Kommentar
23:00 Uhr, 19.03.2008

Dauerhafte Krisenbewältigung nicht in Sicht

In der vergangenen Woche hat die US-Notenbank gemeinsam mit anderen Zentralbanken weltweit in einer koordinierten Aktion den Kapitalmärkten massiv Liquidität zur Verfügung gestellt. So bot die Fed den US-Banken einen zusätzlichen Kreditrahmen von 200 Milliarden Dollar mit einer Laufzeit von 28 Tagen an, für den eine breitere Auswahl an Sicherheiten als zuvor akzeptiert wurde. Die an regelmäßigen Terminen durchgeführte Kreditauktion („Term Auction Facility“) erleichtert den Finanzinstituten die Refinanzierung, vor allem, weil diese nun auch Hypothekenprodukte als Sicherheit hinterlegen können. An der konzertierten Aktion waren auch die Europäische Zentralbank (EZB), die Bank of England (BoE), die Bank of Canada (BoC) sowie die Schweizerische Nationalbank (SNB) beteiligt. So stellte die EZB dem Finanzmarkt einen Betrag in Höhe von 30 Milliarden USD zur Verfügung, die SNB steuerte sechs Milliarden USD ebenfalls zu Sonderkonditionen bei.

Die Aktienmärkte reagierten auf die Nachricht zuerst mit deutlichen Kursgewinnen. Positiv wurde von den Marktteilnehmern vor allem das gemeinsame Handeln der globalen Notenbanken in einer Krisensituation bewertet. An den Devisenmärkten konnte der US-Dollar profitieren, da zum einen die Hoffnung auf eine Krisenbewältigung wuchs, zum anderen die Zinssenkungserwartung für die USA zurückging, weil Investoren die Liquiditätsspritze als Ersatz für weitere Zinssenkungen interpretierten. Die Fed Funds Futures preisten zeitweise nur noch eine Zinssenkung um 50 Basispunkte für das US-Notenbanktreffen am 18. März ein.

Am Montagmorgen spitzte sich die Lage dann aber erneut zu. Mit der Notübernahme der wegen Liquiditätsproblemen vor der Insolvenz stehenden US-Investmentbank Bear Stearns durch JP Morgan Chase erreichte die Finanzmarkt- und Bankenkrise einen neuen Höhepunkt. Besonders der bei dem übereilten Verkauf erzielte Preis machte Anleger stutzig – denn JP Morgan bezahlte für Bear Stearns einen Schnäppchenpreis von gerade einmal 236 Millionen USD oder umgerechnet gut zwei USD pro Aktie. Dies ist ein Abschlag von 93% auf den Börsenkurs der fünftgrößten US-Investmentbank vom vergangenen Freitag, obwohl zugleich die US-Notenbank zur Absicherung von derzeit unverkäuflichen Bear-Stearns-Investments am Hypothekenmarkt 30 Milliarden USD zur Verfügung stellt und damit den Löwenanteil der Risiken übernimmt.

Von den eskalierenden Liquiditätsproblemen der US-Banken aufgeschreckt, lockerte die Fed erneut außerplanmäßig ihre Geldpolitik. Sie senkte den Diskontsatz, zu dem die Geschäftsbanken von der Notenbank kurzfristige Kredite erhalten, um 25 Basispunkte auf 3,25% - und dies ganze zwei Tage vor der turnusmäßigen Sitzung. Zusätzlich legte sie ein Sonderkreditprogramm für die sogenannten „Primärhändler“ auf, mit dem sich US-Finanzinstitute weiteres Kapital besorgen können. Die neuerliche Überschwemmung des Marktes mit Liquidität kam dieses Mal jedoch überhaupt nicht gut an und wurde von der Mehrzahl der Investoren als Hinweis aufgefasst, wie schlecht es um die US-Finanzmärkte wirklich bestellt ist.

In der Folge kam es am Montag bereits im asiatischen Handel zu Panikverkäufen an den Börsen, während EUR/USD ein neues Allzeithoch von 1,5907 markierte. Auch in den anderen USD-Währungspaaren kam es zu massiven Verwerfungen. USD/CHF rutschte erstmals in seiner Geschichte unter die Parität, während USD/JPY deutlich unter die 100er-Marke auf ein neues Zwölfjahrestief fiel. Die Erwartung, die US-Notenbank würde ihren Leitzins am 18. März um 100 oder gar 125 Basispunkte senken, belastete den Greenback erheblich.

Beim geldpolitischen Treffen am Dienstag kam es dann zwar zu einer kräftigen Absenkung der „Fed Funds Rate“ um 75 Basispunkte auf 2,25%, die an den Zinsfutures bereits vollständig eingepreisten 100 Basispunkte wurden es aber nicht, weshalb sich der US-Dollar gegenüber Euro, Franken und Yen wieder etwas erholen konnte. Insgesamt bleibt zu konstatieren, dass das massive Aufdrehen des Geldhahns durch die Fed den Märkten wenig geholfen und eher zu deren Verunsicherung beigetragen hat. Die stärksten US-Zinssenkungen seit fast 25 Jahren verstärken die Nervosität, da sie den Eindruck einer (auch historisch gesehen) besonders schlimmen Krise hervorrufen. Zudem kann man sich des Gefühls nicht erwehren, die Fed lasse sich ihre Geldpolitik von den Finanzmärkten diktieren – ein für das Renommee der US-Notenbank ganz verheerender Eindruck. Niedrigere Zinsen allein reichen aber nicht aus, um die Finanzkrise einzudämmen. Eine nachhaltige Krisenbewältigung, die auch strukturelle Reformen im US-Finanzsektor erfordern würde, ist derzeit nicht in Sicht – weshalb die hohe Volatilität an den Aktien- und Devisenmärkten noch eine ganze Zeit anhalten sollte.

Volker Zenk - FXdirekt Bank

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Über den Experten

Harald Weygand
Harald Weygand
Head of Trading

Harald Weygand entschied sich nach dem Zweiten Staatsexamen in Medizin, einer weiteren wirklichen Leidenschaft, dem charttechnischen Analysieren der Märkte und dem Trading, nachzugehen. Nach längerem, intensivem Studium der Theorie ist Weygand als Profi-Trader seit 1998 am Markt aktiv. Im Jahr 2000 war er einer der Gründer der stock3 AG und des Portals www.stock3.com. Dort ist er für die charttechnische Analyse von Aktien, Indizes, Rohstoffen, Devisen und Anleihen zuständig. Über die Branche hinaus bekannt ist der Profi-Trader für seine Finanzmarktanalysen sowie aufgrund seiner Live-Analysen auf Anlegerveranstaltungen und Messen.

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