Kommentar
14:00 Uhr, 23.09.2007

DAX - Houston, wir haben ein Problem

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  • DAX
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Houston, wir haben ein Problem, mit diesem Satz versetzte James Lovell, Kommandant von Apollo 13 am 13. April 1970 die Welt in Angst und Schrecken. Auf dem Weg zum Mond explodierte ein Sauerstofftank an Bord des Raumschiffs. Was sich zunächst nur als Problem darstellte, wuchs sich sehr schnell zu einer lebensbedrohlichen Krise für die drei Astronauten aus. Die ganze Welt drückte die Daumen und selbst die damals so verfeindete Sowjetunion bot ihre Hilfe an. Der Papst rief zu Gebeten auf und nahezu die ganze Menschheit folgte dieser Aufforderung. Am 17. April kehrten die drei bereits verloren geglaubten Männer wohlbehalten auf die Erde zurück. Hier waren Profis am Werk, die den Ernst der Lage sofort erkannt haben und entsprechende Maßnahmen eingeleitet haben.

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Maßnahmen hat nun auch die FED ergriffen. Einen halben Prozentpunkt wurde der Leitzins gesenkt. Die Senkung wurde vom Markt erwartet. Die Höhe der Senkung nicht. Die FED hat nun gehandelt und damit zugegeben, dass ein ernstes Problem besteht, ein sehr ernstes sogar. Zinssenkungen der Notenbank sollen bewirken, dass die Wirtschaft mit Liquidität versorgt wird. Das heißt, dass die Banken Geld bei der Notenbank ausleihen, um es an Kreditnehmer weitergeben zu können. Wenn die Banken aber trotzdem keine Kredite mehr herausgeben, muss der Anreiz erhöht werden. Das hat die Notenbank jetzt getan. Sie hätte ja nur um einen viertel Prozentpunkt senken müssen und weitere Senkungen in Aussicht stellen können. Aber da die Lage so ernst zu sein scheint, hat man sofort die ganz große Keule herausgeholt. Damit ist man bewusst das Risiko eingegangen, die Inflation wieder anzuheizen, denn mehr Geld bedeutet nun einmal Inflation. Genau das war es aber, was die Notenbank, spätestens nach Amtsantritt von Ben Bernanke, unter allen Umständen verhindern wollte. Damit ist Ben Bernanke zum ersten Mal unglaubwürdig geworden. Betonte er noch vor einigen Wochen, dass er auf keinen Fall überzogenen Spekulanten helfen wolle, so hat er jetzt genau das getan. Denn dem kleinen Hauskäufer, der ohne Eigenkapital seine Immobilie auf Pump gekauft hat, ist mit der Zinssenkung in keinster Weise geholfen.

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Unglaubwürdig hat sich auch ein schweizer Banker in Diensten einer deutschen Großbank gemacht. Ich hatte bereits vor zwei Wochen an dieser Stelle meinem Zweifel darüber Ausdruck verliehen, ob der besagte Vorstandschef so richtig gut über sein eigenes Haus informiert sei. Hätte er damals mal lieber geschwiegen, er hätte im ZDF in der letzten Woche nicht indirekt zugeben müssen, dass er eben doch schlecht informiert war (Und das ist jetzt eine positive Unterstellung!!!). Sein Haus habe in der Krise Fehler gemacht. Das hatte er vorher noch den anderen Instituten vorgeworfen.

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Tja, wer im Glashaus sitzt…

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Haben Sie die Bilder gesehen, wie die Menschen vor der englischen Northern Rock Bank schlangen gestanden haben, weil sie an ihr Geld kommen wollten? Das hatten wir alles schon einmal. Nämlich 1929 als die Börsen zusammenbrachen und die große Depression die Welt beherrschte. Bis vor einer Woche wähnten sich die Briten auf der Insel der Glückseeligen. Das ist ja ein Problem was die USA betrifft, konnte man aus britischen Kreisen hören. Ähnliche Aussagen, hört man nun fast gebetsmühlenartig von deutschen Bankern, die dann allerdings im Beisatz einräumen, dass die Verluste etwas höher seien, aber kein Problem darstellen würden. Keine Probleme, meldeten während der Woche auch diverse US-Broker-Häuser.

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Alles nicht so schlimm… Haben wir das nicht vor zwei Wochen von oben beschriebenem Bankhaus auch gehört?

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Mir kam unterdessen zu Ohren, dass die Broker die Probleme zwischenzeitlich bilanztechnisch etwas „aufbereitet“ haben. Ich bin kein Buchhalter, weiß aber schon, dass man eine offizielle und vor allem geprüfte Gewinn und Verlustrechnung erst am Geschäftsjahresende erstellen muss. Bis dahin gibt es kreative Freiheiten die hier scheinbar genutzt wurden (manche erinnern sich noch gut an den Bilanzskandal um Enron). Hoffnung ist das Zauberwort. Sollte sich die Krise bis ins vierte Quartal aber nicht erledigt haben, müssen die Abschreibungen in die GuV übernommen werden. Wie dann die Bilanzen aussehen, möchte ich mir heute noch nicht vorstellen. Also Zeit gewonnen, mehr nicht. Und auch die Notenbank hat mit Ihrer Maßnahme zunächst nur Zeit gewonnen. Auch besagter schweizer Banker hat Zeit gewonnen bis zur Veröffentlichung der nächsten Zahlen.

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Auch die Börse scheint Zeit gewonnen zu haben. Jedenfalls hat der DAX die Marke von 7.800 erreicht. Hier befindet sich zwar ein Widerstand, wegen der tollen Stimmung (Sie merken meinen sarkastischen Bezug zu oben ausführlich Beschriebenem), kann es nun aber durchaus bis 8.000 weiter nach oben gehen. Die alten Tops sind dann auch nicht mehr fern. Ich bin trotzdem der festen Überzeugung, dass uns das verlagerte Problem wieder einholen wird. Kurzfristig hat sich die technische Lage zweifellos aufgehellt. Hoffen wir mal, dass der Markt in der Umlaufbahn bleibt und die Profis für eine sanfte Landung sorgen. Ich bleibe jedenfalls bei meiner Aussage, dass es zunehmend wichtiger wird, am Ball zu bleiben und unbedingt darauf zu achten, sein Vermögen zu sichern!

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Bis zur nächsten Woche

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Ihr

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Martin Marquardt

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Anmerkung der Redaktion: Bei dem Namen "Martin Marquardt" handelt es sich um ein Pseudonym. Unter diesem Pseudonym schreibt ein charttechnischer Analyst eines größeren Bankhauses, der anonym bleiben möchte.

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Über den Experten

Harald Weygand
Harald Weygand
Head of Trading

Harald Weygand entschied sich nach dem Zweiten Staatsexamen in Medizin, einer weiteren wirklichen Leidenschaft, dem charttechnischen Analysieren der Märkte und dem Trading, nachzugehen. Nach längerem, intensivem Studium der Theorie ist Weygand als Profi-Trader seit 1998 am Markt aktiv. Im Jahr 2000 war er einer der Gründer der stock3 AG und des Portals www.stock3.com. Dort ist er für die charttechnische Analyse von Aktien, Indizes, Rohstoffen, Devisen und Anleihen zuständig. Über die Branche hinaus bekannt ist der Profi-Trader für seine Finanzmarktanalysen sowie aufgrund seiner Live-Analysen auf Anlegerveranstaltungen und Messen.

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