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23:31 Uhr, 10.07.2009

DAX: Zwischen Hoffen und Bangen - bringt die Quartalsberichtssaison einen Crash oder eine brachiale Kurs-Rallye an der Wall Street?

Erwähnte Instrumente

  • Alcoa Inc.
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  • S&P 500
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Frankfurt (BoerseGo.de) - Prüfe, was du siehst, und hinterfrage, was du glaubst. Derzeit beherrscht ein charttechnisches Muster die Diskussionen in der Investor-Community und es ist ein Streit darüber entbrannt, ob dieses einen Abverkauf ankündigende Muster dieses Mal wider oder konform geltender Regeln aufgelöst werden wird. In allen wichtigen Indizes - seien es der Dow Jones und der S&P 500 in den USA oder der DAX hierzulande - haben sich so genannte Schulter-Kopf-Schulter-Formationen herausgebildet, deren regelkonforme Auflösung normalerweise einen kräftigen Abverkauf in den kommenden Wochen zur Folge hätte. Nun wurde diese Formation in allen Indizes tatsächlich regelkonform aufgelöst (Im DAX bedeutet das im Klartext: Der Index unterschritt die Marke von 4675 Punkten, das rechnerische Ziel daraus lautet 4200 Punkte). Zum Ärger der Bären blieben die großen Verkäufe in der letzten Woche aber aus. Die Entscheidung darüber, ob es jetzt zum großen Ausverkauf kommt oder nicht, wurde ersteinmal vertagt.

Wie immer gilt: Die Zeit wird zeigen, was passiert. Doch als Trost für die Bullen sei gesagt: Wenn das Schulter-Kopf-Schulter-Muster fehlschlägt, zieht es normalerweise brutale und schnelle Kurssteigerungen nach sich.

Maßgeblich daran beteiligt, dass es noch nicht zum großen Ausverkauf kam, dürfte der Aluminiumhersteller Alcoa gewesen sein, der in der letzten Woche die Quartalsberichtssaison in den USA mit einem auf den ersten Blick ganz guten Zahlenwert eröffnete. Der größte Aluminiumschmelzer der Staaten meldete vor Einrechnung von Sondereffekten einen Verlust je Aktie von 26 cents und war damit um 12 cents besser als die durchschnittlichen Analystenerwartungen.

Diese Analystenerwartungen werden bei den Quartalszahlen immer als Vergleichswert herangezogen, wenn Anleger schnell darüber entscheiden sollen, ob die Zahlen jetzt gut oder schlecht waren. Dabei gelten immer die Gewinne oder Verluste vor Einrechnung von Sondereffekten, die ja von Analysten nicht mit berechnet werden können. Dass Alcoa nach Einrechnung der Sondereffekte einen weitaus größeren Verlust von 47 cents je Aktie gemeldet hatte, interessierte kurz nach Veröffentlichung der Quartalszahlen aber nicht: Die Aktie sprang um bis zu 13% auf weit über 10 Dollar an.

Am nächsten Tag, dem Donnerstag, hielt die 10-Dollar-Marke nicht einmal die ersten fünf Handelsminuten nach Börsenbeginn durch. Die Aktie wurde unerbittlich verkauft. Wahrscheinlich haben sich einige Anleger darauf besonnen, dass auch Sondereffekte sehr reale Verluste für Alcoa sind, auch wenn sie die Wall Street je nach Stimmungslage auszublenden pflegt. Die Alcoa-Aktie schloss am Freitagabend in New York bei 9,34 Dollar und damit etwas niedriger als eine Woche zuvor.

"Anleger suchen derzeit nach einem Grund, ihre Aktien zu verkaufen, nicht um neue zu kaufen", so Eric Ross, Researchdirektor bei Cannacord Adams. Laut einer Studie von Thomson Reuters werden die 500 größten US -Unternehmen im S&P 500 zum achten Mal hintereinander sinkende Quartalsergebnisse melden, in jedem Sektor und mit 36% durchschnittlich weniger Gewinn.

USA: Schlussbericht Wall Street

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New York (BoerseGo.de) – Die Indizes der US – Börsen verabschieden sich zum vierten Mal in Folge mit einem Wochenminus. Der Dow Jones und der S&P 500 komplettieren das mit einem Minustag, Nasdaq und Russell 2000 behaupten sich dagegen heute im positiven Bereich. Kennzeichnend für die heutige – ebenso wie für die vergangenen – Sitzung war ein extrem niedriger Umsatz, der sich bei den 30 Dow Aktien und im Nasdaq an Jahrestiefstwerten bewegte. Das Sommerloch und die nächste Woche mit Vollgas startende Berichtssaison lassen grüßen.

Der Dow Jones schließt mit -0,45% 36,65 Punkte tiefer bei 8.146,52 Zählern. Der S&P 500 schließt 3,86 Punkte (-0,44%) leichter bei 878,82 Zählern, der NASDAQ gewinnt 0,20% oder 3,48 Punkte hinzu und beendet die Sitzung bei 1.756,03 Punkten. Der Russell 2000 geht mit +1,7 Punkten (+0,35%) bei 480,97 als Tagesgewinner aus dem Markt.

Zum Ende einer wieder einmal volatilen Woche kleben die Indizes oberhalb wichtiger charttechnischer Unterstützungen. Bei extrem dünnen Umsätzen waren heute der Transportsektor, Staatsanleihen und Halbleiteraktien gefragt, erstere als sicherer Hafen, letztere im Hinblick auf die Quartalsberichte nächster Woche, in denen die Großen der Branche hoffentlich mal Butter bei die Fische tun. Unter anderen berichten Intel, IBM und Google.

Die Verlierer des Tages waren die risikofreudigeren Sektoren und Branchen, da sich die Anzeichen mehren, dass die Rezession sich nicht so bald in lauer Sommerluft auflöst. Solaraktien, Windenergie, Agrarchemie, Kohle, Finanzwerte und Rohstoffwerte dominierten den Abwärtsdrang, wie schon in den vergangenen Tagen. Zu den Wochengewinnern zählen die Nahrungsmittelaktien, Gesundheitswesen und Technologiewerte.

Tagesverlierer waren CIT Group mit -17,20% als Folge von Meldungen, wonach das Finanzunternehmen möglicherweise keine Regierungsmittel zur Abdeckung kurzfristiger Verbindlichkeiten erhält. Potash verloren 8,94% nach Nachrichten über größere Preisabschläge bei den Produkten, und Kasinobetreiber Las Vegas Sands fielen 7,43% nach Gewinnmitnahmen.

Tagesgewinner war der Versicherer American International Group mit +25,53%, nachdem sie gestern über 28% gefallen waren, aufgrund eines Analystenberichtes der Citigroup. Ein Schelm wer Böses dabei denkt. Festplattenhersteller Seagate gewannen 4,93% nach Heraufstufung durch Goldman Sachs, Yahoo +2,61% ebenfalls nach Upgrade.

Der Aluminiumhändler Alcoa, der traditionell die Berichtssaison einläutet, fällt trotz besserer Ergebnisse als erwartet in dieser Woche, und trotz Tagesplus von 0,54%. Das lässt an höheren Kursen in der nächsten Woche zweifeln, wenn fast täglich große Unternehmen berichten.

Neben dieser Unsicherheit werden Wirtschaftsdaten für Bewegung sorgen, Inflationszahlen, Einzelhandelsumsätze, Lagerbestände, Industrieproduktion, Neubauten und Baugenehmigungen, und last, not but least, das Protokoll der letzten Notenbanksitzung. Die Protokolle sind zwar nicht mehr so verklausuliert wie zu Alan Greenspans Zeiten, aber für Amateurkaffeesatzleser geben sie allemal genügend Unterhaltungswert ab. (Den kompletten Terminkalender für die nächste Woche finden Sie unter diesem Link: BörseGo Termine)

Was Zahlen noch Wert sind, konnte man heute an 3Com sehen: trotz eines (gestern veröffentlichten) doppelt so hohen Gewinns wie Analysten erwartet hatten, krachte die Aktie heute 10,47% nach unten. Analysteneinschätzung: profitabel, aber vor schwierigem 4. Quartal. Wer bezahlt eigentlich die ganzen Analysten? Sie? Trotzdem ein schönes Wochenende!

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Über den Experten

Jochen Stanzl
Jochen Stanzl
Chefmarktanalyst CMC Markets

Jochen Stanzl begann seine Karriere in der Finanzdienstleistungsbranche als Mitbegründer der BörseGo AG (jetzt stock3 AG), wo er 18 Jahre lang mit den Marken GodmodeTrader sowie Guidants arbeitete und Marktkommentare und Finanzanalysen erstellte.

Er kam im Jahr 2015 nach Frankfurt zu CMC Markets Deutschland, um seine langjährige Erfahrung einzubringen, mit deren Hilfe er die Finanzmärkte analysiert und aufschlussreiche Stellungnahmen für Medien wie auch für Kunden verfasst. Er ist zu Gast bei TV-Sendern wie Welt, Tagesschau oder n-tv, wird zitiert von Reuters, Handelsblatt oder DPA und sendet seine Einschätzungen über Livestreams auf CMC TV.

Jochen Stanzl verfolgt einen kombinierten Ansatz, der technische und fundamentale Analysen einbezieht. Dabei steht das 123-Muster, Kerzencharts und das Preisverhalten an wichtigen, neuralgischen Punkten im Vordergrund. Jochen Stanzl ist Certified Financial Technician” (CFTe) beim Internationalen Verband der technischen Analysten IFTA.

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