Kommentar
15:14 Uhr, 10.07.2012

Der ESM wird kommen

**Update: Die Prüfung durch das BVG könnte statt drei Wochen mehrere Monate dauern!

Während ich an diesen Zeilen bastele, verhandelt das Bundesverfassungsgericht gerade die Eilanträge mehrerer Kläger gegen ESM-Vertrag und Fiskalpakt. Auf den Schultern der Richter lastet ein Riesensack Verantwortung, denn sie müssen abwägen ob es vertretbar ist, die Eilanträge abzuweisen und damit Bundespräsident Joachim Gauck die Unterzeichnung der Gesetze zu ermöglichen. Kommt es zur Abweisung, dann wird die Verfassungsmäßigkeit der Gesetze erst später im Hauptverfahren geprüft – wenn es de facto zu spät ist. Da ESM und Fiskalpakt völkerrechtliche Verträge mit entsprechenden Verpflichtungen begründen, ist eine mögliche Abweisung der Klagen schon so etwas wie eine Vorentscheidung bezüglich des Hauptverfahrens. Den Richtern ist völlig klar, dass sie den ESM nicht jetzt durchwinken und ihn dann später wieder kassieren können.

Die Befürworter bauen natürlich eine mächtige Drohkulisse auf: Wenn der ESM jetzt kippt brechen die Märkte ein, die Krisenstaaten verlieren voraussichtlich völlig die Möglichkeit, sich am Kapitalmarkt zu refinanzieren, die ganze Währungsunion steht auf dem Spiel, so die Argumentation. Das ist wahrscheinlich sogar richtig. Das Bundesverfassungsgericht besteht auch nur aus Menschen, die sich beeinflussen lassen. Frühere Entscheidungen haben gezeigt, dass die Richter regelmäßig, jenseits aller fundamentaler Juristerei, konkrete Auswirkungen ihrer Urteile berücksichtigen. Das wird auch dieses Mal so sein.

Sehr treffend ist folgender Satz vom Vorsitzenden des BVG Andreas Voßkuhle in Richtung Regierung: „Denken Sie bitte mal darüber nach, ob der ESM nicht irgendwann einer systemrelevante Bank gleicht, in die immer wieder Geld nachgeschossen werden muss, wenn man Europa retten will.”

Wums, das hat gesessen. Genauso ist es! Bei 700 Mrd. EUR wird eben nicht Schluss sein. Es geht immer weiter – und je mehr Geld schon im Rettungssystem steckt, desto sicherer wird auch noch weiteres nachgeschossen. Voßkuhle weiß genau, was mit dem ESM auf Deutschland zukommt – und wird ihn wahrscheinlich gemeinsam mit seinen Kollegen trotzdem durchwinken. Es wird wie üblich angemahnt, an der einen oder anderen Stelle nachzubessern. Und auch eine spätere Volksabstimmung dürfte Karlsruhe in den Raum stellen, falls die europäische Einigung noch weiter in Richtung Bundesstaat voranschreiten soll. Aber es ist sehr unwahrscheinlich, dass das BVG den ESM komplett stoppt. Obwohl die rein sachlichen/juristischen Argumente dafür sprechen. Der ESM kommt, damit müssen wir uns abfinden. Deutschland ist aber den europäischen Partnern nicht machtlos ausgeliefert. Nicht umsonst gehen ESM und Fiskalpakt Hand in Hand. Wer den Fiskalpakt nicht einhält, hat keine Ansprüche aus Hilfen aus dem ESM. Massivste Konflikte sind bereits vorprogrammiert. Europa und der Euro werden auch in den nächsten Jahren nicht zur Ruhe kommen.

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Über den Experten

Daniel Kühn
Daniel Kühn
Freier Finanzjournalist

Daniel Kühn ist seit 1996 aktiver Trader und Investor. Nach dem BWL-Studium entschied sich der Börsen-Experte zunächst für eine Karriere als freier Trader und Journalist. Von 2012 bis 2023 leitete Daniel Kühn die Redaktion von stock3 (vormals GodmodeTrader). Seit 2024 schreibt er als freier Autor für stock3.
Daniel Kühn interessiert sich vor allem für Small und Mid Caps, Technologieaktien, ETFs, Edelmetalle und Kryptowährungen sowie für makroökonomische Themen.

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