Kommentar
11:12 Uhr, 26.07.2011

Der einsame Pfeiler der Europäischen Union

Das neue Griechenland-Rettungspaket zeigt zwar einen gewissen europäischen Willen, den Euro um buchstäblich jeden Preis zu erhalten. Aber es ist auch völlig zu Recht massiv kritisiert worden. Nicht zuletzt durch den neuen Bundesbankpräsidenten Jens Weidmann, der es in Rekordzeit geschafft hat sich glaubwürdig von der Kanzlerin zu emanzipieren – dass Weidmann „Merkels boy“ ist, wird wohl im Moment keiner mehr behaupten.

All diese Rettungsmaßnahmen schaffen vor allem eines: Sie kaufen auf der eine Seite Zeit, und zwar für die Krisenstaaten. Gleichzeitig lassen Sie auf der anderen Seite den Sand in den Uhren der an sich noch gefestigten Staaten schneller rinnen. Es ist kein Zufall, sondern völlig berechtigt, dass gerade jetzt sogar Zweifel an der Solvenz der Franzosen aufkommen, dem zweitwichtigsten Pfeiler der Europäischen Union.

Im Moment ist Deutschland wirtschaftlich so stark, dass es quasi alleine als Garant der europäischen Schulden weltweit akzeptiert wird. Tatsächlich sind wir aber natürlich völlig überfordert. Das wird sich in wenigen Jahren zeigen, wenn es zum Schwur kommt. Man sollte schließlich nicht übersehen, dass sich die Weltwirtschaft derzeit in einem ausgeprägten Boom befindet. Es ist umso bitterer, dass die USA und einige europäische Staaten den Motor nicht mehr richtig an bekommen.
Der nächste ökonomische Einbruch kommt aber ganz sicher, es gab immer Zyklen und wird immer welche geben. Wenn dann selbst in Deutschland das BIP nicht mehr wächst oder sogar schrumpft, was ist dann? Natürlich, 2008 hatten wir einen massiven Einbruch und haben ihn gemeistert. Aber zu welchem Preis? Es ist zweifelhaft, dass es nochmal klappen wird.

Wenn ich nur einen Grund für die Misere benennen dürfte, dann würde ich das wiederholen, was ich aus tiefster Überzeugung glaube und auch immer wieder sagen werden: Es ist die Schuldenaufnahme durch die Staaten.

Staaten sollten keine Schulden machen. Sie sollten in guten Zeiten sparen und können dann in schlechten Zeiten mit den Ersparnissen antizyklisch agieren. So hatte übrigens sogar Keynes das „deficit spending“ angedacht, nicht als chronisches Leben auf Pump, wie wir es praktizieren.

Gegen Schulden an sich ist überhaupt nichts einzuwenden. Wer Schulden generell ablehnt ist wahrscheinlich ein sympathischer Mensch, aber hat von Wirtschaft und dem Geldsystem nichts verstanden. Aber die Schulden müssen im Privatsektor bleiben. Und der Staat darf sich in die „Bereinigung“ dieser Schulden nicht einmischen, ganz explizit darf er niemanden „retten“. Das ist Sache des Schuldners und des Gläubigers und am Ende des Insolvenzverwalters. Jede Rettung des einen geht auf Kosten der anderen, und das ist schlicht unfair. Jeder muss für sein Risiko selber einstehen.

Das bringt mich dann doch wieder zurück zum Rettungspaket. Die Banken sind hervorragend davon gekommen! Der effektive Schuldenschnitt beträgt nach Angaben von Josef Ackermann 21%. Es heißt, die Franzosen hätten interveniert, die deutschen Banken hätten dem Vernehmen nach auch deutlich höhere Verluste akzeptiert. Zu den Summen die im Spiel stehen kursieren verschiedene Medienberichte, laut [Link "Bankenstresstest" auf stress-test.eba.europa.eu/... nicht mehr verfügbar] müssten deutsche Banken mit knapp 9 und französische mit etwa 8 Mrd. EUR in griechischen Staatsanleihen investiert sein.

Im Rahmen der Einigung erhalten die Banken übrigens für den Tausch der alten in neue Anleihen ein wohlschmeckendes Bonbon: Die neuen Anleihen werden von den Staaten garantiert...letztlich ein Superdeal, Ackermann hat ganze Arbeit geleistet. Da wird’s einem fast schlecht wenn er jammert wie schmerzhaft die Abschreibungen sind. Wer von nun an das griechische Risiko trägt dürfte klar sein – schauen Sie mal in den Spiegel.

Ihr
Daniel Kühn

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Über den Experten

Daniel Kühn
Daniel Kühn
Freier Finanzjournalist

Daniel Kühn ist seit 1996 aktiver Trader und Investor. Nach dem BWL-Studium entschied sich der Börsen-Experte zunächst für eine Karriere als freier Trader und Journalist. Von 2012 bis 2023 leitete Daniel Kühn die Redaktion von stock3 (vormals GodmodeTrader). Seit 2024 schreibt er als freier Autor für stock3.
Daniel Kühn interessiert sich vor allem für Small und Mid Caps, Technologieaktien, ETFs, Edelmetalle und Kryptowährungen sowie für makroökonomische Themen.

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