Kommentar
12:23 Uhr, 28.11.2002

Deka - Analyse des Beige Book der Fed

Mit dem "Beige Book" wurde von der US-Notenbank gestern Abend der neueste umfassende Bericht über die US-amerikanische Volkswirtschaft veröffentlicht. Der Novemberbericht zeichnet wie auch im letzten Monat ein eher negatives Bild, berichtet aber nicht, wie befürchtet, von einem allgemeinen Rückgang der ökonomischen Aktivität, Das Beige Book versetzt damit den positiven Konjunkturdaten von gestern einen Dämpfer. Jede der zwölf Federal Reserve Banks berichtet von ökonomischen Bedingungen, die sich im Vergleich zum pessimistischen Oktoberbericht nicht wirklich verbessert haben. Im Oktober wurde von "zögerlichem" ("sluggish") Wachstum, im November von einer langsam wachsenden Wirtschaft ("grew slowly") berichtet. Unter den Feds, die von einer sich verschlechternden Situation berichten, ist u. a. der große Distrikt der San Francisco Fed, der für rund 1/5 der Wirtschaftsleistung der USA verantwortlich ist.

Verglichen mit dem Oktoberbericht haben sich die Umsätze des Einzelhandels und der Autohändler verschlechtert. Die Autoverkäufe waren in allen Distrikten schwach. Teilweise wird dies auf ein Auslaufen der Finanzierungsoffensiven der Autohändler zurück geführt. Erneute Offensiven haben zudem gezeigt, dass dieses Instrument stumpfer geworden ist. Nur die Feds von Philadelphia und Kansas City berichten von moderat-guten Einzelhandelsumsätzen, die Fed of New York zeichnet ein gemischtes Bild. In allen anderen Distrikten sind die Einzelhandelsumsätze eher schwach gewesen.

Der gewerbliche Wohnungsbau hat in allen Distrikten Probleme, mit keinem Hinweis auf Besserung. So wird im Distrikt San Francisco für gewerbliche Zwecke praktisch nicht mehr gebaut. Auch das verarbeitende Gewerbe zeigt sich auf breiter Front schwach. So sehen die Halbleiterproduzenten im Distrikt Boston einen Aufschwung nicht vor Ende 2003. Und die Fed Chicago berichtet, dass die gesamte Telekomindustrie quasi "traumatisiert" und "unter Schock" steht. Probleme bereiten dem verarbeitenden Gewerbe u. a. die ausländische Konkurrenz. Hiervon ist vor allem die Bekleidungs- und Stahlindustrie betroffen, die momentan (noch) durch Importzölle und Importquoten geschützt ist. Einige Distrikte berichten von Plänen der Unternehmen (IT)-Investitionen vornehmen zu wollen. Die meisten Unternehmen wollen aber erst ein Anziehen der effektiven Nachfrage abwarten, bevor sie signifikante Kapitalausgaben tätigen. Wie Alan Greenspan diese Woche bemerkte: "Niemand, oder fast niemand, investiert momentan."

Der private Wohnungsmarkt bleibt stabil auf hohem Niveau. Wie auch schon im Oktober vermeldet, gibt es aber Anzeichen, dass hier keine großen Wachstumspotenziale mehr vorhanden sind. So berichten die Feds von New York und Richmond von Nachfragerückgängen und fallenden Preisen im Hoch-Preis-Segment des Immobilienmarktes. Dennoch muss konstatiert werden, dass der Immobilienmarkt eine starke Stütze der US-Wirtschaft bleiben wird. Denn der private Wohnungsbau bleibt robust und die Hypothekenfinanzierung, die durch die steigenden Hauspreise angetrieben wird, stärkt den Konsum. Es ist aber dringend notwendig, dass die Nachfrage auch von anderer Seite gestützt wird.

Hier ist in erster Linie der Arbeitsmarkt zu nennen. Der diesbezügliche Ausblick kann nur als verhalten bezeichnet werden. Im Einklang mit dem neuen Rekordtief des "Help-Wanted"-Index für Oktober, berichten die regionalen Feds nur von geringer Evidenz für Neueinstellungen. Selbst Zeitarbeitsagenturen, die im Frühherbst noch von einer Besserung auf dem Arbeitsmarkt ausgingen, sehen nun in den meisten Regionen einen Rückgang der Arbeitsnachfrage. Hinzu kommt, dass das Lohnwachstum sich in allen Regionen zu verlangsamen scheint. Einige Banken berichten von stark steigenden Kosten für die Krankenversicherung, welche die Arbeitgeber in zunehmendem Maße auf die Arbeitnehmer zu überwälzen versuchen.

Der Finanzdienstleistungssektor berichtet, wie auch schon in den Vormonaten, von einer anhaltenden Schwäche bei der Kreditvergabe an die Unternehmen. So vermeldete eine befragte Geschäftsbank der Fed of Chicago, dass die Unternehmen weder Ausgaben tätigten noch einstellten. New York City, Cleveland und St. Louis berichten von einem Anstieg der Zahlungsausfälle.

Welches Fazit ist zu ziehen? Der Aufschwung verläuft extrem holprig. Die hereinkommenden Daten sind weiter gemischt, zeigten aber zuletzt eher positive Züge. Zur Erinnerung: das Beige Book stützt sich lediglich auf Umfragen und hat keine "harten" Daten vorzuweisen. Es ist möglich, dass die Stimmung in den Unternehmen schlechter als die tatsächliche Lage ist. Stimmungen treiben aber auch mittelfristig die Märkte. Das Beige Book von November erinnert daran, dass die Euphorie der letzten Wochen, die an den Aktienmärkten aufgrund positiver Konjunkturdaten zu sehen war, auch verfrüht sein kann. Momentan sieht es zwar besser aus als im Oktober, aber die US-Wirtschaft hat noch jede Menge Aufräumarbeiten nach dem Platzen der Aktienmarktblase zu leisten, das US-Leistungsbilanzdefizit bleibt ein Risiko, und auch die geopolitischen Unsicherheiten werden weiter belasten.

Vor diesem Hintergrund ist zu erwarten, dass die Fed die Zinsen am 10. Dezember konstant lassen wird: Erstens, weil weitere Zinssenkungen vor dem Hintergrund der positiven Frühindikatoren nicht angebracht sind und noch jede Menge Pulver in der "Pipeline" steckt. Zweitens, weil von der Fiskalpolitik zu Beginn des Jahres 2003 weitere Einkommenssteuersenkungen zu erwarten sind. Mit Zinserhöhungen rechnen wir erst Ende 2003, weil der Aufschwung zu langsam und zu holprig verläuft, und mit zu vielen Risiken behaftet ist, als dass eine frühere Zinserhöhung angebracht wäre.

Quelle: Deka

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