Kommentar
10:44 Uhr, 05.11.2004

Deka erwartet Anhebung der US-Leitzinsen

Deka Fed Call

1. Nächsten Mittwoch wird sich der Offenmarktausschuss (FOMC) der US-Notenbank zu seiner turnusmäßigen Sitzung zusammenfinden und aller Wahrscheinlichkeit nach die Leitzinsen um 25 BP auf ein Niveau von dann 2,00 % erhöhen. Steigende Leitzinsen zeigt auch unser Prognoseinstrument DekaBank- Fed-Indikator an.

2. Wir erwarten, dass die Fed beim übernächsten Zinsentscheid am 14. Dezember die Leitzinsen nicht verändern wird. Eine längere Pause dürfte das FOMC im Zinserhöhungszyklus aber nicht einlegen. Erstens ist die Geldpolitik nicht eng an das Verhalten der zuletzt stark gestiegenen Ölpreise gekoppelt, sondern von der Gesamtdatenlage abhängig. Das FOMC geht bislang davon aus, dass mit dem Zinserhöhungszyklus im Großen und Ganzen fortgefahren werden kann. Zweitens, das FOMC hat am 20. August 2004 darauf hingewiesen, dass "given the current quite low level of short-term rates, especially when judged against the recent level of inflation, ... significant cumulative tightening likely would be needed to foster conditions consistent with the Committee's objectives...." Die entscheidende Frage ist damit nicht, ob die Zinsen im Verlauf des nächsten Jahres erhöht werden, sondern um wie viel. Dies hängt - bei derzeit stabilen Inflationserwartungen - maßgeblich vom gleichgewichtigen Realzinsniveau ab, bei dem sich kein Inflationsdruck ergibt.

3. Der Forschungsstab der Fed sollte daher eruieren, wo die gleichgewichtigen nominalen Leitzinsen liegen. Für die lange Frist ergibt sich das gleichgewichtige Leitzinsniveau approximativ aus der Summe von Produktivitätswachstum (+2,50 %), implizitem Inflationsziel der Notenbank (+2,00 %), und dem Wachstum des Erwerbspersonenpotenzials (+1,00 %). Wir gehen dagegen von einem etwas niedrigeren langfristigen Gleichgewichtsniveau von rund 4,50 % aus. Für die mittelfristige Sicht könnte der gleichgewichtige Nominalzins aber durchaus niedriger liegen als das langfristige Gleichgewichtsniveau, das z. B. durch einen gleitenden Zwölfjahresdurchschnitt eines Hodrick-Prescott-Trends der Federal Funds Rate gemessen werden kann. Gründe hierfür können beispielsweise die hohen Ölpreise, die geopolitische Lage, die Verunsicherung der Investoren, das Auslaufen der fiskalpolitischen Impulse und der immer noch relativ starke US-Dollar sein.

4. Sollte es der Fall sein, dass sich das Investorenvertrauen und damit die Investitionen der Unternehmen in Kapital und zusätzliche Stellen langsamer erholt als bislang erwartet, so könnte auch der Zinserhöhungszyklus langsamer ausfallen als in früheren Expansionsperioden. Zumal die ohnehin schon niedrige Sparquote der privaten Haushalte, die hohen Immobilienpreise, das hohe Handelbilanzdefizit und überraschenderweise auch die Investitionen Fed-Vertreter zur Vorsicht haben mahnen lassen. Eine Pause im Zinserhöhungszyklus wäre dann angebracht, wenn die Inflationsraten von den derzeitigen Niveaus aus wieder zurückgehen würden.

Das voraussichtliche Statement

5. Für das Statement zum Zinsentscheid sind kaum Änderungen zu erwarten. Im letzten Statement im September 2004 stand: "The Federal Open Market Committee decided today to raise its target for the federal funds rate by 25 basis points to 1-3/4 percent. The Committee believes that, even after this action, the stance of monetary policy remains accommodative and, coupled with robust underlying growth in productivity, is providing ongoing support to economic activity." Dieser Teil des Statements sollte, bis auf Änderung des von uns erwarteten neuen Zinsniveaus von "2 percent", unverändert beibehalten werden.

6. "After moderating earlier this year partly in response to the substantial rise in energy prices, output growth appears to have regained some traction, and labor market conditions have improved modestly. Despite the rise in energy prices, inflation and inflation expectations have eased in recent months." Der Satzteil "output growth appears to have regained some traction" deutet darauf hin, dass die Fed momentan davon ausgeht, dass sich die Wirtschaft selbst aus dem "soft patch" befreien kann und nicht die Hilfe der Notenbank benötigt. Eine Ökonomie, die um 3,7 % wächst, benötigt in dieser Logik kein Zinsniveau von 1,75 %.

7. "The Committee perceives the upside and downside risks to the attainment of both sustainable growth and price stability for the next few quarters are roughly equal." Die Risikoeinschätzung sollte beibehalten werden.

8. "With underlying inflation still expected to be relatively low, the Committee believes that policy accommoda- tion can be removed at a pace that is likely to be measured. Nonetheless, the Committee will respond to changes in economic prospects as needed to fulfill its obligation to maintain price stability." Das Wort "measured" fängt auch eine längere Pause im Zinserhöhungszyklus ein, sodass dieser Teil ebenfalls unverändert beibehalten werden sollte.

Der Hintergrund der Zinsentscheidung

9. Entscheidend für die Zinsentwicklung in diesem und dem nächsten Jahr werden die Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt, dem Ölmarkt und dem Devisenmarkt sein: Was den Ölmarkt anbelangt, so müssen sich die Finanzmärkte und die Geldpolitik wohl daran gewöhnen, dass die Ölpreise weiter hoch bleiben werden. Der Grund hierfür ist, dass die Weltwirtschaft eine immens hohe Nachfrage nach Rohöl entwickelt, die auf ein äußerst begrenztes Angebot trifft. Für das knappe Angebot sind in erster Linie die Investitionsflaute im erdölproduzierenden Sektor der letzten zwei Jahrzehnte und die aktuell sehr geringe Lagerhaltung verantwortlich. Hoffnung auf nachhaltig fallende Preise besteht daher für die kurze Frist kaum.

10. Dementsprechend hat Notenbankchef Greenspan auch die Rolle der Ölpreise in seinen letzten Reden betont. Denn ein Ölpreisanstieg stellt eine Notenbank vor ein Dilemma: Einerseits wirken hohe Ölpreise wie eine Besteuerung des Konsums, sodass die damit einher gehenden Belastungen für die Konjunktur die Fed vorsichtiger an der Zinsschraube drehen lassen sollten. Andererseits erhöht ein Anstieg der Ölpreise den Inflationsdruck und damit die Notwendigkeit für die Fed, die Zinsen stärker anzuheben.

11. Eine Zentralbank, die als wenig glaubwürdig bei der Bekämpfung von Inflation gilt, muss sich auf die Bekämpfung der inflationären Risiken konzentrieren. Eine Zentralbank, die wie die Fed über eine hohe Glaubwürdigkeit bei der Sicherung der Preisniveaustabilität verfügt, kann hingegen die Risiken für das BIP-Wachstum ernster nehmen. Dies gilt allerdings nur solange, wie die Inflationserwartungen stabil auf niedrigem Niveau bleiben. Denn auch ein temporärer Anstieg der Ölpreise bringt normalerweise einen temporären Anstieg der Inflationsrate mit sich. Wenn ein Ölpreisanstieg nur temporärer Natur ist, so werden die Konsumenten ihre Ausgaben im wesentlichen aufrecht erhalten. Ein nachhaltiger Ölpreisanstieg birgt aber die Gefahr in sich, dass die Reaktion für die Konsumenten in Form einer Erhöhung der Ersparnis stärker und nachhaltiger erfolgt. Dies und die Tatsache, dass die Federal Reserve über eine hohe Glaubwürdigkeit als "inflation fighter" besitzt, sollte die Fed die Belastungen für die Konjunktur verstärkt ins Auge fassen lassen. Dass die negativen Wirkungen der Ölpreise auf die Inflation in den USA aber begrenzt bleiben sollten, hängt mit der nach wie vor eher unbefriedigenden Situation auf dem Arbeitsmarkt zusammen, die den Lohndruck in Schach hält. Hinzu kommt, dass die Preisüberwälzungsspielräume für die Unternehmen aufgrund der hohen Wettbewerbsintensität gering sind.

12. Realwirtschaftlich haben die Ölpreise ihre Spuren allerdings noch nicht signifikant im Aufschwung hinterlassen: Das Bruttoinlandsprodukt stieg im dritten Quartal im Vergleich zum Vorquartal um 3,7 % (ann.). Erwartungsgemäß war der private Konsum mit einem Plus von 4,6 % der wichtigste Wachstumstreiber. Aber auch die Anlageinvestitionen trugen mit 8,5 % zu dem recht kräftigen Wachstum bei. Das Konsumklima der University of Michigan und der Chicago-Einkaufsmanagerindex überraschten zuletzt beide positiv und bestätigen uns in der Annahme, dass kein steiler Abschwung, sondern nur eine leichte Wachstumsverlangsamung stattfinden wird.

13. Hinsichtlich der Inflationsentwicklung ist bislang ebenfalls kein nennenswerter Einfluss des Anstiegs der Ölpreise auf die Inflation zu sehen. Der auf das Jahr hochgerechnete Sechsmonatsdurchschnitt der saisonbereinigten Kernrate liegt bei komfortablen 2,1 %. Die Ölpreise scheinen in erster Linie die Unternehmensgewinne und damit die Aktienmärkte belastet zu haben. Der Dreimonatsdurchschnitt erlebte allerdings im September einen fulminanten Anstieg von 1,0 % im Vormonat auf 1,8 %. Noch ist nicht abzusehen, ob sich damit ein neuer Inflationstrend herausbildet. Die Geldpolitik sollte aber wachsam bleiben.

14. Neben dem Ölpreis sollten der Preis des US-Dollars und das US-Leistungsbilanzdefizit einen Hauptdiskussionspunkt beim FOMC-Meeting darstellen. Gemessen an dem immensen Leistungsbilanzdefizit hätte der US-Dollar bislang weitaus stärker abwerten müssen. Der Grund dafür, dass er es bislang nicht getan hat, sind u. a. die hohen Ankäufe von US-Staatsschuldtiteln durch die asiatischen Notenbanken. Chinas Notenbank hat sich allerdings vorletzte Woche dazu entschieden, erstmals seit neun Jahren die Zinsen zu erhöhen, um eine Überhitzung der Wirtschaft zu verhindern. Sollten die asiatischen Notenbanken aufhören, Dollar-Titel anzukaufen, so implizierte dies einen nicht unerheblichen Zinsanstieg am langen Ende in den USA. Fed-Studien haben ergeben, dass die langfristigen Renditen zwischen 0,5 % und 1,0 % höher als ohne die Ankäufe durch die Asiaten liegen müssten. Dies würde die wirtschaftliche Expansion zusätzlich belasten, insbesondere wenn sich hieraus ein "run" aus dem US-Dollar entwickeln würde. Ein schwächerer US-Dollar würde die Importpreise und damit die Inflation anheizen. Die Fed stünde damit vor einem weiteren Dilemma, einerseits die Zinsen niedrig zu halten, um die Wirtschaft zu stabilisieren, andererseits aber importpreisseitigen Inflationsdruck durch Zinserhöhungen abzuwehren.

Quelle: DekaBank

Die DekaBank ist im Jahr 1999 aus der Fusion von Deutsche Girozentrale - Deutsche Kommunalbank- und DekaBank GmbH hervorgegangen. Die Gesellschaft ist als Zentralinstitut der deutschen Sparkassenorganisation im Investmentfondsgeschäft aktiv. Mit einem Fondsvolumen von rund 130 Mrd. Euro gehört die DekaBank zu den größten Finanzdienstleistern Deutschlands. Im Publikumsfondsgeschäft hält der DekaBank-Konzern einen Marktanteil von etwa 20 Prozent.

Keine Kommentare

Du willst kommentieren?

Die Kommentarfunktion auf stock3 ist Nutzerinnen und Nutzern mit einem unserer Abonnements vorbehalten.

  • für freie Beiträge: beliebiges Abonnement von stock3
  • für stock3 Plus-Beiträge: stock3 Plus-Abonnement
Zum Store Jetzt einloggen