Kommentar
12:49 Uhr, 14.03.2003

Deka zur Regierungserklärung

Heute hat Bundeskanzler Schröder im Rahmen seiner Regierungserklärung "Mut zum Frieden - Mut zur Veränderung" seine Vorschläge zur Reformierung der deutschen Volkswirtschaft unter dem Titel Agenda 2010 vorgelegt.
In einer kurzen Ursachenanalyse unterstrich der Bundeskanzler, dass die Wachstumsschwäche in Deutschland nicht nur aus der Irakkrise und der Schwäche der Aktienmärkte, sondern auch aus strukturellen Problemen resultiert. Dies ist insofern bemerkenswert, als nun explizit die hausgemachten Probleme auf die gleiche Ebene wie die von außen herangetragenen Probleme gestellt werden.
Mit Blick auf die Haushaltpolitik betonte Schröder, das Festhalten am Konsolidierungskurs und am Stabilitäts- und Wachstumspakt (SWP), warb aber gleichzeitig für eine flexible Auslegung des letzteren. Gerade in der gegenwärtigen Situation müssten die geopolitischen Belastungen berücksichtigt werden. Wir halten an eine konsequente Umsetzung des SWPs für angeraten. Auffällig ist, dass in der gesamten Regierungserklärung nicht einmal die Notwendigkeit einer Konsolidierung der Staatsausgaben angesprochen wurde. Stattdessen wurde die Notwendigkeit einer aktiven Industriepolitik betont, die es ermöglichen solle, dass auch Chemie und Schiffsbau in Deutschland eine Chance hätten. Dies bedeutet aber nichts anderes als eine Subventionierung, die weder ökonomisch sinnvoll noch haushaltspolitisch angemessen ist.
Einige gute Ansätze waren bei den Reformpunkten zum Arbeitsmarkt auszumachen. Der Kündigungsschutz solle gelockert werden, dadurch dass Arbeitnehmern ein Wahlrecht zwischen einer arbeitsgerichtlichen Klage und einer gesetzlich geregelten Abfindung eingeräumt wird. Ferner wird die Sozialauswahl abgeschwächt. Es sollen nun nicht mehr nur nach Alter und Betriebszugehörigkeitsdauer, sondern auch nach anderen Prioritäten für den Geschäftsbetrieb entlassen werden können. Dies ermöglicht es, für den Betriebsablauf wichtige Arbeitnehmer im Unternehmen zu behalten, auch wenn diese nach Alter oder Betriebszugehörigkeit hätten entlassen werden müssen. Einen Fortschritt bedeutet auch die Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe auf dem Sozialhilfeniveau. Dieser wichtige Schritt fiel der Regierung sicher nicht leicht. Gleichzeitig wurde die Bezugsdauer für Arbeitslosengeld für unter 55-Jährige auf zwölf Monate abgesenkt. Diese Maßnahmen setzen stärkere Anreize zur Arbeitsaufnahme. Allerdings sind konkrete Auswirkungen erst dann zu erwarten, wenn die Nachfrage nach Arbeitskräften wieder ansteigt. Bei der Notwendigen Öffnung der Tarifverträge blieb der Bundeskanzler vage. Was passiert beispielsweise mit dem "Günstigkeitsprinzip", das es verhindert, dass Arbeitnehmer auf Lohnzuwachs zugunsten eine Arbeitsplatzgarantie verzichten?
Das wichtigste Problem auf dem Arbeitsmarkt, die Höhe der Lohnkosten, hängt wesentlich mit der Abgabenbelastung durch die Sozialen Sicherungssysteme zusammen. Bei der gesetzlichen Krankenversicherung wird das Mutterschaftsgeld als versicherungsfremde Leistung aus dem Leistungskatalog genommen und nun steuerfinanziert. Dies ist eine sinnvolle Maßnahme, man hätte hier sogar auch über die beitragsfreie Mitversicherung von Familienangehörigen nachdenken können. Aus dem Leistungskatalog wird ferner das Krankengeld ersatzlos gestrichen, eine Maßnahme die ohne Einbußen bei der medizinischen Versorgung möglich ist. Die Einführung von sozial differenzierten Praxisgebühren hilft dem übermäßigen Praxisbesuch einen Riegel vorzuschieben. Die Auflösung des Vertragsmonopols der Kassenärztlichen Vereinigungen ist ebenfalls zu begrüßen. Damit wird den Krankenkassen endlich ein Einblick in die Behandlungen gewährt und Doppel- oder Fehlbehandlungen zur Kenntnis gebracht. Antworten zur Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung blieb der Kanzler aber mit Verweis auf die Rürup-Kommission schuldig. Immerhin die anvisierte Absenkung des Beitragssatzes auf unter 13 % wäre eine echte Erleichterung. Wie lange sie hält muss abgewartet werden, denn Demographie und medizinisch-technischer Fortschritt treiben die Kosten Jahr für Jahr in die Höhe. Zu den Problemen der Rentenversicherung hat der Kanzler fast vollständig auf die Rürup-Kommission verwiesen, die Pflegeversicherung nicht einmal angesprochen.
Begrüßenswert ist die Neuordnung der Handwerksordnung, die einen wichtigen Schritt zum Abbau von Regulierungen darstellt. Dass der Meisterbrief nicht vollständig abgeschafft wird, ist durchaus vertretbar, die Gratwanderung zwischen Sicherung der Qualität und Deregulierung wird aber schwierig. Die konkrete Ausgestaltung kann letztendlich erst darüber Auskunft geben, ob ein Fortschritt erzielt wurde.

Gesamtbewertung:

Die Regierungserklärung hat mit der Agenda 2010 ein Programm vorgestellt, das zwar die richtigen Fragen adressiert und dabei zum Teil weitergehende Änderungen anzielt, aber eine schlüssige Reformlogik vermissen lässt. Der Kanzler hat damit die Grenzen der Reformen mit dieser Regierung - und wahrscheinlich auch mit den deutschen Volksparteien - markiert. Es fehlt unverändert die Bereitschaft zum Systemwechsel in den zentralen Handlungsbereichen Arbeitsmarkt und soziale Sicherung. Die Versorgungsversprechen bleiben im Grundsatz unangetastet. Wenn wir gegenwärtig die besten Voraussetzungen für Strukturreformen haben, dann bleibt das Programm gemessen an den Notwendigkeiten enttäuschend. Der notwendige Stimmungsumschwung ist dadurch nicht zu erwarten.

Quelle: Deka

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