Kommentar
12:21 Uhr, 09.05.2003

Deka - Fed sieht Deflationsgefahren

Die gestern erschienenen Sitzungsprotokolle (Minutes) des Offenmarktausschusses (FOMC) der USNotenbank vom 18. März 2003 zeigen, dass die Fed für den weiteren Konjunkturverlauf verhalten optimistisch ist. Für die Investitionen sieht es aber laut den Prognosen der Fed nicht ganz so gut aus. Bislang gebe es noch keine überzeugende Evidenz dafür, dass die Investitionen anzögen. Hierzu trügen nicht nur die geopolitischen Unsicherheiten, sondern auch Überschusskapazitäten und niedrige Gewinnerwartungen der Unternehmen bei. Die Steueranreize hätten bislang keine nennenswerten Effekte auf die IT-Investitionen gehabt. Die Kontakte der Fed mit den Unternehmen weisen darauf hin, dass letztere ihre Investitionsausgaben - unabhängig von dem Irakkrieg - zurückhalten würden, wenn sich nicht die Gewinnsituation merklich verbessere.

Am Dienstag hat die Fed die Zinsen wiederum bei 1,25 % belassen.

"The Federal Open Market Committee decided to keep its target for the federal funds rate unchanged at 1-1/4 percent. Recent readings on production and employment, though mostly reflecting decisions made before the conclusion of hostilities, have proven disappointing. However, the ebbing of geopolitical tensions has rolled back oil prices, bolstered consumer confidence, and strengthened debt and equity markets. These developments, along with the accommodative stance of monetary policy and ongoing growth in productivity, should foster an improving economic climate over time. Although the timing and extent of that improvement remain uncertain, the Committee perceives that over the next few quarters the upside and downside risks to the attainment of sustainable growth are roughly equal. In contrast, over the same period, the probability of an unwelcome substantial fall in inflation, though minor, exceeds that of a pickup in inflation from its already low level. The Committee believes that, taken together, the balance of risks to achieving its goals is weighted toward weakness over the foreseeable future."

Das Statement zeigt einmal mehr die Virtuosität Alan Greenspans die verschiedenen Fraktionen im FOMC zufrieden zu stellen, indem er mit der Risikoeinschätzung die langfristig positiven Wachstumserwartungen von den Gefahren einer Deflation, d.h. negativen Inflationsraten, trennte: Für das BIP-Wachstum sind die Risiken nach oben und unten ausgeglichen, die Wahrscheinlichkeit einer unerwünschten weiteren Disinflation, d.h. fallenden positiven Inflationsraten, in den nächsten Quartalen ist aber höher als die Wahrscheinlichkeit eines Anstiegs der Inflationsraten von niedrigem Niveau aus. Auf deutsch gesagt: Für die lange Frist ist die Fed positiv, für die kurze Frist eher negativ gestimmt. Dies bedeutet, dass eine Zinserhöhung bis auf weiteres nicht zu erwarten ist.

Der wohl erstaunlichste Aspekt des Zinsentscheids vom Dienstag ist der, dass das FOMC explizit auf mögliche Deflationsgefahren für die Kernrate hinwies. Diese Befürchtungen waren schon bei der FOMC-Sitzung am 18. März geäußert worden. In der Presse hat das Wort "Deflation" schon länger Konjunktur, wieso ließ sich die Fed erst jetzt diesbezüglich zu einem Kommentar hinreißen? Erstens, weil die Deflationsgefahren nach dem Rückgang der Ölpreise zugenommen haben. Zweitens, weil das schwache Wachstum und die hierdurch klaffende Outputlücke persistenten Inflationsdruck nach unten implizieren. Drittens, weil die Sorgen größer geworden sind, dass der Fed, die die Zinsen schon auf 1,25 % gesenkt hat, möglicherweise die Munition für eine Bekämpfung von Deflationsrisiken ausgehen könnte. Denn ab einem Niveau der Fed Funds Target Rate von 0 % kann die Notenbank den geldpolitisch relevanten Zins nicht mehr senken, wie die Bank of Japan in den letzten Jahren vorexerziert hat.

Sind sinkende Preise nicht etwas Gutes? Aus Sicht des Konsumenten sicherlich, aber wenn Deflation das Symptom einer konjunkturellen Schwäche ist, besteht die Gefahr, dass bei gegebenen Nominallöhnen die realen Lohnkosten, bei gegebenen Nominalzinsen die realen Kapitalkosten, und bei gegebenen nominalen Schulden die reale Schuldenlast der Unternehmen und Haushalte ansteigen, was die konjunkturelle Schwäche verschärft. Bei Deflation besteht damit die Gefahr, dass eine Wirtschaft in einen Teufelskreis aus sinkenden Preisen und sinkenden Output gerät. Bilden die Haushalte erst einmal Deflationserwartungen, so werden sie ihre Käufe zeitlich hinausschieben, um von zukünftig niedrigeren Preisen zu profitieren. Aus einzelwirtschaftlicher Sicht ist dies völlig rational, aus gesamtwirtschaftlicher Sicht aber fatal.

Deflation fällt nicht einfach vom Himmel, sondern ist das Produkt einer verfehlten Geldpolitik in der Vergangenheit. Die US-Notenbank hat von dem negativen Beispiel der Bank of Japan gelernt und würde massiv Deflationsgefahren vorbeugen, indem sie am langen Ende Treasury Bonds ankaufte. Theoretisch ist es immer möglich, eine Deflation zu verhindern bzw. zu eliminieren. Praktisch ist dies nicht so einfach, nicht zuletzt aufgrund mangelnder Erfahrung, wie das traurige Beispiel Japans zeigt. Im Gegensatz zur Geldpolitik hat die Fiskalpolitik keine praktischen Schwierigkeiten Deflationsrisiken vorzubeugen. Und damit sind wir schon bei dem Punkt, wieso Deflation in den USA nur eine geringe Chance hat, sich zu entfalten. Sowohl Fiskalpolitik als auch Geldpolitik sind schon jetzt extrem expansiv und werden ihre Effekte noch zeigen. Das Bankensystem der USA ist im Gegensatz zu dem Japans gesund und die Immobilienpreise sind nicht eingebrochen. Eine japanische Deflationsfalle ist demnach eine Möglichkeit, aber nicht sehr wahrscheinlich, worauf das FOMC auch hingewiesen hat.

Angesichts der Deflationsrisiken erwarten wir, dass die Fed die Zinsen bis auf weiteres konstant halten wird. Zinssenkungen sehen wir dann, wenn der Aufschwung gefährdet sein sollte. Die Zinswende nach oben erwarten wir erst für 2004.

Quelle: Deka

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