Small und Mid Caps, Technologieaktien, ETFs, Edelmetalle und Kryptowährungen sowie für makroökonomische Themen.

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